Serien-Besprechung: „Supernatural“ Season 6 (Rewatch)

Vor der Staffel hatte ich Angst. Aus meiner ersten Sichtung von „Supernatural“ wusste ich noch sehr lebhaft und vielfarbig, dass es ab Staffel 6 erstmal bergab geht. Ich würde auch soweit gehen zu sagen, dass die fünfte Staffel die letzte sein sollte. Auch wenn es danach sicherlich noch coole Gag-Episoden gibt, vereinzelte epische Momente vorkommen und Zuschauer*innen aus dem „Destiel“-Gesichtspunkt auf das alles danach nicht verzichten wollen, schwingt ein gewisses „war es wirklich 10 weitere Staffeln wert?“ mit. Und war die sechste Staffel dann im Rewatch so schlecht wie ich sie in Erinnerung hatte? Enthält Spoiler für vorhergehende Staffeln.

Are you alright, Sammy?

Ein Jahr nach dem epischen Kampf Gut gegen Böse in der Gestalt von Dean (Jensen Ackles) und Sam (Jared Padalecki) und dem Sturz von Sam mitsamt Luzifer in den Käfig, hat Dean versucht ein normales Leben mit Lisa (Cindy Sampson) und Ben (Nicholas Elia) zu führen. Leider mit der Betonung auf versuchen. Die Vergangenheit hat ihn eher nicht losgelassen und bei dem kleinsten Anzeichen von Gefahr streift er bewaffnet hinter den Vorhängen seines Vorstadt-Traums umher. Als sich seine stete Unruhe und Befürchtungen bewahrheiten und seine Wahl-Familie angegriffen wird, steht plötzlich ein bekanntes Gesicht vor ihm. Sam ist der Hölle und Luzifer entkommen.

Wie kann er nicht erklären. Um Lisa und Ben zu schützen, lösen die Beiden den aktuellen Fall und insbesondere Dean kann seine vielen offenen Fragen schwer abschütteln. Er wird noch einige Episoden lang versuchen eine Art Doppelleben zu führen, aber recht schnell ist klar, dass es nicht klappt mit dem „abends von der Jagd zu Lisa und Ben heimkommen“. Als Dean wieder in das Jäger-Leben gezogen wird, wartet aber noch eine weitere Überraschung auf ihn. Genauso wie Sam plötzlich wieder aufgetaucht ist, so auch ihr Großvater Samuel (Mitch Pileggi). Die Familienwiedervereinigung ist allerdings weniger heimelig, da Samuel einige Methoden an den Tag legt, die Dean missfallen. Zeitgleich bemerkt er auch an seinem Bruder einige Veränderungen, die besorgniserregend sind. Castiel (Misha Collins) kämpft währenddessen einen Bürgerkrieg im Himmel gegen Raphael (Demore Barnes), der sich zum neuen Gott erklären will.


„Supernatural: Season 6 – Fan Made Trailer“, via roomie1120 (Youtube) – fanmade, aber besser als alle Trailer, die ich bisher zu SPN gesehen habe

Jefferson Starships und Konsorten

In der Inhaltsangabe mangelt es an dem Big Bad? Das liegt v.A. daran, dass uns die Staffel etwas in die Irre führt, was das betrifft. Und wäre das nicht anfangs sehr spannungsarm, hätte das sogar sehr gut werden können. Anfangs könnte man denken, dass die neu in das Serien-Worldbuilding eingeführten Alphas die großen Bösen sind. Bei Alphas handelt es sich um die jeweils ersten ihrer Art, womit die Serie auch anfangs zart, später sehr deutlich, die Frage klärt, wie die eigentlich geschaffen wurde und durch wen. Allerdings sind Alphas letzten Endes ein genauso lauer Versuch neue Impulse zu setzen wie andere Monster-Kreationen. Wobei Rick Worthy als Alpha Vampir schon echt Atmosphäre zurück in die Mottenkugelduft verströmende „Monster“-Landschaft bringt.

Ansonsten bietet die Staffel einige eher abstruse Ideen und führt Feen, Drachen und „Jefferson Starships“ ein, was nach der vierten Staffel voller Götter und Erzengel als Gegenspieler sehr lau bis affig wirkt. Während die Irritationen durch Feen in 6×09 „Clap Your Hands If You Believe…“ noch ganz witzig ist, kann ich über den seltsamen Versuch Drachen in menschlicher Form auftreten zu lesen weder lachen noch kreativ finden, sondern einfach nur schlimm. War halt kein Geld für gute handgemachte Effekte oder gutes CGI da, schätze ich.

Zudem kommt, dass das Konzept der Alphas die Serien-Mythologie schon empfindlich aufweicht. Und wenn sie das nicht tun, dann halt der ganze Rest aus der Serie. So gibt Opa Campbell zu erkennen, dass er ein Rezept zum Heilen von Vampiren hat. Ach ja? Das hätte irgendwann durchaus nützlich sein können! Hier beginnt die Serie ihre ehemals über viele Staffeln gejagten Monster ad absurdum zu erklären und tut sich für alle kommenden Staffeln keinen Dienst. Schließlich sind Vampire und Konsorten aber hier nicht mehr wirklich eine Gefahr. Vielleicht eine Konterreaktion auf bestimmte Entwicklungen im Fantasy-Genre? Jedenfalls macht sich die Serie in 06×05 „Live Free or Twihard“ recht lustig über die romantischen, glitzernden Vampire in Twilight. 🙂


„supernatural ● like half an hour ago [season6.humor]“, via jυѕтcαllмeмιcнelle (Youtube)

Unter den Gag- oder Meta-Episoden hat die sechste Staffel einige zu nennen. Die wohl beste ist aber 6×15 „The French Mistake“ und ich behaupte gleichzeitig eine der besten der ganzen Serie. Darin sendet der Engel Balthazar (Sebastian Roché) die Brüder zu ihrem Schutz in ein alternatives Universum, in dem „Supernatural“ eine Fernsehserie ist und sie beide nicht wirklich Jäger, sondern Schauspieler. Sie versuchen erstmal eine Weile so zu tun als ob, was zu herrlich (absichtlich) schlecht geschauspielerten Szenen und jeder Menge Selbstironie führt, die auch Misha Collins sehr prominent einschließt. Die Tweets die er hier scheinbar zum Scherz absetzt, hat er wirklich gesendet. Herrlich meta. Die bisher genannten Episoden sind also gut, der Rest ist traurig. Aus unterschiedlichen Gründen.

Vielleicht hätten sie es lieber gelassen …

Neben der ungeschickten Wahl der Motive (Alphas, zwingend andere Monster als die bekannten) hat sich die Serie auch mit den Charakteren keinen Gefallen getan. Ich möchte niemanden Unrecht tun, aber die coolen waren gefühlt zu wenig zu sehen. Sebastian Roché, Rick Worthy als Alpha und Demore Barnes als Raphael waren höllisch gut und hatten eine Wahnsinns Präsens. Von ihnen hätte ich gern mehr gesehen. Ihre Storylines wurden aber nur sehr geringfügig verfolgt. Der Bürgerkrieg im Himmel und die Fehde zwischen Castiel und Raphael hätte ich tatsächlich viel lieber gesehen als soviel von dem Geplänkel und den Zwist zwischen Sam, Dean und Opa Samuel. Mitch Pileggi hat in der Rolle Samuels auch einfach keine Chance, da er eine unemotional und negativ konnotierte Charakterzeichnung von Season 5 an hatte, die hier nicht gelingt umzukehren und ihn stattdessen als Fähnchen im Wind erscheinen lässt. Mal so, mal so. Zwar hat es coole „Akte X“-Vibes, aber man wünscht sich, dass sie Pileggi eine signifikante Rolle auf den Leib geschrieben hätten, nicht nur eine die Plot Holes covern muss.

Das ist leider noch nicht alles, denn auch wenn man sich die Charaktere, ihre Entwicklung und Storylines vor Augen führt ist die Staffel absolu atonal zu den vorhergehenden fünf. Es ist kein Geheimnis, dass es ab der sechsten Staffel personelle Veränderungen in der Supernatural Crew gab. Sera Gamble wurde Showrunner und Andrew Dabb übernahm mehr Aufgaben als zuvor in der 5. Staffel, die seine erste war. Aber niemand kann es eindeutig auf zwei Personen abladen, was hier alles schief läuft.

Neben der Entscheidung ein einziges Storyelement zum Hauptthema der Staffel zu machen (What the heck is wrong with Sammy?) und andere weitestgehend zu ignorieren (What the heck is wrong with Heaven and Castiel?) werden die Charaktere ganz armselig weiterentwickelt und viele schädliche Entscheidungen für spätere Staffeln getroffen. Wie genügsam Lisa Deans Weggang anbietet und akzeptiert und wie einfach Dean den annimmt ist einfach nur schmerzhaft anzuschauen. Die Episode 6×20 „The Man Who Would Be King“ ist Castiel-zentriert und eine der besseren der Staffel, hebt sich aber große Offenbarungen viel zu lange auf. Castiels Introspektion bricht mir das Herz. Wieviel Langeweile kann man aber bis hierhin ertragen? Und wieviele hanebüchene Monster? Und wieviele Logiklücken? Ein paar besonders dämliche habe ich mir für den spoilerlastigen letzten Absatz aufgehoben. Wie kann nun das Fazit lauten? Leider ist die Staffel ziemlicher Bullshit mit einigen wirklich tollen Episoden dazwischen. (5/10)

Sternchen-5

Ein Beispiel für die immensen Logiklücken der Staffel … spoilerlastig!

Deans Albtraum und Befürchtungen werden in Episode 6×21 „Let It Bleed“ Realität als Ben und Lisa gekidnappt und als Druckmittel gegen ihn eingesetzt werden. Am Ende der Episode sieht man sich offenbar gezwingen einen Haken hinter die Dean-Lisa-Storyline zu setzen und Dean wird auf den Leib geschrieben weiteren Wiederholungen des Dramas einen Riegel vorzuschieben, indem er was macht? Er lässt Castiel das Gedächtnis von Lisa und Ben löschen. Was danach kommt bricht einem schon irgendwie das Herz. Aber es ist leider absolut sinnfrei. Solange sich Dean an die Beiden erinnert, werden sie immer weiter ein Druckmittel bleiben. Davon abgesehen wurde das Ende von Deans Versuch ein normales Leben und eine Beziehung zu führen sehr armselig gehandhabt. Von Lisa, die ihn wegschickt und komplett verständnisvoll kein Problem damit hat oder sich sorgt bis hin zu Dean, der sie nicht einbezieht (okay, vielleicht auch aus Gründen) bis hin zu diesem Ende. Einfach nur ganz seltsam. Und zu Castiels Fähigkeiten: wenn er das Gedächtnis so leicht löschen kann, warum nicht bei Sam, nachdem er seine Seele zurückbekommen hat? Warum ist das hier selbst für den Tod unmöglich? Quark alles.

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Schade, wenn sich Eindrücke bestätigen … :'( Leider war die Staffel also so schlecht wie ich sie in Erinnerung hatte. Punktemäßig würde es ohne Episoden wie „The French Mistake“ sehr viel schlechter aussehen. Welche Serie kennt ihr, die zwischendurch so eine Talfahrt macht? Und was hat euch dazu gebracht weiterzuschauen? Wie empfindet ihr die sechste Staffel von SPN?

3 Antworten

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