Zu einem guten Weltraum-Drama kann ich selten nein sagen. Noch dazu, wenn das furchtbare Sommerloch im Kinoprogramm geschlossen ist und man wieder tiefsinnigere Inhalte in den Lichtspielhäusern bewundern darf. Aber die Meinungen zu James Grays „Ad Astra“ sind gespalten – unter den Kritikern wie auch im Kinosaal. Auf den Plätzen neben mir fand man den Film gar langweilig. Eine Meinung, die ich nicht teile. Spoilerfrei.
Der Weltraumingenieur und Astronaut Roy McBride (Brad Pitt) überlebt einen Unfall an einer Weltraumantenne, die durch Überspannungsgewitter und extraterrestrische Energiewellen verursacht wurde. Eben solche richten auf der Erde verheerende Schäden an. Seine Arbeitgeber, die Weltraumorganisation SpaceCom, befürchtet als Ursache Vorgänge am Neptun, die auf Antimaterie schließen lassen. Vor vielen Jahren startete eine Expedition zum Neptun, zu der der Kontakt abbrach. Zur Besatzung gehörte auch Roys Vater, der Forscher H. Clifford McBride (Tommy Lee Jones). Das Schicksal der Besatzung blieb unklar, aber der Verdacht steht im Raum: lebt McBride senior noch und ist Urheber der zerstörerischen Wellen? Roy soll mit ihm in Kontakt treten. Der Anfang einer Reise, die jenseits der Begriffe von Weite ist und mit vielen Gefahren aufwartet.
„Ad Astra | Official Trailer [HD] | 20th Century FOX“, via 20th Century Fox (Youtube)
Die unendliche Einsamkeit
Für Roy ist die Reise durch den Weltraum wie eine Gegenüberstellung mit sich selbst. Er ist üblicherweise ein Profi. Ein Ass auf seinem Gebiet. Nicht nur durch seinen zum Held erhobenen Vater eine Legende. Er ist zuverlässig, rational und unemotional. Was nicht bedeutet, dass er nicht reflektiert. Er bemerkt wie schwer es ihm fällt eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen. Sein Puls ist quasi nie bei über 80 Schlägen pro Minute. Er wirkt so gefasst, dass man sich manchmal nicht sicher ist, ob es sich bei ihm um einen Menschen handelt. Und das ist es gerade, was es so schwer macht mit ihm umzugehen und seine Frau von ihm entfremdet hat. Der Kern all dessen liegt vielleicht in seiner Kindheit. Wurzelt bei dem Vater, der kein Problem damit hatte sich auf eine Reise zu begeben, die über 16 Jahre dauerte und somit die Kindheit seines Sohnes zu verschenken. Einerseits mag da die technische und filmerische Rafinesse von Ad Astra sein, andererseits ist dort v.A. auch ein Drama. Die Sinnsuche eines Mannes, der erst in die absolute Einsamkeit des Weltalls driften muss, um zu erkennen wie sehr ihm andere Menschen fehlen.
sic itur ad astra
Der Film bietet neben der sehr persönlichen Sinnsuche Roys auch Spannungspotential eines Weltraum-Actioners. Zum Einen durch die Frage, ob sein Vater wirklich Schuld an den Katastrophen ist. Zum anderen durch die sogar sehr politische interstellare Lage und gefährliche Reise. So muss Roy beispielsweise auf dem Mond fürchten von Piraten attackiert zu werden. Das geschieht weniger auf eine Cowboy Bebop oder cartoonige Art und Weise, sondern schlägt mit bitterem Ernst und Realismus zu. Und das ist nur einer von vielen Momenten in denen Roys Weltraumreise schnell hätte zu Ende sein können. Das Weltraum ist ein heißes Pflaster. Und ein teures. Der Film spielt in einer nicht sehr weit entfernten Zukunft. Es ist inzwischen möglich als wohlhabender Tourist zum Mond zu fliegen. Im Shuttle eine Decke zu bekommen, um sich einzukuscheln, kostet auch nur knapp über hundert Dollar. Kuschelig ist hier nichts. Auf dem Mond gibt es übrigens DHL und Subway-Filialen. Der Mensch hat seine Klauen in das All geschlagen. Kommerzialisiert, Rohstoffe werden ausgebeutet, Firmen wie SpaceCom haben eine eigene Agenda. Der Film ist durchgestylt und hat eine Botschaft – was sehr angenehm ist. Sich wertig und nach Intention anfühlt. Aber für die nimmt er sich auch Zeit.
Zwischen Actionsequenzen und Szenen, die unsere Aufmerksamkeit auf sich locken, weil auf dem Mond eine DHL-Leuchtreklame strahlt, ist da viel Introspektion. Roy kommentiert in einem inneren Dialog, was er erlebt und was das in ihm auslöst. Und wer sich nicht auf Roys Suche nach Antworten einlassen kann, wird mit Sicherheit von dem Film trotz der Schauwerte enttäuscht. Davon mal abgesehen ist Ad Astra eine Art „nahe Science-Fiction“. Bedeutet es wirkt alles sehr einfach vorstellbar und so als ob der Film in nicht allzu ferner Zukunft spielt. Hier wird nicht gebeamt, es gibt keine Künstlichen Intelligenzen, die die Menschheit dahingerafft haben, keine Apokalypse. Reisen durch das All sind zwar möglich, aber immer noch beschwerlich. Darin liegt ein großer Vorteil des Films, denn er verblüfft, obwohl er dafür nicht die Sterne vom Himmel holen muss. Ad Astra, was soviel bedeutet wie Zu den Sternen, wäre mir noch lieber gewesen, wenn er seine Logiklücken geschlossen hätte. Warum dauert Roys Reise beispielsweise deutlich weniger lang als damals die seines Vaters? Möglicherweise ist das mit dem technologischen Fortschritt zu erklären. Warum aber wird Roy nur am Anfang seiner Reise von den Energiewellen heimgesucht? Schließlich kommt er der Quelle näher. Aber alles in allem ist der Film wahrscheinlich das, was wir vor Jahren versucht haben in Interstellar zu finden. Und damit ist er ziemlich gut.
Ad Astra – Zu den Sternen (OT: Ad Astra), USA, 2019, James Gray, 123 min, (8/10)
Da ich nun heute den Trailer nochmal gesehen habe, muss ich mit Verblüffen feststellen, dass der sehr viele Szenen enthält, die es nicht in den Film geschafft haben. Was mir aber sehr wohl während des Films aufgefallen ist: die aus u.a. Matrjoschka bekannte Natasha Lyonne hat eine kleine Nebenrolle. Habt ihr sie bemerkt? Wie hat euch der Film eigentlich gefallen? Habe ich bei den Logiklücken was falsch verstanden – wurden die erklärt? Mit was für Erwartungen seid ihr in den Film gegangen?
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