Über Denis Villeneuve reden derzeit alle, da jüngst seine lang erwartete „Dune“-Verfilmung ins Kino kam. Lang erwartet von Fans der Dune-Buchreihe und auch wegen der mehrmaligen Verschiebungen des Kinostarts aufgrund der Pandemie. Das ist mir Anlass genug um mal seine Filmografie zu besprechen. Und das tue ich nicht ganz uneigennützig 😉 denn ich bin seit „Prisoners“ ein großer Fan Villeneuves und wollte schon längst mal wieder meine Erinnerung an bereits gesehene Filme auffrischen. Was mir außerdem lange fehlte war mich seinen früheren und eventuell weniger bekannten Werken zu widmen. An einige der kanadischen Produktionen ist allerdings hierzulande nicht unbedingt einfach ranzukommen. Auch wenn es dann hauptsächlich die Blo(g/ck)buster geworden sind, stehen heute sieben Filme von Denis Villeneuve auf dem Programm.
Maelström
Maelström beginnt auf besonders angenehme Weise schräg. Anfangs wird eine in Norwegisch gehaltene Erklärung eingeblendet, in der sich die Filmschaffenden dafür entschuldigen, dass sie Stereotype über Norweger*innen verbreiten. Weiterhin heißt es darin, sie hätten den Film unter Hypnose geschrieben. ^^ Auch danach bleibt es wild. Maelström beginnt danach mit einem überdimensionierten Fisch, der kurz davor ist ausgenommen zu werden. Er kann sprechen(!) und erklärt, dass er seine letzten Atemzüge benutzen will, um eine „schöne Geschichte“ zu erzählen. Nämlich die von Bibiane (Marie-Josée Croze).
„Film Trailer: Maelström“, via KVIFF TV (Youtube)
Schön ist relativ. Bibianes Leben ist alles andere als angenehm. Sie hat gerade eine Abtreibung hinter sich, ihr Bruder entmündigt sie und sie hat einen Unfall verursacht, der (zu Recht) an ihrem Gewissen nagt. Maelström stellt an Bibianes Beispiel das Leben als reißende Sturzflut dar. Sinnbildlich als den titelgebenden Maelström. Das ist ein norwegischer Gezeitenstrom, der immer mal wieder der Legendenbildung um tückische Wasserwirbel dient. Ähnlich turbulent ist auch Bibianes Leben und viele der Szenen von der Abtreibung bis hin zum Fischmarkt bis hin zum Fisch aus der Anfangssequenz sind nicht für zart besaitete. Wasser, Fische, der brutale Kreislauf des Lebens, das Meer als Ort von Schönheit, aber auch schierer Gewalt – die Motive ziehen sich durch den Film und begleiten die Lehre von der Geschicht‘: Das Leben ist brutal.
Aber vielleicht gibt es auch einen Plan für uns wie es einen für Bibiane gibt. Der ist nach hinten raus schon so schicksalhaft und von einer bitteren, schwarzhumorigen Ironie gebleitet, dass mich Maelström restlos begeistert hat. Anfangs fragte ich mich zwar wo die Villeneuve-Signatur ist, später wurde klar, dass die in der Bildsprache, der bitteren Ironie und dem Verständnis für Szenengestaltung und einprägsamen Motiven liegt. Die Endsequenz ist eine der besten und konsequentesten, die ich lange gesehen habe. Und ähnlich bittersüß wie der Rest des Films.
Maelström, Kanada, 2000, Denis Villeneuve, 87 min, (9/10)
Die Frau die singt – Incendies
Incendies ist wohl einer der stärksten Filme Villeneuves und bekommt deutlich zu wenig Aufmerksamkeit. Er zählt zu Villeneuves düsteren und realistischen Stoffen, die sich menschlicher Schicksale im Treibsand des Weltgeschehens annehmen. Incendies basiert auf dem Bühnenstück des Autors Wajdi Mouawad. Die Handlung beginnt mit den Zwillingen Jeanne (Mélissa Désormeaux-Poulin) und Simon (Maxim Gaudette), die nach der Verlesung des Nachlasses ihrer Mutter Nawal (Lubna Azabal) schwer ratlos sind. Der letzte Wunsch ihrer Mutter besteht offenbar darin, dass die Zwillinge je einen Brief an ihren Vater und ihren Bruder in Nawals Heimat überbringen. Erstens waren die Geschwister noch nie im Libanon, zweitens wussten sie nichts von einem weiteren Bruder und dachten bis dato, dass ihr Vater tot sei. Während Simon sich anfangs weigert dem Wunsch nachzukommen, reist Jeanne in den Libanon und wird mit einer Familiengeschichte konfrontiert, vor denen ihre Mutter Nawal sie bisher beschützte.
Es ist besser nicht zuviel über Incendies zu verraten. Jegliche Beschreibung würde sowieso den erzählten Geschehnissen spotten. Nawals Geschichte ist auch die ihrer Heimat (assoziierbar mit dem Libanon) und dem dortigen Bürgerkrieg, der zahlreiche Opfer fordert. Auch Nawal ist auf die eine oder andere Art ein Opfer dieses Konflikts. Als ob die Gezeigten Verbrechen an Menschen und der Menschlichkeit nicht schon schwer genug zu verkraften sind, entfalten sich in der zweiten Stunde des Films Wahrheiten über Nawal und ihre Familie, die fassungslos machen. Dankbarerweise verzichtet er größtenteils auf das Zeigen der Gräuel, die beispielsweise Nawal erleidet. Es ist auch so plastisch genug. Incendies handelt davon was Menschen durchhalten können, wenn sie müssen; aber auch davon wie Menschen in Radikalisierung getrieben werden können. Der Grat scheint beängstigend schmal zu sein. Aber Incendies handelt auch von Vergebung und Sühne auf der anderen Seite. Wenn alles niedergebrannt ist, bleiben nur Wahrheiten und was man daraus macht!? In einer Szene gegen Ende heißt es „Zusammen ist es schöner“. Ich frage mich wie am Ende des Films dieses „zusammen“ aussehen kann. Incendies ist so beinhart, dass ich glaube der Film wäre besser gewesen, wenn man ihn in der Spieldauer etwas gerafft hätte. Zur Spoilervermeidung bette ich keinen Trailer ein – schaut den Film möglichst unbefleckt von Eindrücken! Aber eigentlich ist er der, den ich euch am allermeisten ans Herz legen möchte.
Die Frau die singt – Incendies (OT: Incendies), Kanada, 2010, Denis Villeneuve, 133 min, (9/10)
Prisoners
In seiner ersten US-amerikanischen Produktion widmet sich Denis Villeneuve dem Albtraum der Kleinstadtidylle. Während Thanksgiving verschwinden die Töchter der befreundeten Familien Dover und Birch. Der auf den Fall angestezt Detective Loki (Jake Gyllenhaal) findet in dem labil wirkenden Alex Jones (Paul Dano) schnell einen Verdächtigen, aber keine konkreten Beweise. Familienvater Keller Dover (Hugh Jackman) sieht nach der Freilassung von Jones rot und beschließt die Ermittlungen in die eigene Hand zu nehmen. Der Fall macht dabei mehrere Leute zu titelgebenden Prisoners. Manche sind Opfer der Umstände geworden, manche waren zur falschen Zeit am falschen Ort, manche sind Gefangene des Spiels, andere von sich selber.
Prisoners ist ein erstklassiger Thriller, der sich v.A. durch seine vielschichtige Figurenzeichnung auszeichnet. Er stellt Loki und Dover gegenüber als zwei Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, aber in einem gleich. Sie verfolgen frenetisch dasselbe Ziel und halten sich für verantwortlich dafür zu sorgen, dass „alles wieder gut wird“ und reiben sich dabei aneinander auf, worunter ihr eigentliches Ziel leidet. Der Kriminalfall ist großartig inszeniert, aber alle Puzzleteile gleiten schon fast zu einfach ineinander. Ich wäre nicht böse über ein paar mehr „Red Herrings“. Ohne sie uns zu offensichtlich entgegen zu werfen, stellt der Film moralische und ethische Fragen. Passend zu den Grenzen aus Recht und Unrecht, die unangenehm verschwimmen.
Trotz der nicht gerade kurzen Spielzeit geht in Prisoners ausgerechnet die intensiv gespielte Rolle des Polizisten Detective Loki unter, was zu meinem Punktabzug führt. Sowohl in den wenigen Sätzen über seine Kindheit (Heim für „schwer erziehbare“) als auch in der Wahl seines Nachnamens scheint ein Code zu liegen. Sieht er sich ggf als einen Jungen, der dem System entkommen ist? Dem es auch hätte wesentlich schlechter gehen können? Aus dem wenn er auch nur eine andere Entscheidung getroffen oder an andere Menschen geraten wäre, ebenso ein Opfer oder ein Täter geworden wäre? Der Umstand wird nie so richtig ergründet und ich befürchte, dass sich bei all der Konzentration auf den Vater und die Täter wenige fragen, was Lokis alles noch hätte sein können.
Prisoners, USA, 2013, Denis Villeneuve, 153 min, (8/10)
„Prisoners – Extended TV Spot [HD]“, via Warner Bros. Pictures (Youtube)
Enemy
Denis Villeneuves Adaption von José Saramago Der Doppelgänger gibt sich alle Mühe eine bedrohliche Atmosphäre zu kreieren. Und das gelingt. Leider aber nicht alleine durch das Schauspiel und die Symbolik, was wohl auch der größet Kritikpunkt an dem Film ist. Er handelt vom Geschichtsprofessor Adam (Jake Gyllenhaal), der ein eintöniges Leben nach dem immerselben Muster führt. Eines Tages bemerkt er während des Schauens eines Films einen Nebendarsteller, der ihm verblüffend ähnlich sieht. Der Blick in die End Credits verrät, dass es sich dabei um den Schauspieler Anthony Claire (auch Jake Gyllenhaal) handelt. Desto mehr sich Adam mit ihm beschäftigt, ihn googelt, anruft und sogar seine Adresse herausfindet, desto klarer wird, dass sie beide Doppelgänger sind. Jeder von ihnen geht damit auf eine andere Weise um.
Enemy ist ganz klar kein Film über die Zusammenführung zweier Zwillingsbrüder, die sich glücklich in die Arme fallen. Adam und Anthony können sich den jeweils anderen nicht erklären. Insbesondere Anthony reagiert eher feindselig, während Adam zumindest ein wenig „Sense of Wonder“ verspürt. Beide scheinen jedenfalls etwas zu haben, dass der jeweils andere will. Anthony lebt mit seiner schwangeren Freundin Helen (Sarah Gadon) zusammen, während Adam eine lockere Beziehung zu Mary (Mélanie Laurent) unterhält. Bald ist klar, dass sie sich zwar bis auf’s Haar ähneln mögen, aber in vielerlei Hinsicht ihr eigener schlimmster Feind. Am interessantesten wird es, wenn sich die Grenzen zwischen Adam und Anthony aufzulösen scheinen und Enemy surrealistisch wird.
Villeneuves Film spielt in ähnlicher, aber offenbar nicht genau gleicher Gangart wie Saramago mit dem Bild der zwei Gesichter eines Menschen. Die Begierden und Sehnsüchte der jeweils einen menschlichen Seite werden zum schlimmsten Albtraum des jeweils anderen. Wenn man so will ist Jake Gyllenhaals Doppelrolle die ultimative Metapher auf den Widerspruch menschlicher Sehnsüchte. Die Begierde und Bedrohung wird auch durch Spinnen versinnbildlicht, die in unterschiedlichster Form und Metapher auftreten. Das ist alles unheimlich clever gemacht, aber die bedrückende und zermürbende Atmosphäre des Films wird mit aller Macht aufrecht gehalten und entmündigt den Zuschauer. Nicht zuletzt das stete Sepia meint einem die Energie zu rauben und wirkt nach spätestens 10 Minuten wie etwas zuviel des Guten.
Enemy, Spanien/Kanada, 2013, Denis Villeneuve, 90 min, (7/10)
Sicario
Nach einem Drehbuch von Taylor Sheridan erzählt Sicario von den Konflikten an der Grenze zwischen Arizona und Mexiko. Die FBI-Agentin Kate Macer (Emily Blunt) und ihr Team wurden jüngst empfindlich durch einen Bombenanschlag überrascht, zwei Kollegen getötet. Der geht wohl auf das Konto des Drogenkartells rund um Manuel Diaz (Bernardo P. Saracino) und Fausto Alarcón (Julio Cedillo). Auf dessen Fersen befindet sich schon länger der CIA-Agent Matt Graver (Josh Brolin) und gründet aufgrund der frischen Spur eine Spezialeinheit, für die er auch Kate rekrutiert, sowie den Söldner Alejandro Gillick (Benicio del Toro). Kates Intuition sagt ihr schnell, dass Gillick eigene Ziele verfolgt. Die wahre Größenordnung des Kampfes gegen die Kartelle werden ihr aber erst bewusst als sie schon mittendrin ist.
Sheridans Drehbuch und Villeneuves Adaption sind in Summe ein beklemmender Thriller, der die kriegsähnlichen Zustände einfängt. Wie die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und zu welchen Mitteln die Spezialeinheit greift, entzaubert erneut die märchenhafte Vorstellung vom Kampf der Guten gegen die Bösen. Vor Allem, weil es die beiden Schubladen nicht zu geben scheint. Der wohl beste Kniff ist wie im Film von Beginn an immer wieder ein Polizist und seine Familie in (ich nenne es mal trist angehauchten) Alltagssituationen gezeigt werden. Anfangs scheinen sie noch komplett von der Geschichte um Kate, Gillick und Graver losgelöst zu sein. Als sie sich aber treffen, zeigt Sicario erneut ein ernüchterndes Bild vom Kampf gegen die Kartelle. Kate ist klar der Anker und Identifikationsfigur für Zuschauende. Sie ist mit der Situation nicht überfordert, aber schwier fassungslos angesichts der Methoden, was es umso einfacher für uns macht dem Gesehenen zu folgen und sich mit Kates Moralkompass zu identifizieren. Nach hinten raus geht Kate aber etwas in der Handlung verloren und der Film fühlt sich wie (was auch so angedacht ist) der Auftakt zu einer Reihe an. Ich kann mir nicht helfen … Sicario 2 ging allerdings total an mir vorbei.
Sicario, USA, 2015, Denis Villeneuve, 121 min, (9/10)
Blade Runner 2049
Menschwerden ist nicht schwer. Menschsein dafür umso mehr. Im Sequel der düsteren Zukunftsvisionen der Blade-Runner-Filme sind Replikanten künstlich hergestellte und biotechnisch optimierte Humanoide. „K“ (Ryan Gosling) gehört zu einer neuen Modellreihe. Sie sind keine Sklaven mehr, leben einigermaßen selbstbestimmt, ihre Lebenszeit ist unbegrenzt aber sie sind zu absolutem Gehorsam verdammt. K arbeitet als Blade Runner und zieht Replikanten der alten Modellreihe aus dem Verkehr. Bei einem dieser Jobs findet er den Leichnam eines weiblichen Replikanten. Untersuchungen ergeben, dass sie schwanger war. K wird beauftragt das Kind zu finden und zu vernichten, denn die Entdeckung würde das Gefüge der Gesellschaft empfindlich stören und zu Revolte führen.
Wann ist ein Mensch ein Mensch? Der allgemeine Konsens in der Welt im Jahr 2049 scheint zu sein, dass Replikanten minderwertige Lebewesen sind, weil sie nicht geboren wurden. Was würde also passieren, wenn das Kind entdeckt wird? Ks Nachforschungen über das Kind sind zwar eventuell fatal wegen seines Auftrags, aber für ihn auch die Hoffnung auf mehr. Mehr Sinn im Leben. Mehr Anerkennung. Die Bitterkeit liegt aber v.A. in dem Umstand, dass K nach und nach träumt und hofft, dass er dieses Kind sein könnte. Letzten Endes bleibt er nicht der einzige, der hinter der Wahrheit her ist. Gosling spielt unterschwellig, zeigt wenig, er macht das typische Gosling-Gesicht, taut aber auch in den richtigen Stellen auf und lässt dann mit wenig tief blicken.
„BLADE RUNNER 2049 – Official Trailer“, via Warner Bros. Pictures (Youtube)
Der Film nimmt insofern Bezug zu Ridley Scotts erster Adaption und Philip K. Dicks Buch, dass er Rachel und Deckard auf die eine oder andere Art auftreten lässt und das Dilemma der Menschlichkeit thematisiert. Sind Replikanten menschlicher als menschlich, weil sie in Frage gestellt werden? Weil sie doppelt vielen Stürmen standhalten müssen? Das macht allerdings Blade Runner 2049 zu einem Film, der dem Prequel erstaunlich ähnlich ist, wenn man ihn auf die grundsätzliche Handlung runterbricht. Vielleicht der einzige Kritikpunkt. Meisterlich ist der Score von Hans Zimmer und Benjamin Wallfisch. Der spiegelt die Welt am Rande der Unwirtlichkeit mit technischen, sphärischen, digitalen Klängen wider. Es ist fast ironisch, wenn zwischendurch Peter und der Wolf angespielt wird. Am krassesten sind aber die Kulissen und Schauwerte. Durch die Replikanten scheint erst ein Menschenkult entstanden zu sein, der die feiert, die zufällig geboren, statt hergestellt wurden. Die immens hohen Statuen, die auch im Trailer zu sehen sind: zerstört in einer Einöde. Ein Spiegelbild dessen was aus der Gesellschaft geworden ist. Der Menschenkult und das Hoch auf die Nicht-Replikanten entsteht letzten Endes nur aus Angst überflüssig zu werden. Das transportiert Blade Runner 2049 zwar deutlich besser als Blade Runner, aber auch leider nur denen, die bereits sind viel zu interpretieren.
Blade Runner 2049, USA/Großbritannien/Kanada, 2017, Denis Villeneuve, 164 min, (9/10)
Dune
Fear is the Mindkiller. Viele tausende Jahre in der Zukunft herrscht erneut ein feudalistisches System, nun aber interplanetar. Haus Atreides wird angeordnet den Spice-Abbau auf dem Planeten Arrakis, genannt Dune, zu übernehmen. Spice ist eine für das Imperium enorm wichtige Ressource. Die Bedingungen könnten aber kaum schwieriger für Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac), seine Familie und Untertan*innen sein. Zum Einen war vor ihnen das verfeindete Haus Harkonnen unter Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) auf Arrakis an der Macht und hat einen Kleinkrieg gegen die Einheimischen Fremen geführt. Hinzu kommen die lebensfeindlichen Bedingungen auf dem Wüstenplaneten. Leto Atreides, seine Partnerin Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und ihr gemeinsamer Sohn Paul (Timothée Chalamet) laufen in eine offensichtliche Falle.
„DUNE Trailer German Deutsch (2021)“, via KinoCheck (Youtube)
Denis Villeneuves Entscheidung und Bedingung das erste Buch in zwei Filme zu adaptieren statt alles in einen zu quetschen, sorgt für eine atmosphärische Aufbereitung des Stoffs. Der Film nimmt sich so Zeit das Flimmern des Spice im Sand von Arrakis zu zeigen, Pauls Visionen und Vorahnungen Raum zu geben, die unterschiedlichen Häuser zu skizzieren genauso wie das Leben in dieser Galaxie des Jahres Zehntausend-Irgendwas. Technisch und personell arbeitet Villeneuve dafür erneut mit dem deutschen Spezialeffektdesigner Gerd Nefzer und Hans Zimmer für den Score zusammen. Und das macht sich bemerkbar. Das CGI des Films ist auf einem Level, auf dem man längst nicht mehr so einfach erkennen kann, was hier aus dem Computer kommt und was nicht. Production Design und Kostüme sind meisterlich. Dennoch ist die schiere Masse an World Building und das Fehlen von Erklärungen offenbar auch fordernd. Ich habe mit vielen Kinobesucher*innen gesprochen, die meinten sich in dem Film verloren gefühlt zu haben und einiges nicht kapiert hätten. Ich kann nicht ungeschehen machen, dass ich das Buch gelesen habe. Das ist ein Bias – ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Film nicht versteht; aber ich höre mir an was andere dazu zu sagen haben. Für mich ist Villeneuves Dune jedenfalls ein Meisterwerk.
Dune macht durch all seine Mittel und Entscheidungen die Vehemenz und Grausamkeit der menschlichen Gier nach Macht greifbar. Was dem Film besser als das Buch gelingt ist zu zeigen wie sehr sich Paul gegen seinen Prophetenstatus sträubt und damit einen sogar noch sympathischeren, weil widerwilligen und „nahen“ Protagonisten schafft. Was dem Film weniger gut gelingt als das Buch ist zu erklären, warum das Imperium diese Materialschlacht in Kauf nimmt, nur um sich des populären Hauses Atreides zu entledigen. Dune atmet alles was die Vorlage erzielen will mit jeder Faser, mit jedem Frame. Vom Abspann, der wirkt wie wenn man mit geschlossenen Augenlidern der Sonne begegnet bis hin zu angemessener Epicness der „kleinen“, wichtigen Momente wie als Paul das erste Mal Fuß auf den Wüstensand von Arrakis setzt.
Dune, USA, 2021, Denis Villeneuve, 155 min, (10/10)
In 21 Jahren hat Denis Villeneuve eine starke Filmografie vorgelegt. Bis einschließlich „Enemy“ hielt ich Villeneuve für einen Erzähler von starken, menschzentrierten Schicksalen. Arrival überraschte mich. Zwar bewegte es sich von den Menschen im Zentrum der Geschichte nicht weg, aber mit Science-Fiction und auffällig innovativem Produktionsdesign schien sich Villeneuve (+ Crew) neu zu erfinden. Der Eindruck blieb auch mit seinen Folgewerken. Sci-Fi von Villeneuve funktionierte seitdem so gut, dass ihm das Mammutprojekt „Dune“ anvertraut wurde. Angefangen bei „Maelström“ bis hin zu „Dune“ sieht man wie das Budget wuchs. Was aber seit jeher geblieben ist, sind seine Markenzeichen.
Der starke Fokus auf Charaktere, ein Hang zu tiefgründigen Stoffen, die adressieren, was den Mensch zum Menschen macht und dass er keine Angst davor hat unterschiedliche Perspektiven einzunehmen (vier seiner populäreren Filme haben weibliche Protagonistinnen, nimm das Nolan) und unbequeme Stoffe zu adressieren. Insbesondere das ist ein Merkmal, das er mit nicht allzu viel gehypten, zeitgenössischen Regisseuren teilt. Ein kleiner Teil von mir vermisst Villeneuves Autorenkino und düstere Charakterdramen wie „Prisoners“ und „Maelström“. Meinetwegen könnte er auch gern nochmal dahin zurückkehren. Aber um die Scifi-Epen bin ich definitiv auch nicht böse. Denis Villeneuve hat sich längst den Status einer Regie-Ikone erarbeitet. Und ich finde das auf eine wünschenswerte Art. Durch verdammt gute Arbeit. Und das stets auf eine bodenständige Art ohne falschen Glamour, mit viel Liebe für den Film, einer gewissen Art von erzählerischer Brutalität und Interesse daran, was Menschen und antreibt und woran sie sich aufreiben. Was ist euer Lieblings-Villeneuve?
„Into the Dark Depths of Humanity – Understanding Denis Villeneuve“, via Stories of Old (Youtube)
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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