Horrorctober 2024 – Woche 3-4 („Perpetrator“, „Totally Killer“, „M3GAN“, „Speak No Evil“, „Die Körperfresser kommen“)

Eigentlich sollte dieser Beitrag hier nur „Woche 3“ heißen und dementsprechend eine Woche früher erscheinen. Leider bin ich krank geworden und es hat mich übel ausgeknockt. Ich schätze das gehört auch zur Jahreszeit. 🤒 So gibt es heute ein paar Reviews mehr … .

Perpetrator – Ein Teil von ihr

Jonquil aka „Jonny“ (Kiah McKirnan) und ihr Vater (Tim Hopper) kommen nicht besonders klar – und auch nicht wirklich über die Runden. Am ehesten noch, wenn Jonny klaut. Um das Drama zu beenden, schickt er sie zu ihrer Tante Hildie (Alicia Silverstone). Und das pünktlich zum 18. Geburtstag, denn auch er will Jonny nicht erklären müssen, was dann mit ihr passiert. Es zeigt sich eine blutige, unzähmbare Seite an ihr, die von offenbar erblichen Fähigkeiten begleitet wird. Zeitgleich verschwinden in der Stadt viele Mädchen. Kann Jonnys neue Seite ihr helfen sie zu finden?

PERPETRATOR: Ein Teil von Ihr Trailer German Deutsch (2024) Chris Lowell,KinoCheck Heimkino, Youtube

Ich habe die Inhaltsangabe extra so geschrieben, dass (im Gegensatz zu offiziellen Zusammenfassungen) gar nicht erst der Eindruck entsteht, dass Jonny irgendwas damit zutun hat. Stattdessen setzt Perpetrator Augenmerk auf das Aufwachsen Jonnys und Entdecken ihres Selbst. Ob als Coming-of-Age-Wachstumsschmerzen, Coming-Out, beides oder noch viel mehr interpretiert, hat Perpetrator unheimlich viel wunderbares, schräges Potential. Die Bilder in die Jonnys Metamorphose gepackt wird, sind einzigartig bis schaurig und nicht selten blutig. Es ist eine Parabel darauf dem Leben mit ähnlicher Gewalt zurückzuschlagen. Trotzdem bleibt schmerzhaft viel in dem Film unadressiert, fragmentarisch und wirft zu viele Fragen ohne Antworten auf. Es entsteht der Eindruck, dass viele Elemente für shock value oder den visuellen Kick inszeniert wurden, aber keine Funktion bedienen. Was sehr gut funktioniert ist die Mysogynie und Doppeldeutigkeit der Gesellschaft einzufangen. Beispielsweise, wenn Christopher Lowell hier herrlich abgeht und einen Schuldirektor spielt, der nach außen hin „versucht alles für seine Schülerinnen zu geben“, aber hintenrum eigentlich ein mieses Schwein ist. Mein absolutes Highlight ist Alicia Silverstone als enigmatische, stylische Tante Hildie, die viel weiß, aber wenig teilt.

Perpetrator – Ein Teil von ihr (OT: Perpetrator), USA/Frankreich, 2023, Jennifer Reeder, 100 min, (6/10)

Sternchen-6

Totally Killer – Gefährliches Spiel mit der Zeit

Noch lacht Teenagerin Jamie (Kiernan Shipka) ihre Mutter Pam (Julie Bowen) wegen ihrer übertriebenen Vorsicht aus. In Pams Jugend ging der Sweet 16 Killer um und hat einige ihre besten Freundinnen bestialisch ermordet. Das prägt – zumal der Mörder nie gefasst wurde. Als Jamie nach Hause kommt ist ihre Mutter nach 35 Jahren spät doch noch Opfer des Killers geworden und sie am Boden zerstört. Dank einer Erfindung von Jamies bester Freundin Amelia (Kelcey Mawema) reist Jamie zurück in der Zeit und versucht den Sweet 16 Killer zu stoppen, damit ihre Mutter nie sein Opfer wird. Womit Jamie in den 80ern konfrontiert wird ist allerdings Sexismus, Bodyshaming, Substanzmissbrauch, schlechter Datenschutz und dass ihre Mutter als Teenagerin eine echte Zicke war.

Hier und da wird der Film ja als Horrorkomödie bezeichnet, weswegen er dann in meiner Liste landete. Ich würde präzisieren und sagen: Slasherkomödie mit einem Überhang zu Komödie. Es ist schon sehr witzig wie Jamie mit der mangelnden Empathie und nicht vorhandenen Political Correctness der 80er Jahre zu kämpfen hat. Drunk Driving? Normal! Geschlechtervorurteile? Überall! Rassissmen? Hier noch vollkommen normal. Schön ist wie nüchtern Jamie das alles kommentiert und versucht drumherum zu navigieren. Für die Prämisse des Films muss man über den Zeitreise-Bullshit hinwegsehen. Stattdessen kann man sich ja drüber freuen, dass es eine junge, schwarze Person of Color ist, die sie baut. Satire scheint das eigentliche Thema zu sein, in dem der Film brilliert. Denn auch True Crime Podcasts bekommen eine ordentliche Abreibung. Der Film macht Spaß auf einer Ebene, die mit Humor auf Generationskonflike und Veränderungen der Mentalitäten zwischen den Jahrzehnten schaut. Aber als Slasher ist er eben recht gewöhnlich und etwas arm an Überraschungen. Der Gore-Aspekt ist nicht zu übertrieben und es gibt ein paar zu erwartende Puns auf Back to the Future und Scream.

Totally Killer – Gefährliches Spiel mit der Zeit (OT: Totally Killer), USA, 2023, Nahnatchka Khan, 100 min, (6/10)

Sternchen-6

M3GAN

Nachdem die kleine Cady (Violet McGraw) ihre Eltern bei einem Verkehrsunfall verloren hat, zieht sie zu ihrer Tante, der Robotikerin Gemma (Allison Williams). Auf die Rolle als Erziehungsberechtigte und Bezugsperson der Kleinen ist sie aber genauso wenig vorbereitet wie Cady. Gemma löst das auf ihre Art und versucht Cady die Stütze zu verschaffen, die sie braucht – oder löst viel mehr zwei Fliegen mit einer Klappe? Sie hat jüngst „M3GAN“ (Amie Donald/Jenna Davis) entwickelt, einen humanoiden Roboter in Form eines Mädchens in etwa Cadys Alter. Doch (wie könnte es anders sein) nimmt M3GAN die Aufgabe als Cadys Beschützerin sehr wörtlich.

M3GAN wurde verkörpert von der Jungschauspielerin und Tänzerin Amie Donald, während Jenna Davis ihr die Stimme lieh. Zusätzlich kommt M3GANs künstlicher Look (ihr Gesicht) aus dem PC und es gab mehrere Animatronics. Dass man diesen Bruch zwischen den Medien so wenig merkt ist ein eigenes kleines Kunststück. Ansonsten scheint der Film auf der KI-Spielzeugwelle ganz gut mitzuschwimmen, grundsätzlich ist hier aber eigentlich sehr wenig neu und der Film gerade deswegen vorhersehbar bis in die letzte Szene. Aber ich glaube, dass man das aus Neugier auf die KI schaut, die dem Menschen gefährlich wird und eh schon weiß, dass hier das Rad nicht neu erfunden wird. Basierend auf einer Idee James Wans geht auch so seine Vision von „Chucky für das 21. Jahrhundert“ auf, wenn man M3GANs TikTok-eqsue Tanzeinlagen sieht oder die schwarzhumorigen, doppeldeutigen Sprüche, die sich der Roboter und seine Erschafferin gegenseitig zuzischen.

M3GAN, USA, 2022, Gerard Johnstone, 102 min, (6/10)

Sternchen-6
M3GAN | Offizieller Trailer #2 deutsch/german HD, Universal Pictures Germany, Youtube
SPEAK NO EVIL Trailer German Deutsch (2023), KinoCheck Horror, Youtube

Speak No Evil

Zwei Familien lernen sich im Urlaub kennen, man versteht sich gut, „ja wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen!“ Sagt man immer so dahin, aber macht dann ja kaum einer. Nicht mal aus Böswilligkeit, sondern weil nach dem Urlaub, der Alltag wieder anfängt. Tatsächlich wird aber die dänische Familie um Vater Bjørn (Morten Burian), seine Frau Louise (Sidsel Siem Koch) und ihre gemeinsame Tochter Agnes (Liva Forsberg) von der Familie um Patrick (Fedja van Huêt), Karin (Karina Smulders) und dem Kleinen Abel (Marius Damslev) in die Niederlande eingeladen. Was folgt ist einer der unbequemsten Horrorfilme der letzten Jahre.

Anfangs sind es nur kleine Auffälligkeiten, die den Gästen bei ihren Gastgebern auffallen und die sie als Schrullen abtun oder so als ob es kein böser Wille war. Beispielsweise, wenn Gastgeber Patrick kocht und zum wiederholten mal zu vergessen scheint, dass Louise Vegetarierin ist. Aber irgendwann steigert es sich zu red flags, die machen, dass zuerst Louise die Bremse zieht und es einen ersten überstürzten Abreiseversuch gibt. Vater Bjørn hingegen scheint in Patrick einen kumpelhaften Typ gefunden zu haben, mit dem er sich teilweise identifiziert, ihm andererseits gern nacheifern würde. Bevor der wirkliche Horror beginnt, ist Speak No Evil einfach unfassbar unbequem und vermittelt von Anfang bis Ende ohne falsche Scheu das Gefühl, dass das hier ganz mies ausgehen wird. Wir waren gewarnt. Was will uns nun so ein Moral Disaster Movie sagen? An zwei Stellen gegen Ende wird das sehr deutlich formuliert. Bjørn erwähnt dort beispielsweise, dass es immer so viele Regeln gibt, an die man sich halten muss, um respektvoll miteinander umzugehen. Er scheint sich von diesen Regeln eingeengt zu fühlen. Und es ruft einem ins Gesicht, dass all das, was hier passiert am Ende nur möglich ist, weil die einen das Leben, die anderen das ignorieren und komplett alles mit Füßen treten, was wir zivilisatorisch nennen. Der Gesellschaftsvertrag des „gut seins“. Speak No Evil will nun sicherlich nicht, dass wir alle verrohen – aber vielleicht ist es ein Aufruf eben wachsam zu bleiben.

Speak No Evil (OT: Gæsterne), Dänemark, 2022, Christian Tafdrup, 97 min, (8/10)

Sternchen-8

Die Körperfresser kommen

Stell dir vor du schreibst ein Buch, das satte vier Verfilmungen nach sich zieht und über das mehr als siebzig Jahre lang gesprochen wird. Mir war vorher gar nicht klar, dass Die Körperfresser kommen die zweite von vier Verfilmungen aus Jack Finneys Roman ist. Ein Vergleich bietet sich an – aber kann eine der anderen noch besser werden? Im Film landet eine außerirdische Lebensform auf der Erde und nistet sich zuerst in Pflanzen ein. Die Gesundheitsinspektorin Elizabeth Driscoll (Brooke Adams) sieht die ihr unbekannte Blüte und nimmt sie nichtsahnend mit nach Hause. Kurz darauf beginnt sich ihr Partner Geoffrey (Art Hindle) seltsam zu benehmen. Als Elizabeth ihrem Arbeitskollegen Dr. Matthew Bennell (Donald Sutherland) davon erzählt, rät der ihr erstmal einen befreundeten Psychologen wegen Geoffrey zu konsultieren. Der (Leonard Nimoy) mansplaint ihr erstmal, dass sie sich das alles einbildet. Bis sich einerseits die Sichtungen der rotblühenden Pflanze häufen – und die Angaben von Leuten, die sagen: meine Familie, Freunde, Mitmenschen sind nicht mehr die, die sie mal waren. Alles nur Zufall?

Die Körperfresser kommen feiert bald 50. Geburtstag, aber funktioniert auch heute noch sehr gut in der Art und Weise wie es langsam Panik kreiert und sich die düsteren Vorahnungen ins Unermessliche schrauben. Die Tricktechnik ist handgemacht und hält dem Zahn der Zeit stand – man kann den Film immer noch wunderbar schauen und sich gruseln. Nur eines wäre das Tüpfelchen auf dem i: wenn noch mehr Unsicherheit geschürt werden würde, welche der Freunde schon von den Bodysnatchern gesnatcht wurden. Denn das ist zumindest für Zuschauende immer recht offensichtlich wegen der Emotionslosigkeit der „Infiltrierten“. Es lohnt sich offenbar über den Film zu lesen. Laut einigen Quellen war im Original (Buch/Film) die Bedrohung von „Außen“ ein Sinnbild auf den Kalten Krieg. Hier hingegen nehme ich eher andere Vibes wahr, die das Gefühl einer globalen Katastrophe anders auslegen.

Die Körperfresser kommen (OT: Invasion of the Body Snatchers), USA, 1978, Philip Kaufman, 115 min, (8/10)

Sternchen-8
Invasion of the Body Snatchers (1978) – Official Trailer (HD), ScreamFactoryTV, Youtube

Und sonst so?

Krankheitsbedingt ging zuerst gar nichts, dann das eine oder andere, weil ich eh nur rumgelegen, meine Atemwege gepflegt und die Couch frequentiert habe. So habe ich nun Interview with the Vampire zu Ende gelesen, was mir dann gegen Ende doch noch sehr gefallen hat. Inzwischen lese ich Louise Erdrichs The Sentence, was ich mir etwas gruseliger und weniger witzig vorgestellt hatte. 😅 Yellowjackets Season 2 habe ich auch zu Ende geschaut und bin nun mitten in der Serie Oderbruch, die mir soweit sehr gefällt und deren Wendungen mich einigermaßen überrascht haben.

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Ankündigung

Filmbesprechung zu „The Substance“

Horrorctober 2024 – Woche 1-2 („No One Will Save You“, „The Other Lamb“, „Dark Harvest“ & „Smile“)

Nur noch drei Filme offen! Der Endspurt steht an und erscheint mir zumindest jetzt noch gut machbar. Welche der Filme kennt ihr und wie haben sie euch gefallen?

4 Antworten

  1. Die Körperfresser ist so ein Klassiker, den ich noch nicht gesehen habe. Und bei Speak No Evil bin ich dann mal gespannt, was du sagst, wenn du das Remake gesehen hast.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      „Die Körperfresser …“ kann ich sehr empfehlen! Bin froh, dass ich die Wissenslücke aufgeholt hab. Und ich bin auch nur drauf aufmerksam geworden, weil den andere zum letztjährigen Horrorctober geschaut haben. 🙂

      Ich werde das Remake bestimmt irgendwann mal gucken, aber im Moment null Motivation. Diese US Remakes grenzen für mich zu oft an Einfallslosig- und Dreistigkeit. Selbst wenn sie Bestandteile ändern. Nachdem ich einiges darüber in den Medien (auch bei dir im Blog) gelesen habe, denke ich, dass das wenig für die Botschaft tut wie ich sie aus dem Original rauslese, sondern einfach „gefälliger“ ist. Aber in ein paar Monaten schaue ich bestimmt mal rein, um die These zu testen.

  2. Die dänische Version von „Speak no evil“ ist mir irgendwie lieber. Auch wenn man sich für die neue Version etwas hat einfallen lassen, aber diese Absurdität hinter dem brutalen Vorgehen kommt beim Original besser herüber.

    „Megan“ ist leider unter den Erwartungen geblieben.

  3. „M3GAN“ war dieses Jahr auch auf meiner Horrorctober Liste. „Invasion of the Body Snatchers“ funktioniert tatsächlich immer noch sehr gut. Und bei „Speak no Evil“ habe ich bisher nur das Remake gesehen, dass auch recht verstörend daherkommt (was vorrangig an James McAvoys Schauspiel liegt). Das Original werde ich mir aber sicher auch noch irgendwann ansehen.

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