7ème art: Filme über die Liebe

Das Thema würde normalerweise gut zum Valentinstag passen. Aber im Februar sind auch meistens die Oscars und meine Oscar-Edition von ‚7ème art‘ ist für mich schon eine Tradition, da rüttelt nix dran. Daher verlege ich diese Liebesfilm-Werkschau einfach in den Januar. Wobei ‚Liebesfilme‘ für mich immer nach RomComs oder Schmachtfetzen klingt. Und die wenigstens RomComs haben meiner Meinung nach wirklich viel mit Liebe zutun. Manche sind nur Abziehbilder von dem, was sich Filmproduzenten unter einer leichten Komödie mit ansehnlichen Darstellern vorstellen, die hoffentlich viele ins Kino locken. Findet ihr das jetzt zu hart? Stattdessen habe ich mal versucht die Filme hier zu versammeln, die ich für gute Liebesfilme halte. Bei diesen kleinen Werkschauen bemühe ich mich ja immer um Vielfalt. Das heißt in diesem Fall: es ist ein modernes Märchen dabei, ein älterer Klassiker, glückliche und unglückliche Liebe, Liebe zwischen ungleichen Menschen (und Liebe des gleichen Geschlechts) und sogar eine RomCom ist dabei. Was ich aber dieses Mal nicht übers Herz gebracht habe ist ein richtig schlechtes Beispiel aufzuzählen. Das habe ich bei all den guten Vertretern einfach nicht ‚übers Herz gebracht‘ 😉

Harold & Maude (1971)

Harold (Bud Cort) wächst als Spross einer reichen Familie auf. Alles was er sich wünscht wäre ein bisschen Aufmerksamkeit, aber Zuneigung wird hier eher materiell bekundet. Als er beobachtet wie aufgelöst seine Mutter ist, als jemand ihr den vermeintlichen Unfalltod ihres Sohns mitteilt, hat er einen Schlüsselmoment. Tod löst Mitgefühl und Aufmerksamkeit aus. Von da an ist er vom Tod fasziniert. Die Autos, die er von seiner Mutter geschenkt bekommt, baut er zum Leichenwagen um. Er besucht einfach so Beerdigungen und fingiert immer mal seinen eigenen Selbstmord. Da lernt er die 79-Jährige Maude (Ruth Gordon) kennen, die genauso unkonventionell denkt wie er. Die zwei ‚Unangepassten‘ verlieben sich, trotz des Altersunterschiedes. Harold ist 18 Jahre alt.

In Harold und Maude trotzen zwei Unangepasste allen anderen, die ihre Denkweise nicht annehmen oder sich nie Mühe gegeben haben sie zu verstehen. Untermalt vom Soundtrack von Cat Stevens kreiert der herrlich schrullige Film ein bisschen Hippie-Flair und vermittelt Botschaften wie liebe, wen du willst, steh ein für deine Sache, sei anders und letztendlich auch: feiere das Leben, nicht den Tod. Maude, die in ihrem Leben schon viele Male dem Tod begegnet ist und angesichts ihres Alters auch möglicherweise bald selber stirbt, gibt Harold über seine morbide Einstellung zu denken, ohne ihn zu belehren. Für die Gesellschaft der 70er Jahre hingegen war der Film voller Tabuthemen wie beispielsweise Selbstmord und auch die sexuelle Beziehung zwischen Menschen mit einem großen Altersunterschied. Die wird zwar im Film nur angedeutet, aber im nach der Verfilmung erschienenen Buch vom Drehbuchschreiber Colin Higgins nicht. Durch die Beziehung zu Maude lernt Harold letztendlich erst zu schätzen wie schwer Leben und Tod wiegen. Was damals als geschmacklos, morbide und schräg verschrien wurde, ist heute zwischenzeitlich sehr witzig und ein Plädoyer dafür zu sein wie man ist und nicht wie andere einen haben wollen.

Harold & Maude, USA, 1971, Hal Ashby, 91min, (8/10)

Sternchen-8

Pretty Woman (1990)

Der Archetyp des Liebesfilms? Eine moderne Aschenputtel-Story? Der reiche Lebemann Edward (Richard Gere) trifft die Prostituierte Vivian (Julian Roberts). Anfangs will er eigentlich nur den Weg wissen. Zu dumm, wenn man sich sonst nur chauffieren lässt und dann mal alleine mit dem Auto unterwegs ist und das Ding weder wirklich fahren kann, noch den Weg kennt. Schlau wie sie ist, verlangt sie für die Auskunft Geld. Er nimmt sie kurzerhand mit. Und irgendwie ist Vivian anders als der Ruf, den Prostituierte haben. Sie ist schlagkräftig und intelligent. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und engagiert sie für mehr als eine Woche. Das übliche? Jein. Sex und darüber hinaus begleitet sie ihn zu öffentlichen Anlässen und feinen Gesellschaften. Sie lebt in dieser Woche in Saus und Braus und wird eingekleidet und in den gängigen Umgangsformen unterrichtet. Aber die Vorurteile sind da. So wird sie beispielsweise in einem Laden nicht bedient. Wegen ihrer äußeren Erscheinung wird sie überschnell als Flittchen abgetan. Dass dahinter ein Mensch mit einem guten Herzen steckt, sehen die wenigsten. Dabei wird sie sogar Edward noch verändern. Aber gibt es ein Happy-End? Für eine Prostituierte und einen reichen, manchmal sehr eisigen Investor, der das Leben nie kennengelernt hat, wenn am Ende des Geldes noch soviel vom Monat übrig ist? Der Menschen nach Wert und Nutzen abwägt?

Pretty Woman ist so ein Film, der nie alt wird. Aus dem einfachen Grund, weil er nicht nur von einer Liebesgeschichte handelt, die den Märchen-Touch hat. Reicher Mann lernt armes Mädchen kennen und es gibt (vielleicht) ein Happy-End. Eine weitere Aschenputtel-Variante. Pretty Woman kann mehr, weil es um Vorurteile geht. Als die feinen Pinkel Vivian kennenlernen, sind sie alle von ihr hin- und hergerissen. Aber wehe dem jemand erfährt, was ihre wirkliche Beschäftigung ist. Oder andersrum: eine meiner Lieblingsszenen ist die, in der die schick eingekleidete Vivian in diesen einen Laden geht und den Verkäuferinnen verbal eine klatscht. Unbezahlbar als sie bemerken, dass die Lady ein- und dieselbe Frau ist wie die, die sie neulich quasi aus dem Laden geschmissen haben. Der Wunsch aufzusteigen, sich keine Gedanken um die monatlichen Rechnungen machen zu müssen trifft auf diejenigen, die ihre Rechnungen von anderen bezahlen lassen. Gesellschaftliche Konventionen, ein Hauch Emanzipation, Stereotypen und Vorurteile – all das wird verpackt in eine Liebesgeschichte, die eben nach Märchen klingt. Dabei würde ich fast behaupten solche Filme, die von allem etwas haben, werden heute nur noch ganz selten gemacht und viele Versuche schlagen fehl. Und ich muss trotzdem oder gerade deswegen sagen: ich bin sehr dankbar dafür, dass die Darsteller, allen voran Julia Roberts, Pretty Woman 2 abgelehnt haben. Stattdessen sahen sich die Darsteller einige Jahre später in Die Braut die sich nicht traut wieder. Ebenfalls ein Film von Garry Marshall, der scheinbar allgemein ein Gespür für RomComs hat (Overboard – Ein Goldfisch fällt ins Wasser, Plötzlich Prinzessin). Und der fiel dann schon um einiges konventioneller aus.

Pretty Woman, USA, 1990, Garry Marshall, 119min, (8/10)

Sternchen-8

Brokeback Mountain (2005)

Der mehrfach oscar-prämierte Film von Ang Lee basiert auf einer Kurzgeschichte von Annie Proulx und erzählt die Geschichte der zwei Cowboys Ennis del Mar (Heath Ledger) und Jack Twist (Jake Gyllenhaal) im Amerika der 60er Jahre. Sie nehmen beide den Job an über mehrere Monate auf dem Brokeback Mountain Schafe zu hüten. Der wortkarge Ennis und der aufgeweckte Jack reden anfangs nur das nötigste, werden aber bald Freunde und fühlen sich zueinander hingezogen. Eines Abends haben sie Sex. Sie beteuern zwar beide ’nicht so Einer zu sein‘, aber sie wiederholen es trotzdem und inbesondere für Ennis scheint das Ende der gemeinsamen Zeit auf dem Brokeback Mountain schmerzvoll zu sein. Von da an verfolgt der Zuschauer die Beziehung der Beiden über einen Zeitraum von 20 Jahren, in denen sie Frauen heiraten, um den gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen und sich nur sporadisch sehen und verstecken müssen.

Wie sehr verbauen sich zwei ihr Leben, weil sie die Gesellschaft dazu zwingt? Heutzutage kann man die Angst kaum verstehen, die Ennis und Jack dazu bringt. Ennis Furcht fußt beispielsweise auf einem Erlebnis aus seiner Kindheit, in dem ein Mann grausam zugerichtet und ermordet wurde, weil er homosexuell war. Hinzu kommt das Motiv des starken, amerikanischen Cowboys, der natürlich nicht schwul sein kann. Das wurde im prüden Amerika zur damaligen Zeit noch als eine moralische und sexuelle Perversion angesehen. Wobei das Schlagwort ’schwule Cowboys‘ selbst zu Veröffentlichung des Films in den 2000ern reichlich für Trubel gesorgt hat. Die Definition was männlich ist und was nicht, scheint in Stein gemeißelt zu sein und kehrt mehrfach wieder. Sich im eigenen Haushalt und vor der eigenen Frau und überhaupt vor der Gesellschaft als der zu behaupten, der sagt wo es langgeht. Ennis und Jack können lediglich einem Menschen gegenüber so sein wie sie eigentlich sind. Das macht Brokeback Mountain zu einer der schönsten, aber auch traurigsten Liebesgeschichten. So ganz aus der Welt ist das Thema Homophobie aber scheinbar immer noch nicht. Das italienische Fernsehen zeigte eine zensierte Version, in der die angedeuteten Sexszenen und Kussszenen zwischen Ennis und Jack fehlten. Während andernorts regelrecht gehypt wurde, dass zwei gutaussehende, aufstrebende Schauspieler wie Heath Ledger und Jake Gyllenhaal die Cowboys verkörpern. Handwerklich ist der Film ein stilles Drama, dass auf ganzer Linie überzeugt, wenn man mit so ruhigen dialogarmen Filmen umgehen kann. Vieles bleibt unausgesprochen, wird aber großartig von Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, sowie ihren ‚Filmfrauen‘ Anne Hathaway und Michelle Williams transportiert. Die Landschaftsaufnahmen von kargen Flecken der USA werden fast zur Metapher für das Leben wie Ennis und Jack es meistens führen im Kontrast zu den reichen, grünen, frischen Landschaften am Brokeback, die förmlich sagen „Du kannst aufatmen, hier bist du frei“. Und die Krönung ist dann noch der Soundtrack des Argentiniers Gustavo Santaolalla (Babel, The Last of Us), dessen Main Themes ich noch heute im Hinterkopf habe.

Brokeback Mountain, USA/Kanada, 2005, Ang Lee, 134min, (9/10)

Sternchen-9

Selbst ist die Braut (2009)

Die Lektorin Margaret Tate (Sandra Bullock) ist eine tyrannische Karrierefrau mit hohen Ansprüchen. Wenn sie ins Büro kommt, warnen sich die Kollegen gegenseitig mit den Worten Die Hexe ist im Anflug. Am schlimmsten dran ist ihr Assistent Andrew Paxton (Ryan Reynolds), der quasi in der ersten Reihe sitzt und alle Wut und Spitzfindigkeiten abbekommt. Aber die Vorschriften und Gesetze machen auch vor einer Margaret Tate nicht halt. Sie ist gebürtige Kanadierin und vergisst ihr Visum verlängern zu lassen. Als die Abschiebung droht, gibt es nur noch einen Ausweg: heiraten. So schnell wie möglich. Und wer kommt gerade zur rechten Zeit in den Raum? Andrew. Die beiden schließen einen Pakt und Andrew nutzt Margarets Lage, um ihre Fiesheiten zurückzuzahlen oder an sich abprallen zu lassen. Als erste Amtshandlung nach dem überaus liebevollen Antrag darf sie seine Familie bei einem langen Wochenende in seiner Heimat in Alaska kennenlernen. Und die Scharade beginnt.

Obwohl sich die Geschichte anfangs recht kalt aufbaut und ohne die RomCom-typischen großen Liebesszenen auskommt, ist die Chemie zwischen Sandra Bullock und Ryan Reynolds großartig und überaus witzig, vielleicht sogar das große Plus des Films. Schön wie die beiden rumgranteln können. 🙂 Es gibt da so einige Szenen, die werde ich wohl nie vergessen wie beispielsweise die fast-Opferung des Kevin, das Chanten im Wald oder den Antrag. Wenn das alles so toll ist, warum dann die niedrige Bewertung? Weil manche Witze und Schwächen des Drehbuchs nicht besser werden beim mehrmaligen Schauen. Auch der Witz, dass sich die Hauptcharaktere zufällig splitterfasernackt über den Weg laufen, ist alt (Was das Herz begehrt). Somit unterliegt auch Selbst ist die Braut (der im Original übrigens The Proposal heißt) dem, was ich üblicherweise an RomComs schwach finde: der eine oder andere Flachwitz und auch das Habe-ich-schon-Mal-woanders-gesehen. Obwohl ich den Filme sehr sehr mag und schon oft gesehen habe, muss ich das wohl schweren Herzens zugeben. Dafür ist es schön zu sehen wie das Bild von Andrew sich vor Margarets Augen aufbaut und sie sich ein kleines bisschen in das Gefühl verliebt Andrew und auch wieder eine Familie zu haben. Genauso wie es Spaß macht zu sehen wie Margaret als eiserne Karrierefrau demontiert wird bis man den Menschen dahinter sieht. Sie bekommt sogar zwischendurch Skrupel. Auch wenn der Film manchmal etwas naiv ist und eine Prise Fremdschämen (Stichwort Wie habt ihr euch kennengelernt?) für den Zuschauer bereithält, ist das Spiel aller Charaktere toll und die Handlung und der Witz charmant und herzerwärmend. Ein schöner Film zum Kopfabschalten über das professionelle Äußere, die Menschen dahinter und falschen Stolz.

Selbst ist die Braut, USA, 2009, Anne Fletcher, 107min, (7/10)

Sternchen-7

Lunchbox (2013)

Dabbawala sind Zusteller in Indien, die die Lunchbox eines Angestellten zuhause abholen und in sein Büro bringen, anschließend die leere Lunchbox wieder zuhause abliefern. Das System gilt als eines der zuverlässigsten, obwohl man meinen könnte es müsse häufig zu Verwechslungen kommen, wenn die Dabbawala die alle gleich aussehenden Boxen an Haustüren einsammeln, mit dem Fahrrad und mit Tragegestellen in einen Zug verfrachten usw. In diesem Film erreicht tatsächlich einen anderen die Lunchbox. Ila (Nimrat Kaur) kocht jeden Tag Essen für ihren Mann, der sich kaum noch mit ihr auseinandersetzt. Sie weiß, dass er eine Affäre hat. Ihre Ehe ist quasi zum Erliegen gekommen. Es ist ihm sowieso vollkommen egal, dass sie für ihn kocht. Aber Ila versucht immer noch eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Sei es durch essen. So bekommt eines Tages durch einen Zufall der kühle und wortkarge Saajan (Irrfan Khan) die Lunchbox. Und Ila bekommt das erste mal seit langem eine leere Lunchbox zurück. Sie legt der nächsten einen Brief bei und bekommt eine Antwort.

Lunchbox ist quasi die Geschichte zweier gescheiterter Liebesgeschichten. Vielleicht, aber nur vielleicht, finden diejenigen, die die Liebe zurückgelassen hat ein neues Glück. Für Ila geht Liebe und Leidenschaft durch den Magen, aber ihr Mann versucht es nicht einmal mehr. Saajan ist Witwer und ohne seine Frau scheint er selber auch nicht mehr zu leben. Erst das Essen und der Briefwechsel mit Ila wecken seine Lebensfreude. Stellt sich nur die Frage, ob die beiden auch den Mut haben sich zu treffen oder einen Schlussstrich unter ihr eigenes Unglück zu setzen? Ritesh Batras Film ist melancholisch und gleichzeitig sinnlich – geht das? Ja! Der bekannteste Vertreter dafür ist wohl In the Mood for Love, in dem man in ähnlich atmosphärischen Bildern als Zuschauer der Angst ausgesetzt ist, ob die Figuren den Mut aufbringen ihr Leben zu ändern. Irrfan Khan (Darjeeling Limited, Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger) und Nimrat Kaur (Homeland) spielen nuanciert und obwohl sie nicht viel tun müssen, wissen wir, was sich ihn ihnen abspielt. Ein wirksamer Minimalismus, den ich immer sehr schätze. Für Auflockerung sorgen Ilas Gespräche mit der viel älteren Nachbarin „Auntie“ (Bharati Achrekar) durch den Abluftschacht. Lunchbox spielt in einem nur allzu realistischen Szenario. Wir sehen wie sich die Angestellten Tag für Tag in überfüllte Busse oder Züge zwängen und die Dabbawala viele Lunchboxen auf ihrem Rücken tragen. Wir sehen wie Ila in der Küche steht und schwitzt und wir riechen quasi die Gewürze und schmecken die Schärfe, wenn sie ihre Currys kocht und damit alle Sinne anspricht. Fabelhaft für Fans des ruhigen, sinnlichen Films.

Lunchbox, Indien/Deutschland/Frankreich, 2013, Ritesh Batra, 105min, (9/10)

Sternchen-9

Don Jon (2013)

„My body, my pad, my ride, my family, my church, my boys, my girls, my porn.“ Das ist es was für Jon Martello Jr. (Joseph Gordon-Levitt), genannt Don Jon, zählt. Er treibt Sport, sieht gerne gut aus, reißt gerne Frauen auf, kümmert sich penibel um seine Wohnung. Hat er was zu beichten, dann beichtet er es beim nächsten Kirchenbesuch – läuft. Über sein Sexualleben kann er sich auch nicht beschweren. Naja. Fast. Die Fantasien, die ihm in Pornos vorgelebt werden, sind irgendwie immer ein bisschen besser als die Realität. In der Disco lernt er Barbara (Scarlett Johansson) kennen und will sie wie er schon lange keine mehr wollte. Die gibt sich anfangs als schwer zu haben. Er soll was aus sich machen, zur Abendschule gehen, keine Pornos mehr schauen … Moment. Keine Pornos mehr? Das wird schwierig, denn man kann sagen, dass er süchtig ist.

Da sich alle Beteiligten nicht zu ernst nehmen, macht der Film ziemlich Spaß. Die Verwandlung von einem meiner Lieblingsschauspieler Joseph Gordon-Levitt zum Macho-Proll mit wenig Tiefgang zu beobachten hat allerdings ein bisschen weh getan. Dass Scarlett Johansson ihr Image als die Überfrau, den Traum vieler Männer, persifliert und dabei ein realtiv seelenloses, gelangweiltes, kaugummikauendes Etwas spielt ist zu witzig. Und dann heißt sie auch noch Barbara ‚Sugarman‚. Genauso seelenlos wie die Pornos, die Don Jon für die absolute Erfüllung hält und immer denkt, dass so, ja genauso, der realweltliche Sex sein müsse. Damit prangert der Film an, dass wir was uns Filme und Medien vorgeben für die Realität halten oder alles damit vergleichen. So kann das echte Leben natürlich schwer an das rankommen, was uns die bunten Bildchen vermitteln. In der Abendschule lernt er die locker eingestellte Esther (Julianne Moore) kennen, die einige Jahre älter ist und viel erlebt hat. Mit ihr setzt dann langsam Don Jons Lernkurve ein. Trotz der Leistung von Joseph Gordon-Levitt, Scarlett Johansson und Tony Danza als Jons Vater, die sich reichlich selbst auf die Schippe nehmen und der vereinnahmenden Darstellung von Esther durch Julianne Moore bleibt Gordon-Levitts Regiedebüt durch das banale Thema etwas platt. Hauptschuld tragen daran wahrscheinlich die ziemlich einfachen Charaktere, die aber auch so gar nicht über den Tellerrand schauen. Da lacht man zwei, drei Mal, aber dann langts auch schon wieder. Überrascht war ich hingegen von der Aussage des Films, die plötzlich die Variable ‚Liebe‘ ins Spiel bringt, etwas das Jon so bisher nicht kannte und das seine Einstellung zu Sex vielleicht auch ändert.

Don Jon, USA, 2013, Joseph Gordon-Levitt, 90min, (6/10)

Sternchen-6

Her (2013)

Man ver­liebt sich in Maschine. Das ist nicht ganz rich­tig. Bes­ser gesagt: Mann ver­liebt sich in Betriebs­sys­tem, also Soft­ware. Damit wäre das, was Theo­dore Twom­bly (Joa­quin Pho­enix) wider­fährt, viel­leicht noch schwe­rer greif­bar. Theo­dore ist eine Art Ghost­wri­ter für Briefe zu allen Anläs­sen. Ob Hoch­zeits­tag oder Lie­bes­brief — er ist ein sehr empa­thi­scher Mensch und seine Werke sind eine Kunst für sich. Trotz oder gerade wegen sei­nes Ein­füh­lungs­ver­mö­gens ist er furcht­bar ein­sam und sein All­tag wirkt grau. Die Tren­nung von sei­ner Frau nagt an ihm. Eines Tages beschließt er sich das neue Betriebs­sys­tem OS One zuzu­le­gen, das sich an den Nut­zer anpasst und per­so­na­li­sie­ren lässt und als Künst­li­che Intel­li­genz bewor­ben wird. Sein Betriebs­sys­tem nennt sich selbst Saman­tha. Beide kom­mu­ni­zie­ren oft über sein Head­set, ein Handheld-Device oder den PC — sie ist immer da. Und trotz Theo­do­res anfäng­li­cher Ange­wöh­nungs­schwie­rig­kei­ten wird Saman­tha für ihn bald ein wich­ti­ger Anker­punkt. Ist die Bezie­hung der Bei­den über­haupt mög­lich und wo führt das hin? Gibt es eine Zukunft für einen Mann aus Fleisch und Blut mit einer vir­tu­el­len, kör­per­lo­sen Entität?

Spike Jonze hat mit Her u.a. den für das beste Ori­gi­nal­dreh­buch Oscar gewon­nen. Heißt: nicht nur die Insze­nie­rung geht auf sein Konto, son­dern auch die sehr inter­es­sante und scho­nungs­los kon­se­quent durch­ge­setzte Hand­lung. Er behandelt nicht nur alle denkbaren Konzepte dieser hoch-technisierten Zukunft, er erschafft sogar eine optisch bis ins letzte Detail durchgestylte Welt. In den Stra­ßen gibt es wun­der­bare Einig­keit und keine Abwei­chun­gen irgend­ei­ner Art. Keine gewalt­tä­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, keine Obdach­lo­sen, ja nicht ein­mal etwas Müll ziert die Stra­ßen. IT und Infra­struk­tur fügen sich naht­los in den All­tag ein und über­all set­zen sich kleine künst­le­ri­sche Details in der Umge­bung ab. Die Mode wird cha­rak­te­risiert von klei­nen Details wie einem Hosen­bund, wal­len­den, leich­ten Stof­fen — locker, ca­usal. Alles ist ruhig und harmonisch. So, dass man sich fast fra­gen muss, warum irgend­je­mand dort unglück­lich sein könnte? Aber anhand Theo­dore wird wun­der­bar die Anony­mi­tät und Geschäf­tig­keit die­ser Welt skiz­ziert und man denkt: ist das ein denkbares near-future-setting? Theo­do­res Melan­cho­lie, Saman­thas im Ori­gi­nal und in der Syn­chro wun­der­bar warme Stimme und vor Allem das Dreh­buch sind Stoff, der im Kino über­zeugt und auch noch lange danach. So man­ches Zitat ging mir nicht aus dem Kopf – „The heart is not like a box that gets fil­led up; it expands in size the more you love. I’m dif­fe­rent from you. This doesn’t make me love you any less. It actually makes me love you more.“ Das Gesamt­pa­ket des Films weist damit eine gewisse Scho­nungs­lo­sig­keit auf, wenn wir zum Bei­spiel bei schwar­zem Bild­schirm im Kino akus­tisch Zeuge vom Sex zwischen Man und Software sind. Richtig gelesen: das Thema Sex und körperliche Erfüllung wird nicht ausgespart. Dabei ist Joa­quin Pho­enix im Prin­zip fast der ein­zige Dar­stel­ler und alle ande­ren haben nur sehr kleine Neben­rol­len — es wirkt wie eine One-Man-Show, und­zwar eine sehr gute. Man wird unwei­ger­lich in die Welt hin­ein­ge­zo­ge­nen, reizt zusam­men mit Theo­dore und Saman­tha die Gren­zen der Bezie­hung aus, sich immer wie­der fra­gend „kann das gut­ge­hen?“ Somit habe ich mich keine Minute gelang­weilt, denke aber, dass es nicht gescha­det hätte, sich nicht nur auf Theodo­res kleine Welt zu kon­zen­trie­ren, son­dern auch einen Blick auf andere Men­schen außer seine Nach­ba­rin zu wer­fen. Des­we­gen gibts etwas Abzug.

Her, USA, 2013, Spike Jonze, 126min, (9/10)

Sternchen-9

Jetzt seid ihr dran: was macht für euch einen Liebesfilm aus? Was sind eure liebsten Filme über Liebe? Und wie ist eure Meinung zu den hier aufgeführten? Es ist mir echt schwer gefallen mich hier auf sieben zu beschränken, aber so wollen es ja meine Werkschau-Regeln. Ein paar Honourable Mentions kann ich mir nicht verkneifen: ‚The First Time‘ ist beispielsweise ein herrlich natürlicher Film über den sozialen Zwang des ersten Mals und wie man es nicht macht mit Dylan O’Brien. The Secretary ist ein grandioser Film über andere Formen der Anziehung und Erregung (und der bessere ’50 Shades of Grey‘), aber irgendwie hat Don Jon den hier aus meiner Werkschau rausgeschmissen. My Blueberry Nights und Blue Valentine sind wunderschöne, melancholische und schmerzvoll-realistische Filme über gescheiterte Liebe. Es gibt einige da draußen, die einen nicht kalt lassen.

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

10 Antworten

  1. „My Blueberry Nights“ – warum unter gescheiterter Liebe abgeheftet? Eigentlich doch nicht, oder? Da doch eher, wenn man bei Wong Kar-wai bleibt, „Happy Together“ als der unkonventionellere, schmerzhaftere, sicher auch anstrengendere, deshalb aber vielleicht lohnenswertere Film.

    Uhm … Thema zu allgemein. Brain-Overload. :p Bei Liebe und nichts weiter muss ich eher an Klassiker à la „Casablanca“ denken. Anstrengenderweise kommt ja kaum ein Film ohne eine Liebesgeschichte aus. Zuletzt gesehenes Beispiel für eine (mehr oder weniger) klassische Romanze: „Carol“ – exzellent gespielt, leider dennoch etwas unterkühlt.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Naja doch schon. In My Blueberry Nights erlebt Norah Jones‘ Filmcharakter vorrangig Beispiele für gescheiterte Liebe auf ihrer Reise. Happy Together habe ich noch nicht gesehen, kommt erstmal auf die Watchliste. 🙂

      Finde das Thema nicht zu allgemein 😉 Ich hab ja nach eurem Verständnis zum Thema Liebesfilm gefragt.
      Carol habe ich diese Woche gesehen, den Artikel aber bereits davor geschrieben. Wahrscheinlich hätte ich den hier aber eh nicht aufgeführt, da er mir etwas zu kühl war und ich v.A. Cate Blanchett erstaunlich künstlich fand. Bin eigentlich ein Fan von ihr, aber hier wirkte sie mehr „wie das Mädchen von einem anderen Stern“.

      1. Ich halte es ja für Blanchetts große Stärke, das Mädchen (oder besser: die Lady) vom anderen Stern zu spielen. Mein Problem mit „Carol“ war da beinahe eher, dass das Skript damit nicht weit genug geht. 😉

  2. Nooooooooo, „Don Jon“ hat „Secretary“ rausgeschmissen. *heul* Ich finde deine Filmauswahl aber trotzdem hervorragend, besonders „Harold & Maude“. Meine Top 3 hast du aber leider nicht angerührt: „The Eternal Sunshine Of A Spotless Mind“, „About Time“ (Ja, ich weiß, ich und der Domhnall 4 evaaaaa.) und „Across The Universe“ (Beatles = Liebe).

  3. Da hast du einige tolle Filme rausgesucht. Brokeback Mountain hat mich sehr berührt und ich glaube, je nachdem wo und in welchem Umfeld man lebt, ist dieses Thema noch immer sehr präsent. (Um genau zu sein: aufm Land, konservativ und katholisch geprägt…)

    Don Jon hat mich jetzt auch nicht sooo begeistert, ich denke, da hätte man mehr draus machen können. Pretty Woman fand ich hingegen überraschend angenehm und „Her“ muss ich unbedingt noch gucken.

    Meine liebsten Filme über die Liebe? Hm, also um mal auf klassische RomComs zu schauen, da mag ich „Love and other drogs“ sehr gerne (Jake und Annie, die harmonieren einfach perfekt). Und die Beziehung in „Drive“ fand ich auch sehr intensiv, wenn man den Film auch eher nicht als Liebesfilm bezeichnen kann 😉 Achso. Und Titanic natürlich, immer wieder Titanic 🙂

  4. „Stolz und Vorurteil“ in der Verfilmung mit Keira Knightley! Finde einfach keinen Liebesfilm so bewegend und schön wie diesen. 🙂 „Her“ möchte ich unbedingt mal schauen, mal sehen, ob das demnächst mal zu Netflix oder Amazon Prime kommt, das wäre toll!

  5. […] seiner/seinem Liebsten machen will, der sollte mal bei Miss Booleana vorbei schauen: sie stellte Filme über die Liebe […]

  6. […] Prinzipiell gibt es viele tolle Liebesfilme, ich habe es mir auch schon im Blog erlaubt darüber zu schreiben. Aber mich stören die „Schema F – RomComs“. Und dann sah der Trailer zu „Ein ganzes halbes […]

  7. […] Der Film spielt in Indien und handelt von zwei von der Liebe enttäuschten Menschen, die auf unkonventionellem Weg zusammen geführt werden. Undzwar über Lunchboxen. Die werden in Indien von Dabbawala zuhause abgeholt und in die entsprechenden Firmen gebracht. Klang für mich anfangs unvorstellbar, dass das gut funktioniert, aber es ist in der Realität ein hochgelobtes System. Wie auch immer: im Film wird die Lunchbox falsch ausgeliefert. Der zurückgezogene Saajan (Irrfan Khan) bekommt die Lunchbox eines Kollegen, dessen Frau Ila (Nimrat Kaur), sie jeden Tag für ihn zubereitet. Obwohl sie sich extrem viel Mühe gibt, beachtet ihr Mann aber weder das Essen, noch die Frau und als die Lunchbox falsch zugestellt wird, merkt er es nicht mal. Saajan und Ila beginnen sich aber über die leeren Lunchboxen Briefe zukommen zu lassen. So entsteht eine unverkitschte, von der Realität eingeholte Liebesgeschichte, die von verpassten Chancen im Leben erzählt und die Sinne des Zuschauers anspricht. Man meint den Dampf in Ilas Küche zu spüren und die Gewürze zu schmecken. Ein großartiger Liebesfilm der anderen Art, den mehr Leute kennen sollten. Ist auch weitaus weniger kitschig als das Poster vermuten lässt. Mehr über Lunchbox. […]

  8. […] schon immer falsch. Aber auch damals: unser Abijahrgang hat einen Schulausflug ins Kino gemacht, um Brokeback Mountain zu schauen. Dinge ändern sich. Und Filme können dabei helfen zu normalisieren was normal sein […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert