„Supernatural“ war eine der Serien, die ich als Teenager und Studentin sehr gern geschaut habe. Ich gehöre aber auch zu denjenigen, die das Ende der 5. Staffel für das perfekte Serienende halten. Staffel 6 bis 10 konnten mich nicht überzeugen. Wahrscheinlich habe ich es nur noch wegen des Humors und wegen meiner Lieblingscharaktere Dean und Castiel überhaupt solange weitergeschaut. Jetzt endete die Serie ca. um die US-Wahl herum mit der 15. Staffel. Die Serienschöpfer hätten fast was richtig gutes gemacht und sich vor der Fanszene der Serie verneigt – haben es dann aber gehörig verkackt. Über herzzerreißende Serienmomente, schlechtes Writing und mangelnden Zeitgeist. Der Artikel enthält keine Spoiler für die Serie per se, aber über das Schicksal des Charakters „Castiel“ in Supernatural.
Bromance. Klappt. Klappt immer.
Kleiner Exkurs für alle die die Serie nicht kennen: Wovon handelt Supernatural!? (Zum Lesen ausklappen)
Supernatural handelt von den Brüdern Sam (Jared Padalecki) und Dean Winchester (Jensen Ackles), die das Erbe ihres Vaters fortsetzen und Dämonen, Geister und alles übernatürliche jagen. Dass sie schon viel zu jung diese Bürde schultern mussten und die Kämpfe nie enden, hat Wunden hinterlassen. Während Dean sich der Aufgabe verbissen widmet und dem Ideal seines Daddys hinterherhinkt, hatte Sam einst vor dem Hunter-Leben den Rücken zu kehren. Dieser ständige Konflikt der Mentalitäten und Weltanschauungen, aber auch die engen Familienbande haben seit jeher die Serie emotional unterfüttert. Irgendwann um Staffel 4 entschied man sich einen anderen Weg zu gehen und ein biblischeres Ausmaß zu verpassen. Ab dann wurde es nicht nur der Kampf von Gut gegen Böse gemessen an ein paar Dämonen, sondern der Kampf Gut gegen Böse. Himmel gegen Hölle. Die Brüder spielten darin eine besondere Rolle, weswegen Dean gar vom Engel Castiel (Misha Collins) im Auftrag Gottes gerettet wurde. Klingt kitschig? Die Serie hat es nicht so verpackt. Engel gar teilweise als korrupte Drecksäcke, Bürokraten und Soldaten anstatt Harfe-spielende Putten dargestellt. Castiel ist nicht einer dieser geflügelten Drecksäcke, sondern ein wirklich guter, der den Winchester unzählige Male den Arsch rettet.
Seit der vierten Staffel kreuzten sich die Wege Deans und Castiels in Supernatural öfter. Der eine ein Hunter, der das Böse erledigt, der andere ein Engel des Herrn, der mehr und mehr auf der Seite der Winchesters ist. Anfangs war es wohl gar nicht unbedingt klar, ob Castiel eine wiederkehrende Figur sein würde. Schnell stand aber fest, dass der Comic Relief aus dem Setup weltfremder Engel vs. Menschenleben auf der Erde für dringend notwendige Erheiterung und neue Impulse sorgt. Vielleicht drang auch zu den Autoren durch, dass sich Bromances mit der Andeutung von dem bisschen „Mehr“ und dem „Läuft da was?“ gut verkaufen. Die Serie drückt es so aus: Dean und Castiel „do share a more profound bond“. Ein paar Beispiele gefällig … ?
„My 10 favorits destiel moments“, via Winchesterfamilyforever (Youtube)
Es gab schon einige Steilvorlagen für die Vorstellung, dass zwischen Castiel und Dean was geht, die aber immer „vage genug“ waren für alle die Destiel nicht shippen. Destiel ist ein Kofferwort aus Dean und Castiel, Shipper und shipping ist vom Wort relationship abgeleitet und bezeichnet die Fanszene, die sich die Beziehung zwischen bestimmten Charakteren sehnlichst wünscht, die aber eventuell nicht teil des Kanons der Serie ist, d.h. offiziel eigentlich nicht vorhergesehen ist. Man denke nur an andere Serien wie Sherlock und Merlin, wo das Fandom auch durch die Decke ging. Misha Collins wurde mit seiner Darstellung Castiels später zum Series Regular/Main Cast und war ab da bis zum Ende der Serie angestellt – immerhin 12 Jahre lang. Eine echte Erfolgsstory. Hatte aber jemals irgendwer wirklich damit gerechnet, dass Destiel offiziell Kanon wird? Trotz all der Andeutungen? Die Überraschung: wurde es. Das ist ein Meilenstein in der Fankultur – sowas hatte es noch nie gegeben. Trotzdem ging der Schuss für die Serienschöpfer total nach hinten los.
„Happiness isn’t in the having. It’s in just being.“
Was ist also passiert? Kurz vor dem Serienfinale sah es mal wieder ganz düster für Dean Winchester aus. Er und Castiel wurden von niemand geringerem als der Sensenfrau höchstpersönlich verfolgt, es gab kein Entkommen und Castiel traf die Entscheidung sich für Dean zu opfern. Aber dieses Mal packte er aus und gestand Dean kurz vorher seine Liebe. Dass zwischen den beiden eine Art „Brother in Arms“-Beziehung herrscht, war immer so die langläufige Meinung und der Konsens. Dean bezeichnete Castiel nur wenige Episoden zuvor als seinen besten Freund. Castiel sagt relativ deutlich, dass er immer wusste, dass er Dean nie haben könne so wie er wollte. Die Info war offenbar für Dean neu (nicht für die Shipper, 😉 klar) und der hatte nicht mal Zeit darauf angemessen zu reagieren, schon stirbt Castiel und nimmt den Feind dabei mit. Zurück bleibt ein geretteter Dean, der naja .. einigermaßen am Boden zerstört ist. Man stelle sich die Gesichter der Shipper und Supernatural-Fans vor. Der Hashtag #DestielIsCanon war geboren und überholte auf Twitter sogar mal kurzzeitig die US-Wahlen in den Trends. Ich denke das spricht Bände.
„Supernatural 15×18 – Castiel to Dean : „I LOVE YOU“, Castiel sacrifices himself to save Dean!“, via Supernatural4Ever (Youtube)
Klar: der Fandom war überwältigt. Nicht nur, dass Destiel im Speziellen, sondern allgemein mal eine enorm populäre Fan-Fantasie Kanon wurde, d.h. Realität im Kontext der Serie. Das hätte was großes und einmaliges sein können. Und eine schöne Botschaft, nicht nur für Fans im Allgemeinen, sondern insbesondere ein Stück Repräsentation der LGBT-Community. Kein Wunder, dass das Internet kurz mal explodiert ist. Man wartete gespannt auf das Serienfinale. Supernatural ist ja dafür bekannt seine Charaktere wiederzubringen. Castiel war für die Winchesters schon einige Male gestorben, die Winchesters waren einige Male gestorben … also eigentlich war jeder dort schon mal gestorben und zurückgekehrt. ^^‘ Der Fandom hoffte auf irgendeine Form des Happy-Ends für Dean und Castiel. Das blieb allerdings leider aus. Weder das Happy End kam, noch ließ Dean wenigstens ein paar Worte für Castiels Opfer oder große Offenbarung fallen. Hier wurde es langsam offiziell: Supernatural hat erneut einen homosexuellen Charakter gekillt und sich des unliebsamen Tropes bury your gays bedient.
Vor Castiel traf das nämlich mindestens einen anderen Charakter, der/die offen homosexuell war. Das ist ein oftmals genutzter und vielseitig gehasster Trope („Muster/Stilmittel“) in Medien, in denen Charaktere als homosexuell, bi, etc eingeführt werden um einen minimalen Eindruck von Repräsentation der LGTBT-Community zu erwecken. Aber der Respekt geht auch nur gerade so weit, denn oftmals werden die Charaktere dann direkt danach aus der Serie geschrieben oder man lässt sie sterben. Warum? Vielleicht man die Community nicht für die Hauptzielgruppe hält oder irgend so ein Quatsch und sich irgendwelcher möglichen Storylines in punkto LGBT dann doch lieber still und heimlich entledigen will? Verletzt das Deans Ruf in irgendeiner Weise? Ganz miese Botschaft. Dementsprechend schlug jetzt die Überwältigung über #DestielIsCanon in Enttäuschung um. Ab jetzt waren alle wütend. Und wenn ich wütend sage, dann meine ich so richtig scheiß wütend und am Boden zerstört.
Über die Lesarten von Liebe
Jetzt ist das halt so eine Sache mit dem Gendern und der Liebe: es liegt in der Natur der Dinge, dass das jeder anders sieht. Viele argumentieren, dass es kein Fall von bury your gays wäre, da Castiel zwar mit einem männlichen Körper („Vessel“ im Sprech der Serie) auftritt, aber Engel in der Serie geschlechtslose Wesen seien, die halt nur „irgendeine Gestalt“ auf der Erde annehmen müssen. Andere Zuschauer wiederum sind absolut unempfänglich für die Idee, dass überhaupt irgendwas zwischen Castiel und Dean laufen könnte. Ihre Beziehung wäre ein reines BFF oder Brothers-in-Arms-Ding. Ich las gar irgendwo den Kommentar einer Zuschauerin, die das Liebesgeständnis furchtbar schlecht, schnulzig, aus der Luft gegriffen und absolut unpassend fand. Die Meinungen sind also durchaus gespalten und nicht jeder hat die Bromance als solche interpretiert. So ist das halt mit der Subjektivität.
Wo stecke ich in all dem eigentlich? Dann packe ich mal aus: ich bin Destiel Shipper. Schon seit der ersten Minute an gewesen. Ich meine hallo … schaut euch mal das Video vom ersten Aufeinandertreffen Deans und Castiels an, das ich unten einbette. 🙂 Und ich verrate euch noch was: ich bin leidenschaftlicher Fan – allgemein gesprochen. Wenn ich Serien liebe, dann liebe ich sie und ihre Charaktere stark. Das alles schlucke ich zugunsten irgendeiner Form von Professionalität beim Besprechungen für den Blog schreiben meistens runter. Dass ich die Staffeln 5-10 von Supernatural geschaut habe, lag wohl einzig an Castiel. Und ich selber war absolut von den Socken, als ich den Hashtag #DestielIsCanon auf Twitter sah und dachte nur: „Bedeutet es das, was ich denke?“
„Supernatural – Dean trifft Castiel“, via armend44 (Youtube)
Rein subjektiv zerreißt mir die ganze Sache also durchaus ein bisschen das Herz. Castiel wird als Symbol für Selbstlosigkeit und unerschütterlichen Glauben an das Gute in die Serie eingeführt. Und dafür von den Winchesters nicht immer gewertschätzt. Da ist ein solches Ende ein ziemlicher Hieb in die Weichteile. Wieder geopfert. Dieses Mal mit Seelenstriptease. Und dann sogar unkommentiert? Autsch. Aber ich bin mir bewusst, dass solche Fandoms/Ships halt häufig auch das sind, was man gern sehen will und bereit ist hineinzuinterpretieren. Bemühe ich mich um mehr Objektivität und schreibe hier als jemand, der viel die Medien und Geschichtenerzähler beobachtet, finde ich es immer noch unheimlich unpassend wie man seinen Handlungsbogen gehandhabt hat. Besonders zeitgeistig ist es nicht. Und von Profis hätte ich erwartet, dass man sich eines Tropes wie „Bury your gays“ bewusst ist oder wenigstens des Fandoms! Darüber berichteten gefühlt auch mehr Webseiten als über das Finale der Serie. Ich sage richtig so! Wo ist da der Mut zu einem Richtungswechsel in der Charakterisierung der Personen zu stehen? Aber das ist übrigens noch nicht das Ende des Ganzen, denn …
Mindestens ein spanischer Übersetzer fand’s scheiße
… und dachte sich: „Nö. Mach ich nicht mit.“ Vielleicht dachte er oder sie, dass Dean und Castiel wie füreinander geschaffen sind oder dass es einfach nur herzzerreißend ist auf ein solches zudem noch selbstloses Liebesgeständnis keine vernünftige Antwort zu bekommen!? Als Ende November die besagte Folge mit dem Liebesgeständnis über südamerikanische Bildschirme mit spanischer Synchro lief, trauten einige Fans ihren Ohren nicht. Denn dort reagiert Dean auf Castiels „I love you“ nicht mit „Don’t do that Cas“, sondern mit „I love you too“ – nur eben auf Spanisch. Das nenne ich mal bold. Und großartig!
„15X18 DESTIEL IS CANON AGAIN (Dean says „I love you too“ / „Y yo a ti“)“, via soberdenatural (Youtube)
Jetzt wussten aber natürlich manche Fans schon, dass das in der Version in Originalsprache nicht so passiert ist. Und dachten sich: „Warte mal … heißt das, wir sehen hier gerade ein alternatives Ende, gegen das sich der amerikanische Sender The CW entschieden hat? Sie haben sich gegen die Liebe zweier männlicher Charaktere entschieden??? Ernsthaft????“ Und so gab es den nächsten Aufschrei, den nächsten Twitter-Trend: #TheySilencedYou und #Destielgate. Twitter flippte aus. Das ist ja mal ganz schön dumm gelaufen für Supernatural.
I’m seeing a lot of commentary on the ending of #SPN & the recent Spanish dub & am disheartened to see there are a lot of misconceptions that are making many in our family feel unheard & unsupported, so I’m calling a #SPNFamily meeting to sort a few things out for the record: pic.twitter.com/hwK0HOkZ8a
— Misha Collins (@mishacollins) November 26, 2020
Misha Collins fühlte sich genötigt den Shitstorm zu kommentieren – der Sender nicht, die anderen Serienstars auch nicht. Eigentlich sehr schade. Er erklärt in seinem Video, dass das ein Alleingang eines Übersetzers gewesen sein muss und es kein alternatives Ende für Castiel und Dean gab. Weiter versucht er den Shitstorm gegen Sender und Serienschöpfer einzudämpfen, indem er an die Tat der Serienfigur erinnert und dass diese für Selbstlosigkeit und Liebe steht. Aber das sich auf das „Wesentliche“ zurückbesinnen gelingt nicht so gut. Denn für viele ist nun mal wesentlich, dass ihnen zuerst etwas schönes gegeben und wieder genommen wurde. Für die einen eine schöne Fantasie, für die anderen die Repräsentation gleichgeschlechtlicher Liebe und ihres eigenen Lebens und Liebens, das nun respektlos als billiges Stilmittel benutzt wurde. Als Misha Collins das entgegen schlug hat er etwas gemacht, was viele nicht hinkriegen und sich entschuldigt.
I’m sorry if I spoke defensively. I naively thought Cas in 15.18 was going to feel validating.
But this isn’t about me. I’m going to shut up and listen for a change. If it’s not too much to ask, please tell me what we could have done better.
— Misha Collins (@mishacollins) November 26, 2020
Er ist halt ein Guter … ich meine – man muss ihn mögen, oder!? Schaut euch mal diesen Insta-Post an. Man beachte den Text …
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Und was ist die Lehre von der Geschicht‘?
… schreib doch einfach gute Storylines, die zeitgemäß, mutig und inspirierend sind und sich nicht unpopulärer und fieser Tropen bedienen. Mach es richtig. Plane die Entwicklung deiner Charaktere. Hab Mut zur Repräsentation von ALLEN. Alle Hautfarben, Geschlechter, Gesinnungen. Denn Supernatural war bei all dem leider nicht gut. Es ist schade wie man gute Zutaten hier zugrunde gehen ließ. Ich schließe mit einem schwerwiegenden SEUFZ. This is a mess … . Aber wie Misha Collins ja versucht hat hervorzuheben hat die Serie zumindest eine Sache richtig gemacht: irgendwie hat hier Liebe (egal welcher Form) die Welt gerettet.
Ein kleiner Trost ist ja durchaus der Humor des Casts …
This is as close to canon destiel we got #CastielForever #supernatural #destiel pic.twitter.com/wt1NzMWa0N
— Jess ⛄ (@JessLightwood_) November 20, 2020
Sorry. Das musste mal gesagt werden – Ich habe aus der ganzen Sache übrigens nichts gelernt. Denn obwohl mich das ganze immer noch ärgert, habe ich wieder angefangen „Supernatural“ zu schauen, um das „ganze Bild“ zu bekommen. Ich bin der Sache voll in die Falle gegangen, obwohl ich schon 2016 gesagt habe „mir reicht das ab jetzt die Zusammenfassung zu lesen“. Duh. Und jetzt sitze ich da, ärgere mich bei jeder Episode über schlechte Drehbücher und sage jedes Mal, wenn Castiel auftritt „awwww“. So kann’s gehen. Jetzt ihr: habt ihr den ganzen Aufschrei mitbekommen oder ging das komplett an euch vorbei? Habt ihr „Supernatural“ mal geschaut oder schaut es aktuell noch? Was haltet ihr von der ganzen Angelegenheit? Ich hoffe es liegt sich wie ein Krimi – für mich ist es einer. Ein Showbiz-Krimi! Ist euch schon mal eine ähnlich mit solchen Mustern verseuchte Serie untergekommen?
Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).
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