Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Loving Vincent“

Als ich ein Kind und Teenager war und Bestrebungen hatte Kunst zu studieren, hörte ich sehr oft den Satz „Künstler werden in dieser Welt leider erst nach ihrem Tod berühmt“. Immer wieder hörte ich im Kunst-, Musik- und Geschichtsunterricht von Menschen, deren Schicksal das belegte. Einige Zeit später beschäftigte ich mich mit dem Leben Vincent van Goghs und bemerkte, dass er wahrscheinlich das Beispiel für die traurige Wahrheit hinter der Behauptung ist. Das trieb mir schon mal im Van Gogh Museum in Amsterdam die Tränen in die Augen. Und dann wieder in diesem Film. Besprechung ist spoilerfrei.

Dieser Film ist ein besonderer. Sicherlich irgendwie ist jeder Film besonders. Manche besonders schlecht, manche besonders schön. Manche für die einen besonders, für die anderen nicht. Loving Vincent ist aber eine Verbeugung vor dem verkannten Künstler Vincent van Gogh (Robert Gulaczyk). Der Film wurde zuerst mit echten Darstellern in Kostüm gedreht und wurde dann von Künstlern Frame für Frame als Ölgemälde nachgemalt. Viele davon im unverkennbaren Stile van Goghs. Das ist mit Liebe gemacht. Loving. Vincent. Der Film handelt von Armand Roulin (Douglas Booth), der von seinem Vater Joseph (Chris O’Dowd) den Auftrag bekommt einen Brief zu überbringen. Normalerweise ist das Josephs Aufgabe, denn er ist Postmeister. Aber der Brief scheint unzustellbar zu sein. Es ist ein Brief von Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo. Vincent ist inzwischen verstorben. Er nahm sich das Leben. Der Brief an seinen Bruder gelangte erst einige Zeit später in Josephs Besitz und da er ein Freund Vincents war ist es für ihn eine Frage der Ehre dafür zu sorgen, dass der Brief ankommt. So macht sich Armand auf den Weg Theo zu finden, was in einer Reise mündet, bei der er versucht zu ergründen, warum sich Vincent umgebracht hat.

„Loving Vincent | Offizieller Trailer Deutsch HD | Jetzt im Kino“, via Weltkino Filmverleih (Youtube)

Anfangs ist Armand wenig davon begeistert. Er hat schließlich einen Job und Vincents Ruf eilte ihm voraus. Er war als Spinner verschrien und wurde sogar von Kindern auf der Straße beleidigt. Seine Kunst fand keinen Anklang, für seinen Stil, seine Motive und seinen Idealismus wurde er ausgelacht. Sein Bruder glaubte an ihn und finanzierte sein Leben, aber Vincent bedrückte es, dass er Theo auf der Tasche lag. Van Goghs Geschichte ist eine tragische, gilt er doch heute als der Begründer der modernen Kunst und war damit seiner Zeit voraus, wurde damals nur als Möchtegern und weltfremder Träumer behandelt. Für sein Empfinden und seine Visionen zu malen wie er empfand, gab es erst nach seinem Tod Verständnis. Er malte oft das Leben der einfachen Leute wie der Bauern, malte seine Bekannten und die Natur. Damals waren es unübliche Motive, die von seiner Armut zeugten und davon, dass er sich keine Modelle leisten kann und auch nicht beauftragt wird. Heute drücken sie die damalige Mentalität und das einfache Leben mit allen seinen Entbehrungen aus, aber auch die Wunder der Natur. Was die meisten nicht wissen ist das Vincent van Gogh ein Autodidakt war, der in einer Rekordzeit von wenigen Jahren das Malen lernte und einen Stil entwickelte, der sich von den Üblichkeiten seiner damaligen Zeit absetzte. Wie schnell man verkennt, was über dem eigenen Horizont liegt, zeigen viele seiner Zeitgenossen.

„Loving Vincent, behind the scenes“, via Michael Denner (Youtube)

„Der erste Film der Welt aus Ölgemälden“ ist ein Projekt mit viel Herzblut. Öl ist keine einfache Technik und erfordert Geduld. Über 65.000 Gemälde wurden für dieses Projekt von 80 Künstlern angefertigt, die dann per CGI in die zuvor gefilmten Szenen eingepasst wurden, um den Eindruck eines sich bewegenden Kunstwerks zu erzeugen. Ein Mammutprojekt, das seinen Zweck bis in die letzte Sekunde durch und durch dient. So wurden Schlüsselszenen an bekannte Gemälde van Goghs angepasst. Man sieht Die Ebene von Auvers, Porträt des Dr. Gachet, Das Nachtcafé, Sternennacht, Das Schlafzimmer des Künstlers im Gelben Haus und noch viele weitere Bilder van Goghs, die sich natürlich in das Geschehen einfügen. Rückblicke wurden in Schwarzweiß-Sequenzen gemalt und nicht im Stile van Goghs, sodass sich das Auge zwischendurch erholt. Der Film verschluckt einen und man findet sich in einer bunten Welt aus Pinselstrichen wieder. Eoner Optik, die ich so in noch keinem Animationsfilm gesehen habe. Gemaltes Kino. Wunderbar. Eine liebevolle Verbeugung vor dem Künstler, die auch erzählerisch trotz des langsamen Starts überzeugen kann.

Loving Vincent, UK/Polen, 2017, Dorota Kobiela/Hugh Welchman, 94 min, (8/10)

Sternchen-8

Hat sich etwas daran geändert? Werden Künstler erst nach ihrem Tod berühmt? Ich glaube, dass sich das mit der Geschwindigkeit des Informationszeitalters geändert hat. Die Leon Löwentrauts dieser Welt beweisen das vielleicht. Wie seht ihr das? Ein bisschen gibt es ja ein Happy End. Berührt von der Geschichte seines Onkels Vincent, hat sein Neffe (ebenfalls Vincent), seine Sammlung über Jahre hinweg zusammengetragen. Seine Bilder bringen Jahrzehnte nach seinem Tod Rekordsummen zusammen und eine Doctor Who Episode zeigt auf rührende Weise wieviel es Vincent bedeuten würde zu wissen, dass seine Kunst nach seinem Tod anerkannt und sogar gefeiert wird. Gebt der Welt noch mehr Filme, in denen er wiederbelebt wird, sein Werk und seine Bedeutung erklärt und in unseren Köpfen verankert wird. Weil die Welt so schändlich mit ihm umgegangen ist und vor Allem weil er es anders verdient hätte.

3 Antworten

  1. Kleiner Tipp: Es gibt ein ganz interessantes Buch u. a. mit Tagebucheinträgen der Schwägerin Van Goghs, die dafür gesorgt hat, dass die Bilder bekannt wurden: Die Witwe der Brüder van Gogh von Camilo Sanchez. Auch schön als Hörbuch 🙂

  2. Die „Doctor Who“ Folge ist auch eine von den richtig guten…

  3. […] mehr und das Jahr fing mit sooo guten Filmen an. Alleine im Kino war ich vier Mal und habe dort Loving Vincent, Your Name, Star Wars: Die letzten Jedi und Aus dem Nichts gesehen. Zu den Highlights im Heimkino […]

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