Serien-Besprechung: „Pluto“ (Anime)

Wahrscheinlich ist es inzwischen aufgefallen, dass ich ein großer Naoki Urasawa Fan bin. 😊 Als dann die Anime-Adaption seines Mangas „Pluto“ angekündigt wurde, gab es kein Halten mehr. Er handelt von Robotern mit künstlicher Intelligenz, ist aber v.A. auch ein Krimi. „Pluto“ wurde wegen seiner großartigen Vorlage bald schon als „möglicherweise bester Anime des Jahres“ angekündigt – zu recht? Die Besprechung ist spoilerfrei.

Mont Blanc ist tot. Der Roboter galt als einer der großen Schützer Schweizer Wälder, friedliebend und zudem ein Kriegsheld. Nach einem verheerenden Unfall ist von Mont Blanc aber nichts mehr übrig. Sein Schöpfer glaubt aber nicht an einen furchtbaren Zufall. Als ein weiterer der wohl weltbekanntesten und berühmten Roboter auf mysteriöse Weise in Einzelteile zerlegt wird, scheint sich das Bild einer grausamen Fehde zu formen. Zeitgleich ermittelt in Düsseldorf Inspektor Gesicht von Europol an einer Mordserie, deren Opfer bekannte Persönlichkeiten waren, die sich für die Gleichstellung von Robotern und Menschen einsetzten. Gibt es einen Zusammenhang?

Gesicht sieht den und Gesicht ist selber betroffen. Er ist ein Roboter mit Künstlicher Intelligenz und Bewusstsein, zudem verfügt er über eins der modernsten Waffensysteme. Er lebt mit seiner Frau Helena friedlich in Deutschland und arbeitet zu viel. Er beschließt andere Forscher und bekannte Roboter zu kontaktieren und bringt die losen Enden zusammen. dabei spielt der Krieg zwischen zwei Nationen eine große Rolle, in dem die Roboter vor Jahren eingezogen wurden und den Konflikt beendeten. Aber auch Gesichts eigene Vergangenheit spielt eine Rolle, wach gerufen durch einen Albtraum, der ihn nicht loslässt.

PLUTO | Official Trailer | Netflix, Youtube

GOAT: Astro Boy

Der Manga auf dem Pluto basiert ist unter dem Titel Pluto: Urasawa × Tezuka erschienen und eigentlich bereits ein Retelling, wenn man so will. Es erzählt zwar weiterhin seinen Krimi um die Morde an Robotern und ihren Unterstützer:innen, aber tut dies mit den aus Osamu Tezukas Manga-Klassiker Astro Boy bekannten Figuren. So spielt beispielsweise Atom eine große Rolle. Der Roboterjunge, den der Forscher Dr. Tenma als Ebenbild seines verstorbenen Sohnes schuf. Das Dilemma, dass dieser Atom eben nicht sein Sohn ist und nie sein kann, wird ebenfalls aufgegriffen. Auch der etwas aus der Zeit gefallene Look des titelgebenden „Bösewichts“ Pluto erklärt sich so, vergleicht man mal mit dem Look Plutos in Astro Boy (Link ist ein potentieller Spoiler).

Astro Boy ging schon in die Richtung eines Plädoyers für die Akzeptanz aller Lebensarten/-wesen. Pluto tut das nochmal mehr und nochmal brisanter. In dieser Gegenwart leben Menschen und Roboter auf Augenhöhe. Dürfen heiraten, Jobs nachgehen und alles was sonst so zu Selbstbestimmtheit dazu gehört. Aber nicht alle befürworten diese Gleichstellung. Manche wollen Roboter weiter instrumentalisieren und für ihre Zwecke ausnutzen. Andere klammern sich schutzsuchend an Behauptungen wie „Roboter können nicht lügen“, „Roboter haben keine Emotionen“ und ein in sie „einprogrammierter“ Mechanismus verhindere, dass sie Menschen töten (siehe Asimovsche Gesetze). Aus so manchem Gespräch, dass Gesicht und Atom über sich ergehen lassen müssen, spricht ein Bias und ein manchmal wie aus dem Nichts kommendes „Sie sehen fast wie echt aus“, eine Mikro-Aggression, Vorurteile. All das war noch egal als sie nicht wussten, dass sie Roboter sind. Denn man sieht es ihnen eigentlich nicht mehr an.

The Journey to PLUTO’s Creation With Naoki Urasawa | PLUTO | Netflix Anime, Youtube

Hat da wer an den Prompts gedreht?

Was liegt bei all dem näher als den Anime Pluto auch mit bildgenerierender KI umzusetzen? Man findet keine komplett stichhaltigen Quellen dafür. Laut dem offizielen Video Behind the Creation of PLUTO | MAKINGFLIX | Netflix Anime ist das nicht der Fall. Trotzdem ist die Animationsqualität in einigen wenigen Szenen eher zum Nachteil der Serie. Ich denke da insbesondere an die erste Folge in der Gesicht einen Straftäter verfolgt. Seine Gliedmaßen wirken verdreht, als ob er gleich über seine eigenen Beine stolpert. Alles sieht etwas zu weich aus, als ob er aus Gummi wäre und manche Bestandteile der Frames sind verschwommen. Auch so manche Actionsequenz und einige Hintergründe erwecken den Eindruck. Der Rest der Animation ist tadellos. Nur nicht bruchfrei.

Es wurden mehrere Animationsstudios involviert, die jeweils ein bis zwei Folgen übernahmen. Episode eins und acht beispielsweise von Tezuka Productions, Episoden fünf und sechs von MAPPA. Ob das so klug war? Zwar hinkt die Animationsqualität auch nur in der ersten Folge, aber man sieht die Brüche zwischen den Studios (wenn man sehr genau hinschaut), zwischen 3D und 2D. Das sind leider viele Brüche. Aber nicht zu viele. Die Kritik ist hochgestochen, denn die Animationsqualität nimmt allgemein im Laufe der Serie zu. Man hat sich bemüht Urasawas Zeichenstil beizubehalten, der schon immer unfassbar gut darin war Charaktergesichter zu zeichnen, die einen hohen Wiedererkennungswert haben. Das Setting als auch das Charakterdesign machen es zudem Anime-Neulingen leichter Zugang zu finden, da hier nichts überdreht ist, sondern einen Schritt Richtung Realismus geht.

Pluto & KI

Scheinbar hat Netflix das Jahr zum Urasawa-Jahr angekündigt. Den KI-Hype nutzen, um eine Serie über Roboter und Künstliche Intelligenz umzusetzen – Pluto zum Beispiel. Und wenn schon, denn schon – dann auch noch von Urasawa mitnehmen, was man kriegen kann, oder? Sein Monster zum Beispiel, das auch auf Netflix streambar ist. Natürlich kann ich nicht in die Köpfe der Programmplaner von Netflix gucken. Der KI-Hype hat auch nur auf dem Papier etwas mit Pluto zu tun.

In meiner Erinnerung geht der Manga nochmal drei Schritte zurück und verzichtet auf zu viele Details rund um KI, was der Erzählung gut tut. Im Anime vermischen sich schon sehr stark die Grenzen zwischen Roboter, KI, „Robotergehirnen“, usw. Wenn mal mit KI zutun hatte, zieht man etwas die Augenbrauen hoch, wenn man Sätze hört wie „wir müssen starke Emotionen eingeben“ oder wenn vom „eingebauten Mechanismus“ die Rede ist, der Roboter daran hindere Menschen zu verletzen. Man arbeitet hier mit dem inzwischen relativ alten Begriff von starker KI, die eigenständig, selbstbewusst und auf Augenhöhe mit dem Menschen agiert. Wohingegen heute jedes Stück Software, das unten drunter eine Wissensbasis hat (ChatGPT, etc.), schon KI genannt wird. Es ist besser man distanziert sich von all dem, was man glaubt über KI zu wissen, wenn man den Anime genießen will. Denn letzten Endes sind die Roboter hier v.A. eine Metapher auf die ständige Neigung des Menschen sich ein Feindbild zu suchen, darauf Hass zu projizieren und neuen Hass zu fördern. Ein „bequemes“, weil naheliegendes Feindbild sind in der Geschichte Roboter. Weil sie nehmen Jobs weg. Und sie waren so „effektiv“ im Krieg. Der Rest ist (#NieWiederIst Jetzt, #StandWithUkraine, …) Geschichte.

„Hass führt zu nichts“

Es ist eine Geschichte, die an unsere Moral und Ethik plädiert, die von Menschlichkeit handelt. Nur, dass Menschlichkeit hier auch auf künstliche Intelligenz auszuweiten ist. Sie handelt von Diplomatie, Kompromissen, verzeihen zu können und von Mitgefühl. Auch ist Pluto aber ein Krimi, der zwischen allen möglichen Schlagworten wie Goji, Bora und Pluto Zuschauende lange genug fordert und miträtseln lässt. Man ist engagiert und man bekommt eine Auflösung. Im Zentrum all dessen steht eine deutliche Botschaft. Pluto ist insgesamt trotz einiger schräger Animations-Experimente und kleinerer Mängel ein optisch sehr guter Anime. V.A. sind es die Charaktere, das Charakterdesign und die Erzählung, die berühren und diese „Roboter“ letzten Endes „menschlicher als Menschen“ machen. Im Laufe des Anime wird der Roboter Epsilon auftauchen, der sich einst weigerte in den Krieg zu ziehen und deswegen u.a. als „Feigling“ verschrien wird. Er wird am Ende der erste, aber nicht der einzige sein, der verstanden hat: Hass führt zu nichts. (8/10)

Sternchen-8

header image source: Alexandre Debiève auf Unsplash

Wer jetzt mehr von Naoki Urasawas Geschichten sehen will, hat in Deutschland unter den Manga gute Karten – es ist alles frisch neu aufgelegt. Auch „Pluto“. Ich kann sehr Asadora!, 20th Century Boys und Monster empfehlen. Wer mit Manga nichts anfangen kann, hat es etwas schwerer, denn viele Adaptionen seiner hervorragenden Manga gab es bisher nicht. 20th Century Boys wurde als Filmreihe umgesetzt, die „okayish“ ist. Der Anime zu Monster ist echt gut, wenn auch am Anfang etwas schleppend. Habt ihr den Anime „Pluto“ schon gesehen? Und wenn ja, wie hat er euch gefallen?

2 Antworten

  1. […] gefiel mir dann auch Loki Season 2 und ziemlich gut war auch A Murder at the End of the World und Pluto. The Walking Dead Season 9 hat mich mehr genervt als alles andere und von NOS4A2 Season 1 & 2 […]

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