7ème art: Hackerfilme

Man sieht schon eine frappierende Menge Bullshit, wenn in einem Film gehackt wird. Leider ist es ja so, dass IT und insbesondere alles was mit dem „Hacking“ bzw Exploiting zu tun hat, eben fachspezifisch ist und sich schwer für die fachfremde Allgemeinheit verständlich abbilden lässt. Zumindest, wenn es dabei noch spannend sein soll. Aber es gibt sie – die Hackerfilme oder einfach welche mit dem entsprechenden Gedankengut oder Ideen, die versinnbildlichen was Hacker wirklich tun. Diese Filme versinnbildlichen oft wie fragil die auf Daten aufgebaute Gesellschaft ist. Deswegen soll es heute mal um sieben Filme mit dem gemeinsamen Nenner gehen, dass sie Hackerkultur und -gedankengut aufgreifen.

WarGames – Kriegsspiele

Es ist kein Wunder, dass WarGames ein Lieblingskind der Hackerkultur ist. Schließlich enthält der Film eine Menge Methoden, die noch heute in der Szene angewendet werden um Systeme zu kompromittieren. Nur nicht mehr zwingend in der Form. Der Teenager David Lightman (Matthew Broderick) hat ein geheimes Steckenpferd: er interessiert sich für Computer. Sein Interesse geht aber weit über Computerspiele hinaus. Er loggt sich schon mal von zuhause aus im Schulcomputer ein und macht aus einer sechs in der Biologie-Arbeit eine bessere Note. Als er eines Tages eine Anzeige für die neuesten Computerspiele einer großen Firma sieht, beschließt er sich auch in deren System einzuschleichen, um schon mal einen Blick drauf zu werfen. Er findet etwas, aber vielleicht nicht das, was er initial suchte. Ein bisschen seltsam findet er es ja schon, dass zwischen Schach und anderen simplen Spiele thermonuklearer Krieg gelistet ist. Von Neugier und Übermut getrieben startet er, was er für ein Spiel hält. Und ahnt nicht, dass er sich in WOPR eingeloggt hat. Das steht für War Operation Plan Response – David hat eventuell den dritten Weltkrieg gestartet.


„WarGames Official Trailer #1 – Dabney Coleman Movie (1983) HD“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Der Film haut auf IT bezogen einiges durcheinander. So wird WOPR als eine Art Entscheidungssystem, Maschineller Lerner und Künstliche Intelligenz dargestellt. Vorrangig wird auf die Fähigkeit WOPRs hingewiesen „War Games“ zu simulieren und den optimalsten Ausgang zu finden. Andererseits wird das System an die tatsächlichen Mechanismen angeschlossen um dann später auf Befehl des Präsidenten tatsächlich die entsprechenden Angriffe zu initiieren. So richtig Sinn macht das nicht. Als im War Room gemeldet wird, dass die Sowjets angreifen, ahnt auch keiner, dass es nur eine WOPR Simulation ist, obwohl ein Display sogar anzeigt, dass eine Simulation läuft. Vielleicht ist die Anzeige aber auch nur für den Zuschauer gedacht und nicht tatsächlich „da“. In typischer Façon von Filmen der 80er und 90er Jahre ist das nie wirklich erkennbar und man muss so ein bisschen „Quatsch“ einfach hinnehmen. Für ITler ist das vielleicht etwas eigentümlich, für Zuschauer im Allgemeinen hat es so gewaltige Längen. In den kleineren Details funktioniert der Film aber erstaunlich gut. Insbesondere weil das, was David macht 1983 eben einfach tatsächlich funktionierte. Wie er sich in fremde, im Grunde fast ungesicherte Netze einwählt, Phreaking, Social Engineering und Brute-Forcing. All das geht. Nur sein Trick mit dem Telefon und der Dosenlasche eher nicht. 😉 Aber man sollte es nicht zu sehr auf die Goldwaage legen, denn zumindest WOPR war 1983 Science-Fiction und damit im Grunde schon weit voraus gedacht. Und dank dieses Konstrukts kommt der Film zu einer schönen Botschaft über Krieg: „A strange game. The only winning move is not to play.“

WarGames – Kriegsspiele (OT: WarGames), USA, 1983, John Badham, 108 min, (7/10)

Sternchen-7

Sneakers – Die Lautlosen

Sneakers ist meines Erachtens nach einer der besten Hackerfilme. Vielleicht möchte mich der eine oder andere Hobby-Hacker oder Script Kiddie dafür auslachen, schließlich wird in dem Film so gut wie gar nicht gecoded. Sneakers wird gar eher als Heist-Movie angesehen und ist zusammen mit Rififi wahrscheinlich sogar einer der gedanklichen Väter von Oceans Eleven. Aber Sneakers zeigt die Arbeit neben dem eigentlichen Hack. Social Engineering, Hacking-for-Hire und sogenanntes Pen-Testing. Etwas das heute sehr gefragt ist und die Branche überraschenderweise noch nicht überlaufen hat, wurde 1992 in dem Film vorhergesagt. Er handelt nämlich von einer Gruppe von eben solchen Leuten, die Penetrations-Tests durchführen, d.h. überprüfen ob ein System durchdringbar ist. Dazu zählt die IT, Datensicherheit und eventuell auch das Sicherheitssystem des Gebäudes. Chef der Gruppe ist Martin Bishop – meistens der Mann für den Außendienst. Ihn unterstützt sowohl der Ex-CIAler Crease (Sidney Poitier), dessen Spezialität Sicherheitssysteme und Abhörtechniken sind als auch der blinde Software- und Telefonanlagen-Profi „Whistler“ (David Strathairn). Außerdem der Hardware-Spezialist und Verschwörungstheoretiker Mother (Dan Aykroyd) und der Einbruchs-Profi Carl (River Phoenix). Sie alle haben keine reine Weste, aber in Hacking und Penetrationstests gegen Bezahlung eine Möglichkeit gefunden ihre Talente legal einzusetzen. Eines Tages tritt jemand mit einem Auftrag an sie heran, den sie wortwörtlich nicht ablehnen können und der insbesondere in Martin Bishops Vergangenheit zurückreicht.

Sneakers ist ein ausgezeichneter Heist-Film, der den IT-Boom der 90er Jahre Ideen „vordenkt“. Insbesondere Redfords Charakter und der komplexe „Big Bad“, gespielt von Ben Kingsley, äußern einige Ideen, die aus unseren aktuellen Tageszeitungen zu stammen scheinen. Der Big Bad beispielsweise hat vor das gesamte Finanznetz lahmzulegen und die Klassengesellschaft abzuschaffen. Eine Idee, die in der aktuellen Serie Mr Robot wieder aufgegriffen wurde und auch dort mehr Chaos als neues Ideal brachte. Außerdem versteht der Film Daten als die Waffe des Jahrhunderts. Keine biologischen, chemischen oder nuklearen, sondern Einsen und Nullen. Das wissen auch andere und diverse US-Staatsorgane treten hier auf und wollen eingreifen – oder sagen wir mal ihr Scheibchen vom Kuchen abbekommen. PRISM und der Abhörskandal sind hier auch bereits vorgedacht! Aber es braucht auch aufrechte Charaktere wie Bishop und sein Team, die sich dessen genauso bewusst sind und ein bisschen in das Geschehen eingreifen. Dazu kommt, dass sie Hackercharme verbreiten. Ein paar nette Quirks wie Legendenbildung, Szene-Spitznamen und Verschwörungstheorien dürfen da nicht fehlen. Sie alle haben ihre Eigenheiten, ihre 5 Minuten Ruhm, signifikante Lines und Eigenschaften, die sie einfach unabänderlich zu „den Guten“ machen. Und das macht einfach Spaß, ist abwechslunsgreich und sehr sehr spannend. Das Drehbuch hat mit Regisseur Phil Alden Robinson, Lawrence Lasker und Walter F. Parkes viele Schreiber, aber der Spruch, dass viele Köche den Brei verderben trifft hier mitnichten zu: das Drehbuch ist gold. Und es hat einen der schönsten Saxophon-Soundtracks. Da kann man über ein bisschen Decodierungs-Bullshit hinwegsehen.

Sneakers – Die Lautlosen (OT: Sneakers), USA, 1992, Phil Alden Robinson, 126 min, (9/10)

Sternchen-9


„Sneakers „no more secrets“, via Russell B. (Youtube)

Hackers – Im Netz des FBI

Auch nach diesem Rewatch will mir bei bestem Willen nicht einfallen, was an dem Film gut ist. Hackers erfreut sich in der Hackerkultur einer gewissen Beliebtheit, was vielleicht mehr daran liegt, dass es eben ein Film ist, den die meisten in meiner Generation eben mit jungen Jahren gesehen und zwischendurch alles vergessen haben, was daran zum Femdschämen ist. Jonny Lee Miller spielt hier den Highschool-Schüler Dade Murphy, der eigentlich per Verordnung keinen Computer anfassen darf. Als Elfjähriger hat er mit einem Computervirus zig Systeme lahmgelegt. So ganz kann er sich nicht daran halten. Als er an eine andere Schule wechselt und dort als erstes das System hackt um in derselben Klasse wie die coole Kate (Angelina Jolie) zu landen, erweckt das Aufsehen bei den lokalen Hackern. Zu denen auch Kate gehört. Aus einem kleinen Kräftemessen wird bitterer Ernst als ihre Aktivitäten auffallen und sie erpresst werden.

Die Darstellung der Hacker ist absolut albern. Jeder hier fährt Skateboard oder Rollerblades, als ob das zum guten Ton gehört. Und bei nächtlichen Übergaben von Disketten kann es schon mal passieren, dass so eine Witzfigur, deren Hacker-Handle The Plague ist, im Nebel auf seinem Skateboard verschwindet … wuuuusch. Die wie aus einem Science-Fiction-Film entliehenen Klamotten, die überzeichneten Charaktere und seltsamen Frisuren, der nicht ernst zu nehmende Gegenspieler „The Plague“ (Fisher Stevens) – alles wirkt eher wie eine Satire. V.A. die Darstellung der Hacks selber: da schweben schon mal zufällig zusammengestellte Formeln durch den mit psychedelischen Mustern gefüllten Cyberspace! Yeah, crazy. Einzig und allein die Protagonisten, die natürlich aufeinander stehen, sind einigermaßen ernst zu nehmende Figuren. An Plattheit ist die Narrative kaum zu überbieten. Aber Überraschung: der Film hat tatsächlich ein gut angefüttertes Fundament aus Verweisen auf die Hackerkultur. Damit meine ich nicht den Bullshit, dass die meist benutzten Passwörter love, sex und god wären (als ob!); sondern mehr die Erwähnung von Technologien wie dem Phreaking, dem Hype um den sogenannten Handle (den Hacker-Spitznamen in der Szene) und des Hackermanifests von Loyd Blankenship. Es ist auch das erste Mal, dass ich sowas wie einen Proxy zu Zeiten von „Ohne Wifi“ gesehen habe – die Telefone zusammen gesteckt. Denn ja richtig: in den Neunzigern hat sich die hippe Hackerjugend schon mal mit öffentlichen Telefonzellen und Geldautomaten begnügen müssen; wenn man denn eine Verbindung haben wollte. Letzten Endes sind die überzeichneten Charaktere dann auch überraschend sympathisch. 😉 Leider täuscht das nicht über allen Bullshit hinweg.

Hackers – Im Netz des FBI (OT: Hackers), USA, 1995, Iain Softley, 107 min, (4/10)

Sternchen-4

Das Netz

Bereits im Jahr 1995 brachte ein Thriller mit Sandra Bullock in der Hauptrolle das Thema des gläsernen Menschen und Identitätsdiebstahls auf die Mattscheibe. Ganz nebenbei machte es dankbarerweise eine Frau zur IT-Security-Spezialistin. Trotz der Fortschrittlichkeit wird Das Netz unter Hackern und ITlern etwas belächelt. Ich kann nur hoffen, dass das hauptsächlich an der formelhaften zweiten Hälfte des Films liegt, statt an zuvor genannten Bestandteilen. Sandra Bullock spielt hier die Software-Spezialistin Angela Bennett, die sich im Großen und Ganzen isoliert, stets und ständig im Home Office arbeitet und sozialen Kontakten aus dem Weg geht. Mehr aus Enttäuschung als aufgrund irgendwelcher Komplexe. Kurz nachdem sie ein ominöses Schadprogramm untersucht hat und sich im wohlverdienten Urlaub erholen will, lernt sie den augenscheinlich netten Jack Devlin (Jeremy Northam) kennen, nichtsahnend, dass der hinter eben diesem Programm her ist und bereit Angela das Leben zur Hölle zu machen, wenn sie ihm nicht zuarbeitet. Kurzerhand löscht er Angelas gesamte Identität aus.

Der Grundgedanke des Films ist eigentlich gar nicht übel. Früher war die Sicherheit von Hard- und Software lausig, weil es einfach marginal wenige Menschen gab, die wissen an welchem Rädchen man drehen muss, um in ein System einzudringen. Leider übertreibt der Film und hinterlässt gemischte Gefühle beim Zuschauer. Wenn Angela kurzerhand umbenannt wird, eine stattliche Kriminalakte aufgedichtet bekommt und ihr Haus verliert, dann ist das erschreckend, aber irgendwie auch eher unglaubwürdig. Aus heutiger Sicht wäre es mehr als hart bis unmöglich unbemerkt all diese Systeme zu unterwandern. Die Erklärung, die der Film dafür liefert ist lächerlich. Beim ersten Schauen in den 90ern empfand ich den dargestellten Identitätsdiebstahl aber erschreckend – seine Wirkung verfehlt er also nicht. Auch heute noch. Anfangs gelingt aber das Portrait und der Thrilleraspekt deutlich besser und wirkt nicht so furchtbar vorhersehbar. Wie auch in vielen anderen Filmen stellt er IT v.A. auch durch das Volumen der Hardware dar. 🙂 Und an kleineren anderen Aspekten wie dem Fakt, dass Disketten mit Schadprogrammen einfach so in die PC-Laufwerke geschoben werden – feeling lucky today? Keine VM, nix. Nun gut. Immerhin etabliert er „It’s a nice piece of hardware“ als Flirtspruch. 🙂 LOL.

Das Netz (The Net), USA, 1995, Irwin Winkler, 109 min, (6/10)

Sternchen-6


„23 – Nichts ist so wie es scheint ≣ 1998 ≣ Trailer ≣ Remastered“, via Trailer Tracker (Youtube)

23 – Nichts ist so wie es scheint

August Diehl verkörpert in dem Film Karl Koch, der als Jugendlicher in der BRD Zugang zur Hackerszene findet, quasi Autodiktat ist und sich letzten Endes durch Kontakte von 1895 bis ’89 am sogenannten KGB-Hack beteiligt. Er liefert als Westdeutscher dem KGB Informationen und gerät in einen gefährlichen Strudel aus Drogensucht, mehr Hacks um diese zu finanzieren und den damit einhergehenden moralischen Konflikten. Auch Verfolgungswahn nagt empfindlich an Koch, der seit seiner Jugend ein großer Fan der Illuminatus!-Romane von Shea und Wilson ist und besessen von der Zahl 23. Aus heutiger Sicht erscheint diese Obsession etwas naiv, andererseits durften wir selber in Zeiten der Coronakrise miterleben wie plötzlich abstruseste Verschwörungstheorien hochkochen und Anhänger finden. Und spätestens wenn klar ist, dass Koch tatsächlich auf dem Radar einiger Behörden und der Strafverfolgung ist, findet sein Verfolgungswahn einen Nährboden.

Als Hans-Christian Schmids Film die anfänglichen zwanzig bis dreißig Minuten Nostalgie und Naivität überwunden hat, die man als Zuschauer empfindet, wenn man an die zwanzig Jahre alte Filme schaut („Und wie lange bist du schon Hacker?“ – „Och, ein paar Monate.“), dann steigert sich 23 zu einem mehr als passablen Hackerfilm, der u.a. auf die Schwierigkeiten der Rechenleistung eingeht und Begriffe wie das trojanische Pferd und gar einen früheren Ansatz des Brute-Forcing eingeht. Man erkennt so das eine oder andere wieder. Dabei liefert der Film angenehmes Bastler-Feeling, geht auf die Szene ein, in dem wir kurz zu Gast beim Chaos Computer Congress sein dürfen. Mit zarten Eintreuungen von Komik und Drama steigert sich der Film aber zu einem Thriller, der aufs angenehmste an Guy-Ritchies Heist-Movies erinnert.

23 – Nichts ist so wie es scheint, Deutschland, 1998, Hans-Christian Schmid, 99 min, (8/10)

Sternchen-8

Who Am I – Kein System ist sicher

Who Am I – revisited. Der Film ist tatsächlich einer der Gründe, aus dem ich überprüfe, was ich wegschmeiße und er mir als erstes erklärte, worin social engineering besteht. Nach seiner Veröffentlichung ging Who am I durch die Decke, räumte Preise ab, machte Regisseur Baran bo Odar und Elyas M’Barek endgültig zum Star, Tom Schilling war es schon. Der Film handelt vom Hacker Benjamin Engel (Tom Schilling), der sich von der Allgemeinheit nicht wahrgenommen und verkannt fühlt. Als er eines Tages Marie (Hannah Herzsprung) beeindrucken will und die Uni hackt, wird er geschnappt und zu Sozialstunden verdonnert. Dort lernt er allerdings Max (Elyas M’Barek) kennen, der ihn in seine Gruppe aus Hackern aufnimmt – jeder mit einer anderen Spezialisierung. Sie nennen sich CLAY – clowns laughing at you, tragen Clownsmasken und leben die drei Grundsätze 1. Kein System ist sicher, 2. Strebe nach dem Unmöglichen und 3. Begrenze deinen Spaß nicht nur auf die virtuelle Welt. Ihre Aktionen werden kontrovers, ihre Ziele immer höher. Bei all dem Ehrgeiz riskieren sie irgendwann gar ihr Leben.

Im Grunde ist Who am I ein Thriller, der sich viele Worte, Begriffe und Grundideen bei Hackern abschaut. Es ist kein Wunder, dass er als Cyberthriller bezeichnet wird, spielt er doch in einem Milieu, das mit Begriffen wie Darknet und Evil Twin (aka Rogue Access Point) um sich wirft. Die Parallelen zu Gruppen wie Anonymous und dem Thema der V-Männer sind auch nicht von der Hand zu weisen, was dem Film 2014 noch eine zusätzliche Brisanz und Zeitgeist verschaffte. Allerdings merkt man stark, dass er zwar die Atmosphäre von Cyberthrillern erzeugt, aber nicht alle Begriffe korrekt verwendet, sondern es entweder nicht besser weiß oder es für eine breite Zuschauermasse biegt. Leuten vom Fach drehen sich schon die Fußnägel nach außen, wenn behauptet wird Benjamin könne „Maschinensprache lesen“. Autsch. Was der Film aber sehr gut beherrscht ist einen Thriller mit deutlichen (und sichtbaren) Anleihen zu Klassikern wie Fight Club zu liefern.

Neben dem doppelten Boden des Drehbuchs von Baran bo Odar und Jantje Friese beweist der Film vielleicht nicht immer technische Genauigkeit, fängt aber die Atmosphäre der Szene gut ein. Nicht die lächerlichen angeblichen Chats im Darknet, sondern den Medikamentenmissbrauch, den „Fight the System“-Gedanken und auch die durchaus notwendige Feldarbeit (social engineering, dumpster diving), wenn man ein komplexes System infiltrieren will. Es ist gar schwer vorzustellen, dass Who am I mit seiner Hauptfigur Benjamin angeblich Mr Robot nicht beeinflusst haben soll. Schließlich gleicht sich die Atmosphäre sehr stark wie auch die erzählerischen und filmischen Mittel, auch wenn Mr Robot technisch weitaus akkurater und spektakulärer ist. In jedem Fall hat sich Baran bo Odar damit als Regisseur etabliert, der ansprechende, kritische und temporeiche Stoffe auf die Leinwand bringt und es ist kein Wunder, dass er später mit Netflix‘ Dark wiederkam.

Who Am I – Kein System ist sicher, Deutschland, 2014, Baran bo Odar, 105 min, (7/10)

Sternchen-7

Blackhat

Wenn Hacker sich prügeln, läuft schon was schief. Dementsprechend hätte man schon beim Trailer von Michael Manns Blackhat ahnen können, dass der Film nicht gut wird. Der beginnt mit dem folgenschweren Hack eines Atomkraftwerks in China und Manipulationen an der Börse in Chicago. Die USA und China bilden eine Taskforce, die den Täter stellen soll. Dazu holen sie den verurteilten Hacker Nick Hathaway (Chris Hemsworth) aus dem Knast, der scheinbar einen der Exploits geschrieben hat. Aber offenbar nicht ausgeführt hat – heißt: ihm wurde sein Exploit geklaut. Hathaway ermittelt von da an mit der Taskforce und verfolgt die Spur des Blackhats um den halben Globus. Der allergrößte Bullshit der Welt ist, dass ein Zivilist (Hathaway) mit bewaffneten Agenten Feldarbeit macht. Zufällig ist Hathaway so ein toller Prügelknabe und harter Typ, dass er alles mitmacht, statt ein „Consulting Whitehat Hacker“ zu sein, den man eben anruft, wenn Not am Mann ist. Eine Farce. Die pseudo-deepen Sprüche über den Knast sind nur das Sahnehäubchen auf dem Haufen an Unglaubwürdigkeit.


„BLACKHAT Trailer Deutsch German [HD]“, via KinoCheck (Youtube)

Die Logik des gesamten Drehbuchs ist seidenpapierdünn. Nicht zuletzt dank halbgarer Schema-F-Romanzen, die man schon von weitem trappsen hört. Aber immerhin durchwirkt mit einigen ganz netten Actioneinlagen und Denkanstößen. Dass Institutionen mit Brisanz und Gefahrenpotential gehackt werden könnten, ist schließlich eine leider reale Angst. Um da schwitzige Händchen zu bekommen, muss man nicht mal HBOs Chernobyl gesehen haben. Aber eben auch nicht Blackhat, weil der Film selbst hier nicht die Brisanz aufzeigt. Selbst der Trailer hat mehr Dramaturgie und Spannungskurve. Was er aber wiederum gut kann: gut aussehen. Die Actionsequenzen sind ansprechend und rasant gefilmt. Die Nebencharaktere und ihr Schicksal fesseln. Gemessen an dem was an Technikspielereien und kleinen IT-Einlagen gezeigt wird, lässt sich auch schließen, dass man grundsätzlich tatsächlich technische Berater hatte. Denn überraschenderweise hat das was dort gesagt wird Hand und Fuß, wenn es beispielsweise um bestimmte Tools und Verschlüsselungen geht. Die Konsolenbefehle hingegen sollte man lieber wieder nicht so genau anschauen. Dankbarerweise rückt der Film den Begriff des Blackhat-Hackers (ein destruktiv agierender) in die öffentliche Wahrnehmung, im Gegensatz zum Grey oder White Hat Hacker.

Blackhat, USA, 2015, Michael Mann, 133 min, (4/10)

Sternchen-4

Gerade in den 90ern war es ein prima Film-Trope, wenn ein Kumpel des Cousins des Protagonisten zufällig ein begnadeter Hacker ist und ihnen den Weg frei macht um die Welt zu retten. Schaut man sich den Bildschirm während des genialen Hacks an, sieht man dort dann meistens simples HTML-Markup, das garantiert nicht mit einem Exploit zutun hat. 😉 Mehr so ein Ding der 2000er ist es dann diese genialen Hacker mit an Science-Fiction grenzenden Benutzeroberflächen zu zeigen, Hologramme, Bullshit-Galore. ITlern ringt das nur ein müdes Lächeln ab angesichts dieses style over substance. 😉 Wie man oben sieht ist der Hackerfilm offenbar auch verhältnismäßig „jung“ – oder kennt ihr frühe Filme, die Hackergeist versprühen?

Einige der oben besprochenen Filme zeigen nun also realistischer als andere, was hacken eigentlich bedeutet. Dazu gehört eben auch social engineering und v.A. (was fast jeder Film verpeilt) viel Zeit, Auskundschaftung und Planung. Manche Filme sprühen vor Bullshit, andere sind rein zufällig auch geniale Thriller oder Heist-Movies … und wieder anderen gelingt es perfekt die Gefahr durch mangelndes Sicherheitsbewusstsein einzufangen ohne den Zuschauer mit technischen Details zu überhäufen. Denn es geht ja auch um die Geschichte und Botschaft – nicht nur um akkurate Darstellung. Oder wie seht ihr das? Was macht den guten Hackerfilm aus? Welcher Hackerfilm ist für euch essentiell? Macht seinen Job gut ohne einer Informatik-Vorlesung zu gleichen? Oder schafft den Spagat? Ich muss jetzt erstmal dringend eine Weile Filme gucken, in denen es keine CGI-Montage von fliegenden Bits gibt …

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

7 Antworten

  1. Avatar von Ulrike
    Ulrike

    Who am I fand ich richtig gut… den habe ich mir letztes Jahr ausgeliehen. War Games wäre mir auch noch eingefallen, und den letzten Satz kann ich voll unterschreiben – The only move is… not to play.

    Wenn es ums Einhacken geht, würde mir noch der Film mit Sean Connery und Catherine Zeta-Jones einfallen, wo es ums ganz große Abräumen geht, aber ich leider den Titel des Films vergessen habe.

    Ob jetzt allerdings noch Filme wie The Circle oder Unfriend (https://de.wikipedia.org/wiki/Unfriend_(2016) ) in diese Kategorie gehören, bin ich mir nicht ganz sicher.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Aaaaah, den Film kenne ich – der heißt „Verlockene Falle“. Den habe ich als Teenager das eine oder andere Mal gesehen. Mir war gar nichts mehr davon in Erinnerung, dass da etwas gehackt wird. Aber das nachlesen hat ergeben, dass es mit dem angeblichen Millenium-Bug zusammenhängt und sie versuchen während des Jahreswechsel und der Downtime einer Software versuchen etwas zu erbeuten. Joar … das ist schon „hacken“ in dem Sinne, dass sie eine Schwachstelle eines Systems ausnutzen. Auch wenn es mit der Hackerkultur an sich nichts zutun hat. Guter Hinweis aber 😉

      The Circle geht sicherlich in Richtung gläserner Mensch und Datenbewusstsein – den wollte ich tatsächlich mal schauen, aber mit hacken hat der denke ich nix zutun. Weitet man das Thema aber auf Informatik und IT generell aus, dann sicherlich. 🙂 Unfriend ist wohl auch eher was anderes, vermute ich. Trotzdem danke für die Denkanstöße. Gerade bei allem, was mit social media zutun hat, könnte man sicherlich eine eigene Werkschau machen. „Searching“ mit John Cho fällt mir da auch noch ein

  2. „Wargames“ und „Das Netz“ fand ich in ihrer Zeit richtig gut – aber da war ich auch deutlich jünger 😀 „Who Am I“ habe ich vor ein paar Monaten das erste Mal überhaupt gesehen und fand ihn auch recht stark – wobei bei mir eher das doppelbödige Spiel mit den Hauptfiguren punkten konnte als der Hacker-Aspekt. Dieser ist halt einfach, wie du ja auch gesagt hast, sehr schwer visuell spannend darzustellen und verständlich für Außenstehende zu bleiben.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ging mir ähnlich mit „The Net“. 😉 Manche sind dann eben nicht zeitlos, weil sie zu sehr auf Technologie und Methodologie ihrer Zeit setzen … bei IT und Hackerfilmen quasi unabwendbar. Gestern habe ich Johnny Mnemonic geschaut, wo 320GB als eine unvorstellbar große Datenmenge erklärt wurde … naja. Nicht mehr.
      Der einzige der aber finde ich gut gealtert ist, ist „Sneakers“. Aber den habe ich ja eh schon über den Klee gelobt …

      „Who am I“ ist echt nicht schlecht. Über ein, zwei merkwürdige Stellen hört man halt hinweg … ich bin echt ein wenig negativ überrascht, dass die Showrunner von Mr Robot sich davon angeblich nicht inspirieren ließen … weil die schon recht ähnliche Bestandteile haben. Stichwort Twist.

  3. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Das Hacken ist wohl schwer publikumswirksam auf die Leinwand zu bringen. Die Kunstschöpfung des im Zwielicht der Informationsgesellschaft stehenden Hackers bespiegelt dafür umso schillernder die Grenzziehung zwischen Desinformation, Kontrolle und Ordnung und Information, Freiheit und Selbstbestimmung.
    Daher strahlen „Hacker“-Filme für mich schon eine gewisse Faszination aus, aber die einzigen Filme aus der Richtung die bei mir bisher im Regal stehen sind Matrix und Citizenfour. 😉
    Wenn ich an „Hacker“-Filme denke, dann kommen mir zu erst CGI-Montagen von fliegenden Bits mit schwacher Story in den Sinn. 😉 Somit vielen Dank für die Sammlung an Filmen, die mehr als das zu bieten haben. 🙂
    Der Titel „Who Am I – Kein System ist sicher“ gefällt mir auf jeden Fall sehr gut und ich bin gespannt auf den Film.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Haha, fliegende Bits und schwache Story – das trifft es ganz gut und kling sehr stark nach „Hackers“! XD Zumindest gab es da sehr viele CGI-Montagen, die heute doch recht peinlich sind.
      Matrix vereint ja aber sehr viel Technik und Philosophie und ist damit schon irgendwie ein Hackerfilm. 😉 Zumindest von der Mentalität und den Leitmotiven her. Gehirn im Tank und so. Citizenfour steht auch noch auf meiner Liste! Sollte ich endlich mal schauen.
      Bei „Who am I“ am besten keine tiefen, fundierten, technischen Erörterungen a la „Mr Robot“ erwarten. Aber der ist schon nicht schlecht. 🙂

  4. […] durch die Mitglieder des CCC ausgeübt wurden wie den KGB-Hack, der auch prominent in dem Film 23 – Nichts ist so wie es scheint aufgegriffen wurde. Mit der Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit, der Inhaftierung Steffen […]

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