Mensch, bin ich diese deutschen Beititel leid. Jeder Filmtitel wird durch irgendeinen wenig witzigen und nicht charmanten Zusatz bis ins umständlichste verlängert. Schon klar – diejenigen, die nicht des Englischen mächtig sind, merken sich das eher. Aber der Rest ächzt und stöhnt. Aber kommen wir zum Wesentlichen. Besprechung ist spoilerfrei.
Knives Out ist ziemlich witzig. Das könnte man jetzt als Ein-Satz-Besprechung genauso gut stehen lassen. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich das tun würde. 🙂 Tatsächlich ist es kein Film, bei dem man so lacht, dass man Muskelkater bekommt oder Tränen in den Augen hat. Man lacht auch nicht den Film durch, aber das Agatha-Christie-esque Setting wurde mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors und einem Touch Satire und Drama angereichert. Der Rest ist wie folgt. Der schwer reiche Schriftsteller Harlan Thrombey (Christopher Plummer) wird eines Morgens tot in seinem Büro aufgefunden. Das Durchschneiden der Kehle ist ein unerwartet blutiger Selbstmord und zieht polizeiliche Ermittlungen nach sich. Dann taucht auch noch der gefeierte Privatdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) auf, der anonym beauftragt wurde. Nach und nach wird klar, dass jeder der Familienangehörigen ein großes Interesse daran hat zu erben. Egal ob die Schwiegertochter und Lifestyle-Queen Joni (Toni Collette), die Tochter und Unternehmerin Linda (Jamie Lee Curtis), der verwöhnte Enkel Ransom (Chris Evans), der noch nicht ein Mal in seinem Leben arbeiten musste oder der Sohn Thrombeys (Michael Shannon), der bisher dessen Lizenzen verwaltete. Am besten kannte ihn aber wohl eine, die nicht mit den Thrombeys blutsverwandt ist. Wie so oft. Marta (Ana de Armas), die Pflegerin des Mordopfers. Hat einer von ihnen den reichen Autor auf dem Gewissen?
„KNIVES OUT Trailer 3 German Deutsch (2020)“, via KinoCheck (Youtube)
Überraschenderweise wirkt es im Trailer ein wenig so, als ob Daniel Craigs Benoit Blanc der Hauptcharakter ist. Schaut man den Film dann aber, scheint eher Marta die Protagonistin zu sein. Rein subjektive Wahrnehmung? Oder ist der Charakter Marta als weibliche Protagonistin und Emporkömmling illegaler Einwanderer zu riskant für einen Trailer? Genau das ist aber der Aufhänger des Films und Ankerpunkt der Handlung, die die Trailer großräumig umschiffen. Und das macht den Film sehr sympathisch. Marta ist nicht reich, kommt aus einer einfachen Familie, hat was zu verstecken und ist durch etwas, das ich nicht verrate verletzlich. Der Zuschauer wird überrascht sein 😉 Sie ist unsere Identifikationsfigur. Und sollte Harlan sie in seinem Testament berücksichtigt haben, dann ist sie auch noch das, was man als einen Aufsteiger bezeichnet. Und wir lieben doch Aufsteiger-Geschichten, oder? Wenn guten Menschen gute Dinge passieren und Aufrichtigkeit und harte Arbeit belohnt wird.
Allerdings macht sie all das im Film auch erpressbar und voilà: wir haben etwas zum mitfiebern. Denn der Film heißt schließlich Knives out. Und die Familie Thrombey holt wirklich die Messer raus. Jeder versucht sich ein Stück vom Kuchen zu sichern und dem anderen den metaphorische Dolch in den Rücken zu stoßen. Dass Benoit Blanc zwar einerseits clever ist, andererseits für den Zuschauer sehr offensichtlich hinters Licht geführt wird, macht es sehr lustig. Umso mehr, wenn er irgendwo über Löcher im Donut quatscht und selbst den dünnsten Hinweisen mit größter Selbstsicherheit nachgeht. Immer cool. Alleine sein Name ist schon eine gewollte Farce, die aber enorm Spaß macht. 🙂 Ich halte es allerdings für etwas zu dünn um Benoit Blanc zum Protagonisten weiterer Filme zu machen wie jüngst nach dem Erfolg von Knives Out im Gespräch ist. Vor Allem weil eben Marta den Film dominiert.
Natürlich ist das nicht alles. Es wäre kein Krimi, bei dem es um ein Erbe, ein Haus und eine illustre Schar gieriger Verwandter geht, wenn es beim Whodunit-Effekt fehlschlagen würde. Da bereits im zweiten Dritteln eine Aufklärung geliefert wird, war die Gefahr groß, dass der Film danach keine Reize mehr liefert. Aber das löst Regisseur und Drehbuchautor Rian Johnson geschickt mit dem einen oder anderen Twist. Seine Variante von Cluedo wirkt frisch dank des herrlichen Aufbrechens bekannter Muster. Der Detektiv, der ausnahmsweise nicht den Durchblick hat, die potentielle Aufsteigerin, die ihm die Show stiehlt, obwohl sie offenbar nicht für das Lügen und Ermitteln gemacht ist und die herrlich skurrile Schar an zankenden Verwandten mit sehr vielen Marotten – eine gute Mischung. Ebenso wie die Entscheidung die (vielleicht nicht mehr so ganz) Newcomerin Ana de Armas zur Protagonistin in einer Runde voll exzellenter und namhafter Schauspieler zu machen, die hier mal in Nebenrollen glänzen müssen. Eine dankbare Abwechslung und Formel, die Knives Out zu wirklich gutem Unterhaltungskino macht. Die letzte Szene ist Gold!
Knives Out – Mord ist Familiensache (OT: Knives Out), USA, 2019, Rian Johnson, 132 min, (8/10)
Wer sich jetzt fragt, warum „wirklich gutes Unterhaltungskino“ keine 10 von 10 Sternchen bekommt, dem gebe ich noch mit auf den Weg, das „wirklich gutes Unterhaltungskino“ nichts hat, was das Herz oder den Kopf nachhaltig beschäftigt oder auf eine sensationelle Weise gefilmt sein müsste. Und das bräuchte es für mich für eine zehn von zehn. Aber an einer 8 von 10 ist denke ich nichts verkehrt für einen Film, der einen gut amüsiert hat. Jamie Lee Curtis sieht hier übrigens aus wie meine Tante, was außerdem sehr irritierend und witzig war. 🙂 Wie habt ihr „Knives Out“ empfunden? Habt ihr die Auflösung erraten? Spoiler bitte wie immer vermeiden oder unmissverständlich kennzeichnen. Ich hatte während des Schauens 2-3 Theorien, die es dann alle nicht waren. Was auch mal sehr angenehm war.
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