Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Glass“

Ist das zu fassen, dass Shymalans Unbreakable schon fast 20 Jahre alt ist? Damals schienen viele Kinogänger und Zuschauer etwas von der Aussage des Films unterwältigt zu sein. Hatten mehr erwartet oder konnten mit der Superheldenmetapher wenig anfangen. Hat sich etwas geändert, weil seit einigen Jahren der Superheldenfilm so stark überhyped ist? Dürstet es den Zuschauern nach greifbaren, menschlicher wirkenden Helden? Oder Bösewichten? Vielleicht. In jedem Fall ist es ist schon eine ganz eigene Erfolgsgeschichte, dass M. Night Shyamalan so viele Jahre später die Geschichte mit „Split“ und „Glass“ zu Ende erzählte. Review ist spoilerfrei für „Glass“, aber Achtung: es ist ein Sequel zu „Split“ und „Unbreakable“ und enthält daher ggf Spoiler für beide Filme.

Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) alias „Das Biest“ oder auch „Die Horde“ wurde in der Öffentlichkeit u.a. durch die Entführung Caseys (Anya Taylor-Joy) bekannt und hält sich versteckt. David Dunn (Bruce Willis) ist inzwischen der Besitzer eines Geschäfts für Sicherheitstechnik und betreibt den Laden zusammen mit seinem Sohn Joseph (Spencer Treat Clark), der immer noch einen unerschütterlichen Glauben in seinen Vater setzt. David räumt immer mal in den Straßen und dunklen Gassen der Stadt auf, wird inzwischen als „Der Aufpasser“ in den Medien bezeichnet. Aber neben all dem auf das er aufpasst, versucht er v.A. „Das Biest“ zu finden. Und es könnte keinen besseren Zeitpunkt geben, denn „Das Biest“ hat wieder eine Reihe Mädchen entführt, die er dafür opfern oder bestrafen will, dass sie „noch nicht gelitten haben“. Als David die Mädchen befreit und sich dem Biest stellt, werden aber sowohl er als auch Kevin/Das Biest/Die Horde von der Polizei eingekesselt. Kurze Zeit später finden sie sich in einer psychiatrischen Klinik wieder, in der die Ärztin Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) drei Tage Zeit hat sie zu behandeln und Erkenntnisse über sie zu gewinnen bevor sie sie den Autoritäten übergeben muss. Zu ihrer Überraschung befindet sich auch Elijah Price alias Mr. Glass (Samuel L. Jackson) in ihrem Gewahrsam. Dr Staple hat drei Superhelden bzw. Superschurken unter einem Dach, die sie davon überzeugen will, dass sie an einem Superheldenkomplex leiden. Klingt nach einer explosiven Mischung.

„GLASS Trailer 2 German Deutsch (2019)“, via KinoCheck (Youtube)

M. Night Shyamalan hat alle Arbeit geleistet ein glaubwürdiges Bild von übermenschlichen Charakteren, nennen wir sie vielleicht Superhelden, zu zeichnen. Das Mastermind Mr Glass auf der einen Seite, die superstarken David und „Das Biest“ auf der anderen folgen klassischen Gesetzen des Comics. Sie haben Stärken und Schwächen und in ihrer Kindheit und „Origin-Story“ wurzelt sowohl ihr innerer Konflikt als auch die Überzeugung, die sie Jahre später dazu antreibt zu tun, was sie tun. Einen schmissigen Namen haben sie sich selber verliehen oder von der Öffentlichkeit bekommen. Ansonsten bricht Shymalan aber auf angenehme Weise mit den durch Comics vorgegebenen Stereotypen. So ist beispielsweise bei Kevin aka Das Biest aka Die Horde nicht klar, wo man ihn einordnen oder was man sich wünschen soll. Wollen wir, dass David ihn besiegt, auch wenn Kevin und zig andere Persönlichkeiten in seinem Kopf unschuldig sind? Vielleicht ist gerade diese knifflige Frage der Grund, warum viele, die Split gesehen haben, mit großen Erwartungen an Glass herangehen und den Film herbeigesehnt haben. Die Shyamalan Nerds hingegen bekommen feuchte Augen bei dem Gedanken, dass Unbreakable doch noch das angekündigte aber bisher nie umgesetzte Sequel bekommt. Und werden beide Parteien enttäuscht? Sie bekommen zumindest etwas anderes als vielleicht erhofft. Shyamalan ist aber auch ein Schlaufuchs. Und er blieb seiner Idee der bodenständigen und realistischen Superhelden treu, indem er keinen bombastischen Actionkracher mit CGI-Feuerwerk inszenierte, sondern ein psychologisches Kammerspiel. Zwar werden anfangs im Film einige Hinweise gestreut, dass es zwischen den Charakteren zum großen Showdown auf einem neu eröffneten Hochhaus in der Stadt kommen könnte, aber es ist denke ich nicht zuviel verraten, wenn ich sage: es kommt alles anders.

Dr. Ellie Staple ist der Überzeugung, dass die Drei ganz normale Menschen sind, die eine Art Superhelden-Komplex oder Gott-Komplex haben. Sie würden sich ihre Fähigkeiten einbilden und es so aussehen lassen, als ob sie übermenschliche Eigenschaften haben. Tatsächlich könnte man bei allen Dreien auf den Gedanken kommen und in manchen Köpfen der Drei und sicherlich auch der Zuschauer beginnt es tatsächlich zu arbeiten. Doch nur ein normaler Mensch? Ist Mr Glass einfach ziemlich schlau, David ziemlich stark und Kevin eben so besonders aufgrund seiner dissoziativen Identitätsstörung? Unter der Prämisse leiden letzten Endes aber vielleicht mehr Zuschauer als die, die es genießen können. Zum Einen erwarten sicherlich viele eben doch einen klassischen Showdown wie aus dem Comicbuch. Der bleibt aus, bzw. wird ein Vorgeschmack darauf nur anfangs zwischen David und dem Biest gewährt bevor sie eingeliefert werden. Gerade heute verbinden die meisten mit Superhelden(verfilmungen) auch bombastische Effektfeuerwerke – Unbreakable, Split und Glass sind aber psychologischerer Natur. Wer darauf gefasst ist, erwartet zumindest eine schlaue Beweisführung von Dr. Staple – die aber ausbleibt. Aus den drei Tagen, die sie hat, macht sie erstaunlich wenig. Wenige Interviews, wenig Beweisführung, wenig Tests oder Versuche. Dabei ist der Gedanke so genial und naheliegend. Was würde denn in unserer Realität passieren mit Menschen, die behaupten, dass sie Superhelden oder Bösewichte sind und dementsprechend handeln? Genau, Klinik oder Knast. Leider ist die Idee der drei Tage Intensivkur aber doch ein etwas unausgegorenes Konzept zumindest was die Figur der Dr. Staple und ihre dünne Beweisführung betrifft.

Letzten Endes ist es ein ganz anderer Gedanke und Plan, der den Film zu einem Ende führt. Dankbarerweise endet es auf eine Art, die so nicht vorhersehbar war. Ziemlich schlau von diesem M. Night Shyamalan. Er spielt wieder einmal mit den Erwartungen des Zuschauers, lässt die Geschichte aber nicht auf die banale Comicbuchart enden, die sich jeder von uns auch ausdenken könnte. Das Spiel mit den Erwartungen ist aber so eine Sache. Zwangsläufig werden doch trotz all der Schläue nicht viele Zuschauer mit dem bittersüßen Ende glücklich werden. Chapeau an den Regisseur für das Demontieren der klassischen 0815-Comichandlung, auch wenn nicht alle Ideen aufgegangen sind.

Glass, USA, 2019, M. Night Shyamalan, 129 min, (7/10)

Sternchen-7

Habt ihr „Glass“ gesehen? Wie habt ihr das kontroverse Ende empfunden? Spoiler bitte großzügig kennzeichnen oder vermeiden. Würdet ihr euch eine Fortsetzung wünschen oder ist es gerade so richtig für euren Geschmack? Ich empfinde es als schlau inszeniert, sodass das beides möglich ist, würde es aber sehr schätzen, wenn es dabei bleibt. Ihr wundert euch vielleicht, dass meine Bewertung etwas negativ aussieht für das Kudos, dass ich an Shymalan verteile. Ja er ist schlau und ich schätze es sehr, dass er sich gegen den klassischen Blockbuster entschieden hat, aber das Ende lässt auch mich „split“ zurück – geteilter Meinung. Außerdem denke ich trotz all der interessanten Ideen, dass der Film die Mehrzahl der Zuschauer sehr zwiespältig oder unzufrieden zurück lässt und versuche daher (so wie eigentlich immer) etwas Objektivität in meine Bewertung einfließen zu lassen. Aber auch in meiner Brust schlagen zwei Herzen, was das betrifft 😉 Außerdem: James McAvoy ist unglaublich cool. ♥ Wenn ich ihn schon vorher gefangirlt habe, dann ist das Barometer noch um ein Vielfaches gestiegen.

3 Antworten

  1. Ich wünschte, ich hätte Zeit, mir a) Glass noch ein zweites Mal anzusehen und b) eine Kritik zu schreiben. Ich fand ihn großartig, bei mir bekäme er wohl zwischen 8 und 9 Punkten (und James McAvoy bekommt eine 10*). Ich mag Shyamalans Umsetzung einer etwas anderen Superhelden-Geschichte und fand die Zusammenführung der drei Charaktere toll. Mir hat auch diese Idee von Dr. Staple gefallen, vielleicht sind sie ja doch keine echten Superhelden? Und gleichzeitig die Vorstellung von Mr. Glass, dass alle Comics auf realen Personen basieren, also auch eine Art „Geschichtsbuch“ sind. Da bekam ich – als Nicht-Comicleserin – direkt Lust darauf, mit dem Comiclesen anzufangen.

    Ich bin begeistert!

  2. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Der Text enthält keine harten Spoiler aber einige Details und Interpretationen:
    Hm, ich ordne den Film auf meiner Skala qualitativ zwischen Split und Unbreakable ein. Split fand ich überragend und Unbreakable als bestenfalls durchschnittlich. Der Film bietet in meinen Augen nette Symbole & Reflektionen, z.B. die Anspielung auf 3 und u.a. das Dreiblättriges Kleeblatt.
    Trotz aller Vorteile begünstigt wohl jede Gesellschaft Durchschnittlichkeit, Angepasstheit und Stillstand.
    Man mag es wohl als positiv ansehen, dass er den Zuschauer dazu einlädt an sich zu glauben, denn dies ist schließlich die Basis jeglicher Entwicklung. Im Streben nach Erhöhung kann man sich aber auch leicht verlieren, so dass der Blick fürs Wesentliche verloren geht.

  3. […] und den Drive Dinge einfach mal anders zu machen. Das kann ganz schön antiklimaktisch sein wie bei Glass. Oder nach hinten losgehen wie beim flächendeckend nicht gemochten […]

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