7ème art: Meine Lieblingsfilme

Irgendwann im September vor so 30 Jahren, sagte irgendwo eine Frau „Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt!“ Und ein Mann, ihr Mann, sagte „Das Baby kommt?? Aber ich kann nicht fahren, ich habe gerade einen Whiskey getrunken!“ Klingt wie aus einem Film? So ist das Leben. 🙂 Dieses Baby bin ich. Da ich diesen Monat (übrigens nicht heute, ihr müsst also nicht gratulieren 😉 ) also ein Jubiläum feiere, nehme ich es mir heraus dieses Mal mein persönlichstes „7ème art“ zu zelebrieren. Undzwar sieben meiner Lieblingsfilme. Denn mal im Ernst: welcher Filmfan kann sich schon auf den einen Lieblingsfilm festlegen??

Léon – Der Profi

Wer weiß schon was seine Nachbarn arbeiten? Die kleine Mathilda (Natalie Portman) flüchtet oft vor ihrer dysfunktionalen Familie. Der Mutter, die nicht ihre Mutter ist; dem Vater, der sie schlägt und der in Drogengeschäfte verwickelt ist und der zickigen Schwester. Nur ihr kleiner Bruder liegt ihr am Herzen. Aber weit kommt sie meistens nicht und hockt im Hausflur rum. Dort trifft sie den stillen Nachbarn Léon (Jean Reno), dem ihre Veilchen nicht entgehen. Als Mathildas Vater den Bogen überspannt und ein Deal platzt, setzt sein „Vertragspartner“ Stansfield (Gary Oldman) ein blutiges Zeichen und schlachtet die ganze Familie ab. Mathilda war nicht zuhause und sucht bei Léon Zuflucht. Der muntert das verstörte Mädchen auf. Als sie einmal die falsche Tasche Léons öffnet, findet sie ein Arsenal an Waffen. Léon selber ist ein Auftragskiller. Mathilda sagt, sie will bei ihm bleiben und lernen. Eine Zwickmühle für Léon, der die Gesellschaft anderer Menschen schon längst nicht mehr gewöhnt ist.

„Léon — Der Profi Trailer (Deutsch)“, via Samy005 Vela (Youtube)

Im Zentrum des Films steht die Beziehung zwischen Léon, den sein vorsichtiges Leben als Auftragskiller von seiner Außenwelt und Beziehungen isoliert hat. Er schläft nachts im Sitzen und mit offenen Augen und gönnt sich wenig Luxus. Mal einen Kinofilm (sehr sympathischer Typ). Aber er hat das Herz am rechten Fleck und Mathilda bringt seine harte Schale zum bröckeln. Und sein Leben, tja, in Schwung. Sie sorgt nicht selten dafür, dass die Beiden umziehen müssen – aus verschiedensten Gründen. Und wenn sie den Alltag mit Spielen auflockert und Léon aus seinem Schneckenhaus zwingt, dann ist das witzig und wärmt von innen. Dann gibt es aber auch dramatische Umstände wie ihren Wunsch Auftragskiller zu werden und später den Tod ihres Bruders zu rächen. Für manche Zuschauer ist es einfacher ihre Ausbildung zu akzeptieren und zu verkraften als den Umstand, dass sich die zwölfjährige Mathilda in Léon verliebt und ihm Avancen macht. Die Léon eigentlich sehr gentleman-like umschifft. Trotzdem sind manche etwas kinky-esque Szenen für einige Zuschauer zuviel. Ich hingegen sehe es eher als eine platonische Liebe ohne Labels. Letzten Endes haben sich zwei gefunden. Der verhärmte Léon und Mathilda, die man gut und gerne als streetwise bezeichnen kann, geben sich gegenseitig etwas, das ihnen lange fehlte. Man wünscht ihnen ein Happy End. Das ist aber spätestens dann in Gefahr, wenn Mathilda Stansfield wiedertrifft und klar wird, dass er ein dirty cop des Drogendezernats ist. Und der will alle Zeugen los werden. Luc Besson hat mit Léon einen seiner besten Filme geschaffen. Es ist ein Genremix aus Action, Drama, Coming-of-age und Comedy. Ein großartiger Film über Außenseiter, darüber wie wir Menschen begegnen und verschiedene Formen, die Liebe annehmen kann oder anders gesagt: wo man Familie finden kann, wenn man es wenigsten erwartet.

Léon – Der Profi (Léon), Frankreich, 1994, Luc Besson, 127min (Director’s Cut), (9/10)

Sternchen-9

Das Piano

Irgendwann im neunzehnten Jahrhundert wird die schottische Witwe Ada McGrath (Holly Hunter) von ihrem Vater mit dem Briten Alistair Stewart (Sam Neill) verheiratet. Stewart stört sich angeblich nicht daran, dass Ada nicht spricht. Es ist nicht so, dass sie physisch nicht dazu in der Lage wäre. Sie hat einfach irgendwann aufgehört zu sprechen. Aus ihrer vorherigen Ehe hat Ada eine Tochter, Flora (Anna Paquin), die mit ihr in Gebärdensprache spricht. Aber für Ada ist ihr Kommunikationsmittel das Piano. Es ist ihre Stimme, ihre Geschichte, ihr Seelentröster, es macht sie glücklich und lebendig. Stewart, ihr künftiger Ehemann, lebt aber in Neuseeland. Ada, Flora und v.A. das Piano dort hinzubekommen ist ein Akt. Da Stewart tief im neuseeländischen Wald lebt, verbleibt das Piano erst einmal am Strand, so wie man es vom Boot gehievt hat. Die neuen Lebensumstände, die kritischen Blicke der hinterwäldlerischen und misstrauischen Bewohner der britischen Siedlung, die Entfremdung ihrer Tochter, die arrangierte und lieblose Ehe – für Ada ohne das Piano kaum auszuhalten. Der Brite George Baines (Harvey Keitel) sieht in Ada mehr besonderes als ihr Ehemann. Es gelingt ihm das Piano wenigstens bis zu seinem Haus bringen zu lassen und er erwirbt es von Stewart, gewährt Ada Zeit darauf zu spielen. Während sie sich erpresst und um ihr Hab und Gut betrogen fühlt, entwickelt sich eine Beziehung zwischen ihr und Baines, die das Gefüge der kleinen Siedlung empfindlich stört.

Das Piano klingt in der Zusammenfassung vorhersehbar und als ob es einfachen Mustern folgt, beinhaltet aber soviel mehr an Themen. Es ist die Geschichte von Frauen, die keinen Besitz, keine Stimme (im wahrsten Sinne des Wortes) und keine Entscheidungsfreiheit haben. Ada wird ohne ihre Zustimmung verheiratet und ihr Besitz, das Piano, von ihrem Ehemann an Baines verkauft, obwohl er mitbekommen haben müsste wie wichtig es ihr ist. Die anderen britischen Einwanderer sind so borniert, dass sie weder Verständnis für die einheimischen Māori und ihre Bräuche haben, obwohl sie in ihr Land eindringen und diejenigen sind, die sich zumindest in gewissem Maß anpassen müssten, noch haben sie Verständnis für Menschen, die wie Ada andere Gebaren haben, die Musik lieben und einen eigenen Kopf haben. Alles was anders ist, hat keinen Platz in ihrem Weltbild. Männer wie Stewart kennen Begierde, aber nicht Zuneigung. Eine Frau wie Ada hat ihrer Bestimmung als Ehefrau zu folgen. Vielleicht ist das der Grund, warum Ada schon als Kind aufgehört hat zu sprechen. Weil sie eh keine Stimme hat verglichen zu der Gesellschaft, deren Stimme soviel lauter ist. Die Leistung des Casts ist großartig. Holly Hunter ist als starrköpfige Ada wie eine Naturgewalt, die Chemie zwischen ihr und Harvey Keitel ist elektrisierend. Jane Campions Film vereint soviele Motive. Eine subtil erotische Liebesgeschichte, das Bild einer restriktiven Gesellschaft, Einwanderung und Ausbeutung und es zeigt uns einen Ausschnitt des historischen Neuseeland und der Māori. Ein Rundumpaket an schauspielerischer Intensität, moralischer Fragestellung und Erotik.

Das Piano (OT: The Piano), Australien/Neuseeland/Frankreich, 1993, Jane Campion, 121 min, (10/10)

Sternchen-10

„The Piano (1993) Official Trailer – Holly Hunter, Anna Paquin Movie HD“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Fight Club

Erzählt wird die Geschichte eines Mannes (Edward Norton), der scheinbar sein Leben für relativ austauschbar hält. Er mag seinen Job nicht. Auch ansonsten gibt es nicht viel wodurch er sich definiert, außer durch Konsum. (Müsste man sagen, was sein Hobby ist, so würde ich auf Ikea tippen.) Seine Einstellung ist alles andere als positiv und lebensbejahend – zumal er auch nachts nicht schlafen kann und zum Zeitvertrieb Selbsthilfegruppen für sich entdeckt hat. Nein nein, nicht etwa weil er dort an ihm nagende Probleme vorträgt und sich erleichtert, sondern weil er sich entspannt während andere über ihre Abhängigkeit oder Krankheit sprechen. Sein Leben nimmt eine rasche Wendung, als er Marla (Helena Bonham Carter) und Tyler (Brad Pitt) kennen lernt. Marla ergötzt sich wie er auch an den Selbsthilfegruppen. Tyler Durden ist Seifenhändler, der mit dem Protagonist ähnliche Meinungen zu teilen scheint. Diese aber im Gegensatz zu ihm auslebt. Eine Begegnung, die polarisierend für den Protagonisten ist. Fast so, als wenn sich unter Milliarden von Menschen die einzigen finden, die dieselbe Sprache sprechen. Kaum landet der Protagonist in einer brenzligen Situationen, kommt er bei Tyler an, zieht sogar bei ihm ein. Die Gegenleistung die Tyler fordert, ist unerwartet und simpel: er solle ihm eine runter hauen. Dabei bleibt es nicht. Daraus wird eine Prügelei. Und sie wiederholen das stetig. Ohne einen wirklichen Anlass – nur des Nervenkitzels und Abreagierens wegen. Ihre Prügeleien bleiben nicht unentdeckt und so scharen sich immer mehr Männer um sie und nehmen teil. Die Geburt des Fight Club. Und der hat bald ein Eigenleben wie ein Geschwür, dem der Protagonist bald kaum noch folgen kann. Wofür steht der Fight Club wirklich? Hat Tyler einen Plan? Steckt mehr dahinter?

Fight Club basiert auf einem Roman des amerikanischen Autors Chuck Palahniuk – sogar seiner Erstveröffentlichung. Der Gedanke zu der Geschichte kam ihm, als er mit einem Veilchen aus einer Prügelei auf Arbeit erschien. Tatsächlich fragte ihn niemand wie das passiert sei oder ob es ihm gut gehe. Daraus resultierte sein Überlegung, ob so ein Doppelleben unerkannt bliebe, obwohl man Spuren sogar sieht. (siehe auch Wikipedia) Der Stil und die selbstzerstörerischen Charaktere machten den Film zu einem Publikumserfolg, auch wenn er von den Kritikern teilweise nicht gut angenommen wurde. An den Kinokassen selber war Fight Club nicht erfolgreich. Auch die Vorlage erlangte erst nach dem Film diesen von der breiten Masse produzierten Kultstatus. Der Film findet sich regelmäßig in Fan-Listen wieder mit Titeln wie „Die von Kritikern am meisten unterschätzten Filme der Geschichte“. Und ist einer der Filme die man mehrmals schauen kann. Und sollte. Warum? Wegen den Hinweisen, die so öffentlich und unaufgeregt im Film versteckt sind, dass man sie nur zu leicht übersehen kann. Fight Club ist in einer einzigartigen Art und Weise konstruiert, die einen nicht erahnen lässt, wo die Geschichte hinführt. Schaut man sich das überwältigende Ende an, wird einem erst bewusst wieviele Hinweise man nicht gesehen hat. Die Tragweite der Zusammenhänge eröffnen sich so blitzschnell, dass der Eindruck noch krasser wird. Zu recht ein Kultfilm.

Fight Club, USA, 1999, David Fincher, 139 min, (10/10)

Sternchen-10

Blade Runner

Mit dem auf einem Buch von Philip K. Dick basierenden Film wurde ein Kult geschaffen, dessen Erfolg selbst 2017 nicht abriss, sondern sogar mit der Fortsetzung Blade Runner 2049 nochmal auflebte. Der Film spielt in einer Zukunft, in der biomechanisch optimierte, künstlich hergestellte Menschen für schwere Aufgaben eingesetzt werden. Da sie durch ihre übermenschlichen Fähigkeiten eine Gefahr für Normalsterbliche darstellen, wurde ihre Lebenszeit auf wenige Jahre begrenzt. Falls sie revoltieren, werden sie von sogenannten Blade Runnern aus dem Verkehr gezogen. Einer von denen ist Rick Deckard (Harrison Ford), der sich eigentlich eine Auszeit gönnen wollte, aber von seinem Chef zurückbeordert wird, um einige besonders schwere Fälle ausfindig zu machen. Unter denen ist u.a. der enorm starke Roy Batty (Rutger Hauer) und die ehemalige Prostituierte Pris (Daryl Hannah). Deren Wunsch ist es lediglich ihr kurzes Leben zu verlängern, wenn es sein muss auch mit Gewalt. Das und die Begegnung mit Rachael (Sean Young) werden Deckards Weltbild auf den Kopf stellen. Sie ist eine Replikantin, die glaubt ein Mensch zu sein.

Blade Runner ist ein wahres Underdog-Phänomen. Obwohl er anfangs von Kritikern und dem Publikum wenig Beachtung erhielt, avancierte der Film zum Paradebeispiel für Science-Fiction, das auf Neo-Noir trifft und begründete das (westliche) Cyberpunk-Genrekino. Die komplexe Welt, die Ridley Scott und die Drehbuchschreiber Hampton Fancher und David Webb Peoples aus dem Buch von Philip K. Dick ableiteten, beinhaltet eine düstere, schmutzige Welt, die von Menschen und Werbung aufs Engste bevölkert ist. Der Film heißt vielleicht nicht Dark City, aber es scheint so oder so nie wirklich hell zu sein. Der Schaupieler Edward James Olmos, der Deckards Kollegen Gaff spielt, hat sogar eine eigene Sprache beigesteuert und seine Origami-Figuren begleiten still-schweigend und kommentierend den Film, veranlassen zu mancher Spekulation. Die für mich größte Stärke liegt aber in der Vielfalt des angeblichen Feindbilds der Replikanten. In den verkannten Menschen. Wie sagte doch Paul Farmer einmal: „Die Idee, dass manche Leben weniger wert sind, ist die Wurzel alles Übels auf dieser Welt“. Und so ist man umso mehr bezauberter von den brutalen, verletzlichen Replikanten, die menschlicher als menschlich sind. Ein großartiger Film.

Blade Runner, USA/UK/China, 1982, Ridley Scott, 117 min, (9/10)

Sternchen-9

„Blade Runner (1982) Official Trailer – Ridley Scott, Harrison Ford Movie“, via Movieclips Trailer Vault (Youtube)

Cloud Atlas

Alles ist verbunden. Cloud Atlas verbindet das Schicksal unterschiedlichster Menschen verschiedener Epochen. Ca. 1850 zeichnet der Notar Adam Ewing seine Erlebnisse während einer Seefahrt auf. Obwohl sich seine gesundheitliche Lage rapide verschlechtert, versucht er einen Moriori an Bord zu verstecken. Der begabte aber enterbte Musiker Robert Frobisher versucht 1931 sein Ansehen wiederherzustellen und wird Assistent seines Idols Vyvyan Ayers. Nichtsahnend in welche Bahnen dieses Engagement sein Leben lenken wird. Die Journalistin Luisa Rey ist im Jahr 1975 einer Geschichte auf der Spur, aufgrund derer man ihr nach dem Leben trachtet. Im Jetzt versteckt sich der kautzige Verleger Timothy Cavendish vor brutalen Geldeintreibern, landet zufällig in einem Altenheim und kommt dort nicht wieder aus! Er plant seinen Ausbruch. Sonmi-451 ist eine Bedienerin in einem Fast-Food-Restaurant in der nicht allzu fernen Zukunft. Sie ist ein Klon und normiert auf das Ausführen ihrer Arbeit. Als sie beginnt aus dem Gedankenkäfig auszubrechen und sich für Medien zu interessieren, wird sie zum Zielobjekt der Regierung. Aufständische helfen ihr zu fliehen. In der fernen Zukunft erklärt sich der Ziegenhirte Zachary dazu bereit einer Prescient, einer Angehörigen eines höher entwickelten Volkes, bei einem Auftrag zu helfen, der sein Weltbild verändern wird.

Der Film ist in vielerlei Hinsicht ein Mammutprojekt. Zum Einen ist er eine Kooperation mehrerer Länder, die ansonsten vielleicht eher unvereinbar wirken: Deutschland, USA, Singapur und Hongkong. Zum Anderen gilt er mit seinem auf 100 Mio. $ geschätzten Budget als teuerster deutscher Film. Regie führten Tom Tykwer, Lily und Lana Wachowski. Die Aussage „everything is connected“ wurde übrigens besonders ernst genommen. Die Figuren der unterschiedlichen Epochen haben gewichtige Anknüpfungspunkte, so inspiriert beispielsweise Adam Ewings Reise-Tagebuch Robert Frobisher zu seinem musikalischen Werk „Der Wolkenatlas„. Auch bei der Besetzung wurde die Tagline beachtet. So sind die Schauspieler in verschiedenen Rollen zu sehen. Tom Hanks ist beispielsweise in der fernen Zukunft Zachary, stellt aber auch Robert Frobishers raffgierigen Vermieter dar. Und das ist nur eins von unzähligen Beispielen. Die Schauspieler wurde dabei so in Szene gesetzt, dass man sie mal besser, mal schlechter erkennt. Das lädt zum Rätselraten ein, insbesondere dann wenn sie sogar andere Ethnien oder Geschlechter verkörpern. Neben der sehr menschlichen Aussage, verleitet mich dieser Umstand auch immer ein wenig zu dem Gedanken, dass sie Wiedergeburten sein könnten. Manche haben ihren Weg im nächsten Leben besser gefunden, manche mal schlechter. Zumindest hat der Gedanke auf mich einen besonderen Reiz, während die Kostüme für den einen oder anderen Zuschauer wahrscheinlich zu künstlich sind und ins Lächerliche abdriften. Letztendlich dient es der Story aber enorm. Ein weiteres großes Plus: Der Film bedient mehrere Genres: Komödie, Drama, Abenteuergeschichte / Historiendrama, Science-Fiction, Krimi – alles dabei. Durch Schnitte, gutes Timing und wunderbare Musik wird deutlich, welche wiederkehrenden Motive die Charaktere beeinflussen. So zum Beispiel Unterdrückung oder Machthunger. In allen Epochen, egal wie unterschiedlich das aussieht.

Cloud Atlas, Deutschland/USA/China/Singapur, 2012, Tom Tykwer/Lana & Lily Wachowski, 172 min, (9/10)

Sternchen-9

The Hunger (Begierde)

Irgendwann wurde über den Film im Fernsehen berichtet. Zu einer Zeit als noch Kino-Sendungen im Fernsehen liefen. Es ging um Vampire. Es wurde ein Ausschnitt von Catherine Deneuve gezeigt, die in einer Art dunklem Dachboden entsetzt schreit. Aber sie wirkte nicht wie eine Scream Queen – ihr Horror war ein ganz anderer. Schemenhaft blieb mir der Filmtitel in Erinnerung. Jahre später sah ich, was ich mir als „Gruselfilm mit Catherine Deneuve“ eingeprägt hatte. Aber Begierde ist viel mehr. Der Film handelt von Miriam und John Blaylock (Catherine Deneuve, David Bowie), die sich vom Blut von Menschen ernähren. Der Begriff Vampir ist hier unnötig. Es ist nicht klar, was sie sind. Sie sind unsterblich, das ist das einzige was wir wissen. Und insbesondere Miriam scheint schon lange zu leben und hatte einige Begleiter und Begleiterinnen. Von denen ihr die wenigsten geblieben sind. Als John eines Tages nicht mehr schlafen kann und altert, weiß er, dass seine Zeit vorüber ist. Er sucht die Forscherin Dr. Sarah Roberts (Susan Sarandon) auf, die sich mit der inneren Uhr und dem Thema Unsterblichkeit beschäftigt. Anfangs glaubt sie ihm nicht.

„The Hunger Official Trailer #1 – Susan Sarandon Movie (1983) HD“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Den Film umweht die Atmosphäre eines Arthouse-Streifens, der vor Philosophie, Melancholie und Erotik nur so sprüht. Solche Filme wurden 1983 gemacht? Großartig! Wenn John alias David Bowie in Dr. Roberts Wartezimmer wartet und sprichwörtlich verfällt, fühlen wir uns daran erinnert wie oft wir schon in einem Wartezimmer das Gefühl hatten Lebenszeit zu vergeuden. Eine schon fast brutale Metapher. Andererseits wirkt es unfair und aufrüttelnd und macht wütend, dass er seine verbleibenden Stunden dort zubringen muss – nicht im übertragenden Sinne, sondern wortwörtlich. Und dann ist da noch die traurige Gewissheit, dass der große David Bowie, der John verkörpert, erst vor Kurzem von uns gegangen ist. Das sind viele Emotionen, die der Film mit seinen prägnanten Bildern und seiner melancholischen Schönheit weckt. Es rührt einen zutiefst wie bitter Miriam und John hinnehmen müssen, dass ihre Ewigkeit keine ist. Und noch schlimmer die Erkenntnis, dass der Verfall von Miriams Geliebten nur äußerlich ist, ihre Seele aber unsterblich und dazu verdammt in einer Mumie dahinzuvegetieren in der Ewigkeit. Und wie Miriam das hinnimmt. Für immer und ewig – aber gilt das nicht für die Liebe? Können wir unsere Liebe wegschmeißen? Was ist das für ein Leben? Hunger und Begierde beziehen sich hier nicht auf das Blut, sondern auf Leben, Liebe und Jugend. Dieser Film – ein Meisterwerk.

Begierde (OT: The Hunger), UK, 1983, Tony Scott, 93 min, (10/10)

Sternchen-10

Der Illusionist

Der Illusionist handelt vom verkannten Zauberkünstler Tatischeff, der in den 1950er Jahren durch Paris und später das Vereinigte Königreich tingelt und versucht sich durchzuschlagen. Mit durchwachsenem Erfolg. Mal bleiben die Sitzreihen in den Theatern und Veranstaltungshäusern leer, mal wird er frenetisch in einer kleinen schottischen Gemeinde gefeiert. Nicht selten macht es den Eindruck, dass er mit seinem frechen Hasen im Hut und anderen Tricks aus der Mode ist. So wird die Boyband gefeiert und die Fans flippen aus, Minuten später ist bei seinem Auftritt der Zuschauerraum wie leergefegt. Dabei lässt der Film auf angenehme Weise offen, ob Tatischeff ein Illusionist ist oder tatsächlich Magie beherrscht. Auf jeden Fall legt er eine wunderbare Menschlichkeit an den Tag, als er dem jungen Dienstmädchen Alice ein Geschenk macht und zum Lächeln bringt – was auch eine Art Magie ist. Von da an reisen die beiden zusammen durch englische, schottische und walisische Landschaften.

„The Illusionist | Official Trailer (2010)“, via Sony Pictures Classics (Youtube)

Im Namen des glücklosen Zauberers Tatischeff steckt nicht ganz umsonst Tati. Der französische Schauspieler und Regisseur Jacques Tati, der mit seinem tollpatschigen Monsieur Hulot (u.a. Die Ferien des Monsieur Hulot und Trafic) weltbekannt wurde, schrieb das Originaldrehbuch. Er setzte den Film nie um. Das übernahm stattdessen der Comicautor und Regisseur Sylvain Chomet, auf dessen Konto schon der Animationsfilmklassiker Das große Rennen von Belleville ging. Chomet steht für angenehmes, erwachsenes und facettenreiches Animationsfilmkino. Er lässt Tatischeff ein wenig Hulot-esque erscheinen und liefert nicht nur mit dem Namen des Illusionisten eine großartige Hommage an Jacques Tati. Wie Monsieur Hulot ist Tatischeff ein nettes Kerlchen, das manchmal eben nicht soviel Glück hat. Chomet gibt der Geschichte eine traurig-melancholisch angehauchte Note, die immer wieder von zarter Situationskomik aufgelockert wird. Der Film entwickelt sich in die Richtung, dass Tatischeff mit seinen bescheidenen Mitteln Alice Perspektiven für ein besseres Leben eröffnet und muss dadurch selber bald jeden Groschen zusammenkratzen. Hat die Welt noch Platz für Magie und Lächeln? Eine fast düstere Note mischt sich in die letzte Hälfte des Films und verlangt dem Zuschauer Aufmerksamkeit ab bei den Auftritten der Nebencharaktere wie dem Bauchredner und dem Clown. Freunde Tatischeffs und tragische Figuren, denen das Leben trotz ihres Könnens gnadenlos die Daseinsberechtigung oder Aufmerksamkeit entsagt, einfach nur weil andere gerade „cooler“ oder „moderner“ sind. Der Animationsstil erinnert stark an Das große Rennen von Belleville mit seinen realistischen Umgebungen und den Figuren, deren herausstechende Merkmale gerne mal etwas überspitzt und detailliert hervorgehoben sind. Die Charaktere sind herrlich menschlich, fast tragisch menschlich und die Animation detailverliebt. Es gibt keine Magier, schreibt Tatischeff an einer Stelle in dem fast dialoglosen (und damit wunderbar empathischen und grenzen-überschreitend gültigen Film) und ich stimme nicht zu. Er ist einer. Genauso wie Tati und Chomet.

Der Illusionist (OT: L’Illusionniste), UK/Frankreich, 2010, Sylvain Chomet, 80 min

Bevor ihr euch wundert wo die ganzen Anime sind … die wurden schon in zahlreichen anderen Ausgaben von 7ème art besprochen. Ansonsten würde hier beispielsweise Das Mädchen, das durch die Zeit sprang stehen oder Chihiros Reise ins Zauberland. Kurzum: hier wären fast die Hälfte Anime. Und ein wichtiger fehlt auch, der seinen Platz in der Eva Green Werkschau fand: Perfect Sense. Falls mir derzeit einer fragt, was DER Lieblingsfilm ist und ich mich wirklich auf einen festlegen MUSS, dann ist es der. Könnt ihr euch auf einen Lieblingsfilm festlegen? Welchen der obigen Filme kennt ihr? Und bei welchen kommt ihr zu einer anderen Meinung oder Bewertung? Warum? Wisst ihr noch, was euer „erster Lieblingsfilm“ war? Ist er es immer noch? Ansonsten muss ich leider sagen, dass einige der Original-Film-Trailer von „damals“ grausig schlecht sind … .

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

11 Antworten

  1. Gratuliere zum Geburtstag! 🙂
    Das ist ja eine ganz bezaubernde Geschichte, was deinen Eltern damals passiert ist. Ich habe Alkohol so zwei Wochen vor Termin strikt vermieden. Mist. Hätte so eine schöne Anekdote werden können! 😀

    Und top Filmauswahl. Schon alleine drei davon würden es bei mir auch in solch eine Liste schaffen. Mich erstaunt, dass es so „viele“ 9er Bewertungen sind. Bist du jemand, der so selten die 10 zückt?

  2. Tolle Idee und ich mag Deine Lieblingsfilme. Zwei könnten ggf auch in meiner Liste auftauchen, aber da muss ich erst noch einmal in mich gehen 😉

  3. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Eine interessante Auswahl! Einen Lieblingsfilm zu küren ist sicherlich nicht nur für Filmfans schwierig, da Filme so unterschiedlich sein können, dass man sie nicht vergleichen kann. In meiner Liste ganz weit oben finden sich ebenfalls Fight Club und Blade Runner – allerdings in der 2049 Variante. Auf vergleichbaren Plätzen stehen bei mir noch American Beauty, Ghost in the Shell, 1984 und Arrival, wobei tendenziell die Filme aus meiner Jugend mir wohl dichter am Herzen liegen. Wenn ich mich festlegen müsste, würde bei mir ganz oben wohl Gattaca stehen, wobei ich mir bewusst bin wie subjektiv diese Wahl ist. 😉 Split würde in Abhängigkeit von der Fortsetzung evtl. zur Liste hinzufügen. Fast alle Ghibli-Filme die ich kenne, haben etwas besonderes was der Welt bitter fehlt, aber sie schneiden bei mir nicht tief genug ein um als Lieblingsfilme zu gelten.
    Alles was wir geben mussten ist auch ein Film der bei mir hoch im Kurs steht, wobei ich ihn aufgrund seiner bitteren Hilflosigkeit wohl nie als Lieblingsfilm bezeichnen würde.
    Cloud Atlas kannte ich vorher nicht, aber der sieht wirklich sehr interessant aus. Danke für die Empfehlung. Das Piano scheint auch ein metaphorisch wertvoller Film zu sein.

    Leon der Profi fand ich sehr nahe gehend, aber soo tief eingebrannt hat er sich bei mir nicht. Perfect Sense ist in meinen Augen ein wirklich schöner und kluger Film. The Hunger empfand ich als intelligent konstruiert und erschreckend. Teilweise sehe ich gewissen filmische Schwächen, wobei mich die Lebensfeindlichkeit des Films gestört hat, auch wenn diese wohl nicht ganz inkonsequent ist. Eine Existenz wie die von Miriam auf Ewig zu verlängern ist vielleicht die größte Grausamkeit des Films. Dieser Schluss ist auch das einzige Fazit, dass ich aus dem Film ziehen konnte.

  4. Fight Club fand ich auch total atemberaubend! Allerdings hab ich mich bisher nicht getraut, den Film noch mal zu schauen, denn ich fand den Film vor allem gut, weil ich den Plottwist so überhaupt nicht kommen gesehen habe und es mich total umgehauen hat. Jetzt da ich weiß, was passiert, ist das Erlebnis vielleicht nicht so perfekt 😉

  5. Schade, dass ich Fight Club nie gesehen habe, denn die Beschreibung klingt schon extrem spannend. Was allerdings die Kritiker angeht – so ist mir inzwischen das was Kritiker so schreiben, total wurst. Auch gebe ich nichts auf Bewertungen jeglicher Art. Sei es bei Rotten Tomatoes oder IMDB.

    Oft werden da Filme hochgelobt, mit denen ich nichts anfangen kann oder bei denen ich mich frage, was daran so toll gewesen sein soll – und andererseits werden Filme, die mir gefallen – wie „The Village“ – hemmungslos verrissen. Und das will ich mir dann doch nicht antun.

    1. Hallo Ulrike,
      das unterschreibe ich sofort !

      Wahrscheinlich bin ich „unnormal“: mir gefallen meistens Filme, die „allen Anderen“ nicht gefallen …;)

      … ich mochte „The Village“ auch sehr gerne und finde das Ende überhaupt nicht doof. So.

  6. […] Am Anfang machen mir solche Mecker-Beiträge immer etwas mehr Spaß als am Ende. Wenn ich auf diese zehn Filme schaue, die ich so unglaublich schlecht finde, dann werde ich fast etwas wütend und frage mich: wer macht sowas? Eigentlich löst lediglich Platz 1 dieses Gefühl aus. Die anderen gingen halt irgendwie daneben. Irgendjemand hat Geld gegeben, weil er es vielleicht tatsächlich cool fand oder die Prämisse besser klang als das Ergebnis. Hey, Cameron Diaz als schlechte Lehrerin, ist doch witzig? Und dann geht die Formel nicht auf. Bei den meisten kann man sagen: schade um das viele investierte Geld. Schade, um die Zeit, die man beim schauen investiert. Aber Platz 1 ist wirklich ein Film, den man nicht hätte machen sollen. Die Nachfolge-Teile sind wohl noch schlimmer. Filme sollen sicherlich Emotionen hervorrufen. Moralisch triggern, aufmerksam machen, glücklich machen, schocken, manchmal einfach unterhalten. Aber „Facepalm“ als hauptsächliche Reaktion sollte nicht dazu gehören. Was ist aber der schlechteste Film, den ihr je gesehen habt? Ansonsten gehe ich jetzt und schaue lieber einen von denen. […]

  7. […] geboren), suche ich mir immer ein besonders persönliches Thema aus. Letztes Jahr waren das meine Lieblingsfilme. Dieses Jahr dränge sich der Gedanke auf, doch mal Filme zu schauen, die Filme und das Kino […]

  8. […] Film nimmt insofern Bezug zu Ridley Scotts erster Adaption und Philip K. Dicks Buch, dass er Rachel und Deckard auf die eine oder andere Art auftreten lässt […]

  9. Avatar von BoomHoschi
    BoomHoschi

    Ich finde Du hast einen wunderbaren Geschmack bewiesen bezüglich Deiner Lieblingsfilme.
    Bei mir wäre aber nur Leon-Der Profi in der Liste gelandet.
    Nach kurzem Nachdenken sieht meine Liste so aus:
    – Die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann
    – Persepolis
    – Der Pianist
    – Event Horizont
    – Farm der Tiere (1945)
    – Clockwerk Orange / Die Verurteilten & Einer flog über das Kuckucksnest
    Sehr schwer in kürze eine Liste zusammen zu stellen, konnte mich bei den letzten 3 auch nicht entscheiden, welchen ich bevorzugen würde.
    Aber ich glaube, daß schwankt auch von Tag zu Tag und von Gemütsstimmung zu Gemütsstimmung:-))

  10. […] Naja, zumindest fast alles. Nicht alle der Filme sind Lieblingsfilme, die gab es nämlich schon hier. Gemeinsame Nenner der heutigen sieben Filme ist viel mehr, dass sie mir in meiner Kindheit gut […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert