Das Thema würde normalerweise gut zum Valentinstag passen. Aber im Februar sind auch meistens die Oscars und meine Oscar-Edition von ‚7ème art‘ ist für mich schon eine Tradition, da rüttelt nix dran. Daher verlege ich diese Liebesfilm-Werkschau einfach in den Januar. Wobei ‚Liebesfilme‘ für mich immer nach RomComs oder Schmachtfetzen klingt. Und die wenigstens RomComs haben meiner Meinung nach wirklich viel mit Liebe zutun. Manche sind nur Abziehbilder von dem, was sich Filmproduzenten unter einer leichten Komödie mit ansehnlichen Darstellern vorstellen, die hoffentlich viele ins Kino locken. Findet ihr das jetzt zu hart? Stattdessen habe ich mal versucht die Filme hier zu versammeln, die ich für gute Liebesfilme halte. Bei diesen kleinen Werkschauen bemühe ich mich ja immer um Vielfalt. Das heißt in diesem Fall: es ist ein modernes Märchen dabei, ein älterer Klassiker, glückliche und unglückliche Liebe, Liebe zwischen ungleichen Menschen (und Liebe des gleichen Geschlechts) und sogar eine RomCom ist dabei. Was ich aber dieses Mal nicht übers Herz gebracht habe ist ein richtig schlechtes Beispiel aufzuzählen. Das habe ich bei all den guten Vertretern einfach nicht ‚übers Herz gebracht‘ 😉
Harold & Maude (1971)
Harold (Bud Cort) wächst als Spross einer reichen Familie auf. Alles was er sich wünscht wäre ein bisschen Aufmerksamkeit, aber Zuneigung wird hier eher materiell bekundet. Als er beobachtet wie aufgelöst seine Mutter ist, als jemand ihr den vermeintlichen Unfalltod ihres Sohns mitteilt, hat er einen Schlüsselmoment. Tod löst Mitgefühl und Aufmerksamkeit aus. Von da an ist er vom Tod fasziniert. Die Autos, die er von seiner Mutter geschenkt bekommt, baut er zum Leichenwagen um. Er besucht einfach so Beerdigungen und fingiert immer mal seinen eigenen Selbstmord. Da lernt er die 79-Jährige Maude (Ruth Gordon) kennen, die genauso unkonventionell denkt wie er. Die zwei ‚Unangepassten‘ verlieben sich, trotz des Altersunterschiedes. Harold ist 18 Jahre alt.
In Harold und Maude trotzen zwei Unangepasste allen anderen, die ihre Denkweise nicht annehmen oder sich nie Mühe gegeben haben sie zu verstehen. Untermalt vom Soundtrack von Cat Stevens kreiert der herrlich schrullige Film ein bisschen Hippie-Flair und vermittelt Botschaften wie liebe, wen du willst, steh ein für deine Sache, sei anders und letztendlich auch: feiere das Leben, nicht den Tod. Maude, die in ihrem Leben schon viele Male dem Tod begegnet ist und angesichts ihres Alters auch möglicherweise bald selber stirbt, gibt Harold über seine morbide Einstellung zu denken, ohne ihn zu belehren. Für die Gesellschaft der 70er Jahre hingegen war der Film voller Tabuthemen wie beispielsweise Selbstmord und auch die sexuelle Beziehung zwischen Menschen mit einem großen Altersunterschied. Die wird zwar im Film nur angedeutet, aber im nach der Verfilmung erschienenen Buch vom Drehbuchschreiber Colin Higgins nicht. Durch die Beziehung zu Maude lernt Harold letztendlich erst zu schätzen wie schwer Leben und Tod wiegen. Was damals als geschmacklos, morbide und schräg verschrien wurde, ist heute zwischenzeitlich sehr witzig und ein Plädoyer dafür zu sein wie man ist und nicht wie andere einen haben wollen.
Harold & Maude, USA, 1971, Hal Ashby, 91min, (8/10)
Pretty Woman (1990)
Der Archetyp des Liebesfilms? Eine moderne Aschenputtel-Story? Der reiche Lebemann Edward (Richard Gere) trifft die Prostituierte Vivian (Julian Roberts). Anfangs will er eigentlich nur den Weg wissen. Zu dumm, wenn man sich sonst nur chauffieren lässt und dann mal alleine mit dem Auto unterwegs ist und das Ding weder wirklich fahren kann, noch den Weg kennt. Schlau wie sie ist, verlangt sie für die Auskunft Geld. Er nimmt sie kurzerhand mit. Und irgendwie ist Vivian anders als der Ruf, den Prostituierte haben. Sie ist schlagkräftig und intelligent. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und engagiert sie für mehr als eine Woche. Das übliche? Jein. Sex und darüber hinaus begleitet sie ihn zu öffentlichen Anlässen und feinen Gesellschaften. Sie lebt in dieser Woche in Saus und Braus und wird eingekleidet und in den gängigen Umgangsformen unterrichtet. Aber die Vorurteile sind da. So wird sie beispielsweise in einem Laden nicht bedient. Wegen ihrer äußeren Erscheinung wird sie überschnell als Flittchen abgetan. Dass dahinter ein Mensch mit einem guten Herzen steckt, sehen die wenigsten. Dabei wird sie sogar Edward noch verändern. Aber gibt es ein Happy-End? Für eine Prostituierte und einen reichen, manchmal sehr eisigen Investor, der das Leben nie kennengelernt hat, wenn am Ende des Geldes noch soviel vom Monat übrig ist? Der Menschen nach Wert und Nutzen abwägt?
Pretty Woman ist so ein Film, der nie alt wird. Aus dem einfachen Grund, weil er nicht nur von einer Liebesgeschichte handelt, die den Märchen-Touch hat. Reicher Mann lernt armes Mädchen kennen und es gibt (vielleicht) ein Happy-End. Eine weitere Aschenputtel-Variante. Pretty Woman kann mehr, weil es um Vorurteile geht. Als die feinen Pinkel Vivian kennenlernen, sind sie alle von ihr hin- und hergerissen. Aber wehe dem jemand erfährt, was ihre wirkliche Beschäftigung ist. Oder andersrum: eine meiner Lieblingsszenen ist die, in der die schick eingekleidete Vivian in diesen einen Laden geht und den Verkäuferinnen verbal eine klatscht. Unbezahlbar als sie bemerken, dass die Lady ein- und dieselbe Frau ist wie die, die sie neulich quasi aus dem Laden geschmissen haben. Der Wunsch aufzusteigen, sich keine Gedanken um die monatlichen Rechnungen machen zu müssen trifft auf diejenigen, die ihre Rechnungen von anderen bezahlen lassen. Gesellschaftliche Konventionen, ein Hauch Emanzipation, Stereotypen und Vorurteile – all das wird verpackt in eine Liebesgeschichte, die eben nach Märchen klingt. Dabei würde ich fast behaupten solche Filme, die von allem etwas haben, werden heute nur noch ganz selten gemacht und viele Versuche schlagen fehl. Und ich muss trotzdem oder gerade deswegen sagen: ich bin sehr dankbar dafür, dass die Darsteller, allen voran Julia Roberts, Pretty Woman 2 abgelehnt haben. Stattdessen sahen sich die Darsteller einige Jahre später in Die Braut die sich nicht traut wieder. Ebenfalls ein Film von Garry Marshall, der scheinbar allgemein ein Gespür für RomComs hat (Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser, Plötzlich Prinzessin). Und der fiel dann schon um einiges konventioneller aus.
Pretty Woman, USA, 1990, Garry Marshall, 119min, (8/10)
Brokeback Mountain (2005)
Der mehrfach oscar-prämierte Film von Ang Lee basiert auf einer Kurzgeschichte von Annie Proulx und erzählt die Geschichte der zwei Cowboys Ennis del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) im Amerika der 60er Jahre. Sie nehmen beide den Job an über mehrere Monate auf dem Brokeback Mountain Schafe zu hüten. Der wortkarge Ennis und der aufgeweckte Jack reden anfangs nur das nötigste, werden aber bald Freunde und fühlen sich zueinander hingezogen. Eines Abends haben sie Sex. Sie beteuern zwar beide ’nicht so Einer zu sein‘, aber sie wiederholen es trotzdem und inbesondere für Ennis scheint das Ende der gemeinsamen Zeit auf dem Brokeback Mountain schmerzvoll zu sein. Von da an verfolgt der Zuschauer die Beziehung der Beiden über einen Zeitraum von 20 Jahren, in denen sie Frauen heiraten, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen und sich nur sporadisch sehen und verstecken müssen.
Wie sehr verbauen sich zwei ihr Leben, weil sie die Gesellschaft dazu zwingt? Heutzutage kann man die Angst kaum verstehen, die Ennis und Jack dazu bringt. Ennis Furcht fußt beispielsweise auf einem Erlebnis aus seiner Kindheit, in dem ein Mann grausam zugerichtet und ermordet wurde, weil er homosexuell war. Hinzu kommt das Motiv des starken, amerikanischen Cowboys, der natürlich nicht schwul sein kann. Das wurde im prüden Amerika zur damaligen Zeit noch als eine moralische und sexuelle Perversion angesehen. Wobei das Schlagwort ’schwule Cowboys‘ selbst zu Veröffentlichung des Films in den 2000ern reichlich für Trubel gesorgt hat. Die Definition was männlich ist und was nicht, scheint in Stein gemeißelt zu sein und kehrt mehrfach wieder. Sich im eigenen Haushalt und vor der eigenen Frau und überhaupt vor der Gesellschaft als der zu behaupten, der sagt wo es langgeht. Ennis und Jack können lediglich einem Menschen gegenüber so sein wie sie eigentlich sind. Das macht Brokeback Mountain zu einer der schönsten, aber auch traurigsten Liebesgeschichten. So ganz aus der Welt ist das Thema Homophobie aber scheinbar immer noch nicht. Das italienische Fernsehen zeigte eine zensierte Version, in der die angedeuteten Sexszenen und Kussszenen zwischen Ennis und Jack fehlten. Während andernorts regelrecht gehypt wurde, dass zwei gutaussehende, aufstrebende Schauspieler wie Heath Ledger und Jake Gyllenhaal die Cowboys verkörpern. Handwerklich ist der Film ein stilles Drama, dass auf ganzer Linie überzeugt, wenn man mit so ruhigen dialogarmen Filmen umgehen kann. Vieles bleibt unausgesprochen, wird aber großartig von Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, sowie ihren ‚Filmfrauen‘ Anne Hathaway und Michelle Williams transportiert. Die Landschaftsaufnahmen von kargen Flecken der USA werden fast zur Metapher für das Leben wie Ennis und Jack es meistens führen im Kontrast zu den reichen, grünen, frischen Landschaften am Brokeback, die förmlich sagen „Du kannst aufatmen, hier bist du frei“. Und die Krönung ist dann noch der Soundtrack des Argentiniers Gustavo Santaolalla (Babel, The Last of Us), dessen Main Themes ich noch heute im Hinterkopf habe.
Brokeback Mountain, USA/Kanada, 2005, Ang Lee, 134min, (9/10)
Selbst ist die Braut (2009)
Die Lektorin Margaret Tate (Sandra Bullock) ist eine tyrannische Karrierefrau mit hohen Ansprüchen. Wenn sie ins Büro kommt, warnen sich die Kollegen gegenseitig mit den Worten Die Hexe ist im Anflug. Am schlimmsten dran ist ihr Assistent Andrew Paxton (Ryan Reynolds), der quasi in der ersten Reihe sitzt und alle Wut und Spitzfindigkeiten abbekommt. Aber die Vorschriften und Gesetze machen auch vor einer Margaret Tate nicht halt. Sie ist gebürtige Kanadierin und vergisst ihr Visum verlängern zu lassen. Als die Abschiebung droht, gibt es nur noch einen Ausweg: heiraten. So schnell wie möglich. Und wer kommt gerade zur rechten Zeit in den Raum? Andrew. Die beiden schließen einen Pakt und Andrew nutzt Margarets Lage, um ihre Fiesheiten zurückzuzahlen oder an sich abprallen zu lassen. Als erste Amtshandlung nach dem überaus liebevollen Antrag darf sie seine Familie bei einem langen Wochenende in seiner Heimat in Alaska kennenlernen. Und die Scharade beginnt.
Obwohl sich die Geschichte anfangs recht kalt aufbaut und ohne die RomCom-typischen großen Liebesszenen auskommt, ist die Chemie zwischen Sandra Bullock und Ryan Reynolds großartig und überaus witzig, vielleicht sogar das große Plus des Films. Schön wie die beiden rumgranteln können. 🙂 Es gibt da so einige Szenen, die werde ich wohl nie vergessen wie beispielsweise die fast-Opferung des Kevin, das Chanten im Wald oder den Antrag. Wenn das alles so toll ist, warum dann die niedrige Bewertung? Weil manche Witze und Schwächen des Drehbuchs nicht besser werden beim mehrmaligen Schauen. Auch der Witz, dass sich die Hauptcharaktere zufällig splitterfasernackt über den Weg laufen, ist alt (Was das Herz begehrt). Somit unterliegt auch Selbst ist die Braut (der im Original übrigens The Proposal heißt) dem, was ich üblicherweise an RomComs schwach finde: der eine oder andere Flachwitz und auch das Habe-ich-schon-Mal-woanders-gesehen. Obwohl ich den Filme sehr sehr mag und schon oft gesehen habe, muss ich das wohl schweren Herzens zugeben. Dafür ist es schön zu sehen wie das Bild von Andrew sich vor Margarets Augen aufbaut und sie sich ein kleines bisschen in das Gefühl verliebt Andrew und auch wieder eine Familie zu haben. Genauso wie es Spaß macht zu sehen wie Margaret als eiserne Karrierefrau demontiert wird bis man den Menschen dahinter sieht. Sie bekommt sogar zwischendurch Skrupel. Auch wenn der Film manchmal etwas naiv ist und eine Prise Fremdschämen (Stichwort Wie habt ihr euch kennengelernt?) für den Zuschauer bereithält, ist das Spiel aller Charaktere toll und die Handlung und der Witz charmant und herzerwärmend. Ein schöner Film zum Kopfabschalten über das professionelle Äußere, die Menschen dahinter und falschen Stolz.
Selbst ist die Braut, USA, 2009, Anne Fletcher, 107min, (7/10)
Lunchbox (2013)
Dabbawala sind Zusteller in Indien, die die Lunchbox eines Angestellten zuhause abholen und in sein Büro bringen, anschließend die leere Lunchbox wieder zuhause abliefern. Das System gilt als eines der zuverlässigsten, obwohl man meinen könnte es müsse häufig zu Verwechslungen kommen, wenn die Dabbawala die alle gleich aussehenden Boxen an Haustüren einsammeln, mit dem Fahrrad und mit Tragegestellen in einen Zug verfrachten usw. In diesem Film erreicht tatsächlich einen anderen die Lunchbox. Ila (Nimrat Kaur) kocht jeden Tag Essen für ihren Mann, der sich kaum noch mit ihr auseinandersetzt. Sie weiß, dass er eine Affäre hat. Ihre Ehe ist quasi zum Erliegen gekommen. Es ist ihm sowieso vollkommen egal, dass sie für ihn kocht. Aber Ila versucht immer noch eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Sei es durch essen. So bekommt eines Tages durch einen Zufall der kühle und wortkarge Saajan (Irrfan Khan) die Lunchbox. Und Ila bekommt das erste mal seit langem eine leere Lunchbox zurück. Sie legt der nächsten einen Brief bei und bekommt eine Antwort.
Lunchbox ist quasi die Geschichte zweier gescheiterter Liebesgeschichten. Vielleicht, aber nur vielleicht, finden diejenigen, die die Liebe zurückgelassen hat ein neues Glück. Für Ila geht Liebe und Leidenschaft durch den Magen, aber ihr Mann versucht es nicht einmal mehr. Saajan ist Witwer und ohne seine Frau scheint er selber auch nicht mehr zu leben. Erst das Essen und der Briefwechsel mit Ila wecken seine Lebensfreude. Stellt sich nur die Frage, ob die beiden auch den Mut haben sich zu treffen oder einen Schlussstrich unter ihr eigenes Unglück zu setzen? Ritesh Batras Film ist melancholisch und gleichzeitig sinnlich – geht das? Ja! Der bekannteste Vertreter dafür ist wohl In the Mood for Love, in dem man in ähnlich atmosphärischen Bildern als Zuschauer der Angst ausgesetzt ist, ob die Figuren den Mut aufbringen ihr Leben zu ändern. Irrfan Khan (Darjeeling Limited, Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger) und Nimrat Kaur (Homeland) spielen nuanciert und obwohl sie nicht viel tun müssen, wissen wir, was sich ihn ihnen abspielt. Ein wirksamer Minimalismus, den ich immer sehr schätze. Für Auflockerung sorgen Ilas Gespräche mit der viel älteren Nachbarin „Auntie“ (Bharati Achrekar) durch den Abluftschacht. Lunchbox spielt in einem nur allzu realistischen Szenario. Wir sehen wie sich die Angestellten Tag für Tag in überfüllte Busse oder Züge zwängen und die Dabbawala viele Lunchboxen auf ihrem Rücken tragen. Wir sehen wie Ila in der Küche steht und schwitzt und wir riechen quasi die Gewürze und schmecken die Schärfe, wenn sie ihre Currys kocht und damit alle Sinne anspricht. Fabelhaft für Fans des ruhigen, sinnlichen Films.
Lunchbox, Indien/Deutschland/Frankreich, 2013, Ritesh Batra, 105min, (9/10)
Don Jon (2013)
„My body, my pad, my ride, my family, my church, my boys, my girls, my porn.“ Das ist es was für Jon Martello Jr. (Joseph Gordon-Levitt), genannt Don Jon, zählt. Er treibt Sport, sieht gerne gut aus, reißt gerne Frauen auf, kümmert sich penibel um seine Wohnung. Hat er was zu beichten, dann beichtet er es beim nächsten Kirchenbesuch – läuft. Über sein Sexualleben kann er sich auch nicht beschweren. Naja. Fast. Die Fantasien, die ihm in Pornos vorgelebt werden, sind irgendwie immer ein bisschen besser als die Realität. In der Disco lernt er Barbara (Scarlett Johansson) kennen und will sie wie er schon lange keine mehr wollte. Die gibt sich anfangs als schwer zu haben. Er soll was aus sich machen, zur Abendschule gehen, keine Pornos mehr schauen … Moment. Keine Pornos mehr? Das wird schwierig, denn man kann sagen, dass er süchtig ist.
Da sich alle Beteiligten nicht zu ernst nehmen, macht der Film ziemlich Spaß. Die Verwandlung von einem meiner Lieblingsschauspieler Joseph Gordon-Levitt zum Macho-Proll mit wenig Tiefgang zu beobachten hat allerdings ein bisschen weh getan. Dass Scarlett Johansson ihr Image als die Überfrau, den Traum vieler Männer, persifliert und dabei ein realtiv seelenloses, gelangweiltes, kaugummikauendes Etwas spielt ist zu witzig. Und dann heißt sie auch noch Barbara ‚Sugarman‚. Genauso seelenlos wie die Pornos, die Don Jon für die absolute Erfüllung hält und immer denkt, dass so, ja genauso, der realweltliche Sex sein müsse. Damit prangert der Film an, dass wir was uns Filme und Medien vorgeben für die Realität halten oder alles damit vergleichen. So kann das echte Leben natürlich schwer an das rankommen, was uns die bunten Bildchen vermitteln. In der Abendschule lernt er die locker eingestellte Esther (Julianne Moore) kennen, die einige Jahre älter ist und viel erlebt hat. Mit ihr setzt dann langsam Don Jons Lernkurve ein. Trotz der Leistung von Joseph Gordon-Levitt, Scarlett Johansson und Tony Danza als Jons Vater, die sich reichlich selbst auf die Schippe nehmen und der vereinnahmenden Darstellung von Esther durch Julianne Moore bleibt Gordon-Levitts Regiedebüt durch das banale Thema etwas platt. Hauptschuld tragen daran wahrscheinlich die ziemlich einfachen Charaktere, die aber auch so gar nicht über den Tellerrand schauen. Da lacht man zwei, drei Mal, aber dann langts auch schon wieder. Überrascht war ich hingegen von der Aussage des Films, die plötzlich die Variable ‚Liebe‘ ins Spiel bringt, etwas das Jon so bisher nicht kannte und das seine Einstellung zu Sex vielleicht auch ändert.
Don Jon, USA, 2013, Joseph Gordon-Levitt, 90min, (6/10)
Her (2013)
Man verliebt sich in Maschine. Das ist nicht ganz richtig. Besser gesagt: Mann verliebt sich in Betriebssystem, also Software. Damit wäre das, was Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) widerfährt, vielleicht noch schwerer greifbar. Theodore ist eine Art Ghostwriter für Briefe zu allen Anlässen. Ob Hochzeitstag oder Liebesbrief — er ist ein sehr empathischer Mensch und seine Werke sind eine Kunst für sich. Trotz oder gerade wegen seines Einfühlungsvermögens ist er furchtbar einsam und sein Alltag wirkt grau. Die Trennung von seiner Frau nagt an ihm. Eines Tages beschließt er sich das neue Betriebssystem OS One zuzulegen, das sich an den Nutzer anpasst und personalisieren lässt und als Künstliche Intelligenz beworben wird. Sein Betriebssystem nennt sich selbst Samantha. Beide kommunizieren oft über sein Headset, ein Handheld-Device oder den PC — sie ist immer da. Und trotz Theodores anfänglicher Angewöhnungsschwierigkeiten wird Samantha für ihn bald ein wichtiger Ankerpunkt. Ist die Beziehung der Beiden überhaupt möglich und wo führt das hin? Gibt es eine Zukunft für einen Mann aus Fleisch und Blut mit einer virtuellen, körperlosen Entität?
Spike Jonze hat mit Her u.a. den für das beste Originaldrehbuch Oscar gewonnen. Heißt: nicht nur die Inszenierung geht auf sein Konto, sondern auch die sehr interessante und schonungslos konsequent durchgesetzte Handlung. Er behandelt nicht nur alle denkbaren Konzepte dieser hoch-technisierten Zukunft, er erschafft sogar eine optisch bis ins letzte Detail durchgestylte Welt. In den Straßen gibt es wunderbare Einigkeit und keine Abweichungen irgendeiner Art. Keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, keine Obdachlosen, ja nicht einmal etwas Müll ziert die Straßen. IT und Infrastruktur fügen sich nahtlos in den Alltag ein und überall setzen sich kleine künstlerische Details in der Umgebung ab. Die Mode wird charakterisiert von kleinen Details wie einem Hosenbund, wallenden, leichten Stoffen — locker, causal. Alles ist ruhig und harmonisch. So, dass man sich fast fragen muss, warum irgendjemand dort unglücklich sein könnte? Aber anhand Theodore wird wunderbar die Anonymität und Geschäftigkeit dieser Welt skizziert und man denkt: ist das ein denkbares near-future-setting? Theodores Melancholie, Samanthas im Original und in der Synchro wunderbar warme Stimme und vor Allem das Drehbuch sind Stoff, der im Kino überzeugt und auch noch lange danach. So manches Zitat ging mir nicht aus dem Kopf – „The heart is not like a box that gets filled up; it expands in size the more you love. I’m different from you. This doesn’t make me love you any less. It actually makes me love you more.“ Das Gesamtpaket des Films weist damit eine gewisse Schonungslosigkeit auf, wenn wir zum Beispiel bei schwarzem Bildschirm im Kino akustisch Zeuge vom Sex zwischen Man und Software sind. Richtig gelesen: das Thema Sex und körperliche Erfüllung wird nicht ausgespart. Dabei ist Joaquin Phoenix im Prinzip fast der einzige Darsteller und alle anderen haben nur sehr kleine Nebenrollen — es wirkt wie eine One-Man-Show, undzwar eine sehr gute. Man wird unweigerlich in die Welt hineingezogenen, reizt zusammen mit Theodore und Samantha die Grenzen der Beziehung aus, sich immer wieder fragend „kann das gutgehen?“ Somit habe ich mich keine Minute gelangweilt, denke aber, dass es nicht geschadet hätte, sich nicht nur auf Theodores kleine Welt zu konzentrieren, sondern auch einen Blick auf andere Menschen außer seine Nachbarin zu werfen. Deswegen gibts etwas Abzug.
Her, USA, 2013, Spike Jonze, 126min, (9/10)
Jetzt seid ihr dran: was macht für euch einen Liebesfilm aus? Was sind eure liebsten Filme über Liebe? Und wie ist eure Meinung zu den hier aufgeführten? Es ist mir echt schwer gefallen mich hier auf sieben zu beschränken, aber so wollen es ja meine Werkschau-Regeln. Ein paar Honourable Mentions kann ich mir nicht verkneifen: ‚The First Time‘ ist beispielsweise ein herrlich natürlicher Film über den sozialen Zwang des ersten Mals und wie man es nicht macht mit Dylan O’Brien. The Secretary ist ein grandioser Film über andere Formen der Anziehung und Erregung (und der bessere ’50 Shades of Grey‘), aber irgendwie hat Don Jon den hier aus meiner Werkschau rausgeschmissen. My Blueberry Nights und Blue Valentine sind wunderschöne, melancholische und schmerzvoll-realistische Filme über gescheiterte Liebe. Es gibt einige da draußen, die einen nicht kalt lassen.
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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