Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Lady Bird“

Wenigstens einen habe ich noch erwischt! 🙂 Aufgrund der turbulenten Zeit sind mir viele Filme durch die Lappen gegangen, die ich eigentlich sehr sehr gern sehen wollte. Leider! „I, Tonya“ weine ich beispielsweise noch hinterher, ebenso dem „Hauptmann“. Aber immerhin haben eine liebe Freundin und ich es zu „Lady Bird“ geschafft und das trotz von Fußballfans gesperrten und belagerten Straßen und lahm gelegten öffentlichem Personennahverkehr. So groß ist die Filmliebe. Review ist spoilerfrei.

„Du glaubst nicht an Gott, lässt dich aber von den Menschen mit einem Namen anreden, den dir deine Eltern gegeben haben?“ Christine McPherson (Saoirse Ronan) lässt sich grundsätzlich mit Lady Bird anreden, möchte dringend raus aus ihrer Heimat Sacramento und denkt meistens etwas anders als die anderen. Sie ist herrlich individuell, aber auch manchmal zum Haare raufen aufmüpfig. Zusammen mit ihrer besten Freundin Julie (Beanie Feldstein) durchlebt sie den Alltag an ihrer katholischen Schule, den Blick stets in die Ferne gerichtet. Sie will raus, nach New York, an die Ostküste, einen anderen Lebensweg leben, als den, der ihr vorbestimmt zu sein scheint. Ihre Mutter Marion (Laurie Metcalf) arbeitet oftmals als Krankenschwester Doppelschichten, ihr Vater (Tracy Letts) hat gerade erst seinen Job verloren. Die Universitäten, die Lady Bird aufnehmen würden, kann sie an einer Hand abzählen und die liegen alle nicht an der Ostküste. Sie lechzt nach Kultur und versucht ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, während ihre Mutter einfach nur versucht die Familie durchzubringen und Lady Bird zu einem bodenständigen Leben zu erziehen. Zwei Perspektiven, die keinen gemeinsamen Fluchtpunkt haben.

„Lady Bird | Official Trailer HD | A24“, via A24 (Youtube)

Das klingt nach Coming-of-Age und das ist es auch. Greta Gerwigs Film inszeniert das Erwachsenwerden aber mit sehr viel Gefühl für beide Seiten. Auch der Zuschauer liebt Lady Bird, findet sie aber auch manchmal anstrengend – so wie ihre Mutter. Der Film hat Platz für beide Seiten. (Und sogar noch mehr als zwei!) Er gibt auch Laurie Metcalf Raum, die selber ein Leben hatte, das alles andere als sorgenfrei ist und die jeden Tag über den Kassenzetteln brütet. An ihr wird demonstriert, was auch wir als Teenager übersehen haben. Wie sehr unsere Eltern es versuchen. Alle durchzukriegen und auf die Gefühle sovieler Menschen zu achten. Oder vom Alltag so geschafft sind, dass der Kopf zu müde für die richtige Wortwahl ist. Es gibt Dialoge in Lady Bird, in denen die Mutter versucht die richtigen Worte zu finden, aber nur wenige Millimeter am Ziel vorbeischrammt, eine fatal falsche Botschaft liefert und ihre Tochter das in den falschen Hals kriegt und nochmal extra auf die Goldwaage legt. Nur eines von vielen Beispielen, die es auf den Punkt bringen wie das ist mit den Müttern und den Töchtern. Oder den Eltern und den Kindern. Und Beziehungen, v.A. denen, derer wir uns sicher sind.

Lady Bird, genauso wie ihre Mutter, lernen in dem Film aber auch einige wichtige Lektionen. Das transportiert der Film ohne viel Pathos und Schwermut, sondern findet ein wunderbares Gleichgewicht aus Tragik und Komödie. Dass Erwachsen werden schwer ist, wird an Lady Bird v.A. dann klar, als sie zugunsten des coolen Musikers Kyle (Timothée Chalamet) ihre Grundsätze und Freunde links liegen lässt, um eins der coolen Kinder zu sein. Diese Wachstumsschmerzen übertragen sich direkt auf den Zuschauer, der das in jedem Fall selbst durchgemacht hat und vielleicht auch wie Lady Bird damit auf die Nase gefallen ist. Ein wunderschöner Film, der wie wenige andere einfängt wie sich das Erwachsen werden anfühlt und wie schnell wir verkennen, was wir als gegeben annehmen.

Lady Bird, USA, 2017, Greta Gerwig, 95 min, (8/10)

Sternchen-8

Habt ihr den Film schon gesehen? Und wenn ja, wie hat er euch gefallen? Habt ihr auch Situationen eurer Jugend in dem Film wiedererkannt? Ich trage mich jetzt übrigens grundsätzlich mit meinem Bloggernamen in Listen ein … wisst ihr Bescheid. 🙂 Wusstet ihr übrigens, dass Beanie Feldstein, die Lady Birds beste Freundin spielt, die Schwester von Jonah Hill ist? Ich wusste, dass sie mir irgendwie bekannt vorkommt … .

4 Antworten

  1. Ich habe den Film auch schon gesehen und besprochen (http://www.kino.vieraugen.com/kino/lady-bird/), bin allerdings etwas irritiert, dass du bei deinem überaus positiven Review „nur“ 8 von 10 Punkten vergibst.

  2. Ich weiß nicht mal, wer Jonah Hill ist 😉

  3. Deinem Urteil kann ich mich nur anschließen. Ich habe mich defintiv in einigen Dingen wiedererkannt und fand die Darstellung des Erwachsenwerdens und auch der Konflikte sehr authentisch und angenehm. Der Film wirkt einfach … echt und nicht so, als würde er Figuren und die Storyline entwickeln, damit sie irgendwelchen Klischees und Standards entsprechen.
    Und mir geht es da wie nettebuecherkiste: Ich weiß nicht mal, wer Jonah Hill ist :D. Gerade habe ich ihn aber gegooglet und die Ähnlichkeit ist tatsächlich unverkennbar.

  4. […] bei Umzügen muss auch für Pausen gesorgt sein. Im Kino wurde daher A Quiet Place und Lady Bird bewundert. Beides gutes Kino. Wirklich umgehauen hat mich allerdings der Animationsfilm Der […]

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