7ème art: Filme von Christopher Nolan

Fast hätte es geklappt, dass Nolans neuster „TENET“ nach der Krise wieder die Kinos öffnet. Wäre der Kinostart jetzt nicht auf August verschoben worden, hätte das gut zum smarten Kalkül gepasst, mit dem Nolan seine Filme inszeniert. Unter Filmliebhabern ist es schon fast schick ihn und seine Filme nicht gut zu finden, während vor zehn Jahren nach das Gegenteil „in“ war. Zumindest heute schließe ich mich dem Personenkult an. 😉 Diese Werkschau war lange geplant. Nie verwendete ich in einer Ausgabe von 7ème art „Inception“ oder „Interstellar“, obwohl es sich anbot. TENET steht noch aus, der Rest des Plans bleibt. Anlässlich des baldigen Starts von „TENET“ gibt es heute sieben Filme, bei denen Christopher Nolan Regie führte.

Following

Bevor wir Leonardo DiCaprio als Träume „inceptenden“ Cobb kennenlernten, schickte Christopher Nolan schon mal eine Figur mit demselben Namen in ein Labyrinth. Dieser Cobb wird von Alex Haw gespielt und der Titel des Films ist Programm. Cobb folgt wahllos Leuten: Frauen, Männern, egal. Er will eigentlich nur beobachten und Inspiration zum Schreiben finden. Dabei wird er einmal zurückbeobachtet. Bill (Jeremy Theobald) spricht Cobb darauf an, warum er ihm folgt und gibt ihm wirklich mal eine Geschichte zu erzählen. Denn Bill bricht in Häuser ein. Warum? Einerseits, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, andererseits gegen die Langeweile. Außerdem sagt Bill süffisant, dass er den Bestohlenen einen Gefallen tun würde: „You take it away to show them what they had.“ Cobb beginnt mitzumachen, was nicht ohne Folgen bleibt.

Dieser Cobb wird also auch ein Dieb, aber vollkommen anderer als der Cobb in Inception. Er ist nicht besonders schlagfertig und beginnt sich viel bei Bill abzugucken. Imitiert dessen Look und eifert ihm nach. Ganz ähnlich ist aber, dass er sich in einem Labyrinth bewegt. Ein Geflecht, dass er nicht versteht und sich vor den Augen des Zuschauers ganz langsam entfaltet. Ein Effekt, der ein früher Vorbote zweier Filme Nolans ist: das labyrinthische von Inception mit der langsamen Erkenntnis der Zwangslage und des tragischen Dilemma des Hauptcharakters ähnlich Memento. Dabei lässt Following bereits erkennen mit welchen Erzähltechniken und raffinierten Kamerawinkeln Nolan auch später arbeitet. Er erzählt die Geschichte fragmentiert, mal im Rückblick, mal als Blick in die Zukunft. Wie beim Gang durch ein Labyrinth hinterlässt er Spuren, die wir deuten. Mit diesen Elementen und dem Look als Schwarzweißfilm geht er locker als film noir durch. Aber er verströmt auch ein wenig die Atmosphäre eines Studentenfilms, wenn auch eines ziemlichen guten. Angerissene und nie ganz zu Ende erklärte Momentaufnahmen wirken wie verschenkt. Die Zähigkeit der Dialoge und die zwar smart konstruierte aber nicht sehr gehaltvolle Handlungen lassen den Film länger wirken als er ist und verlangen dem Zuschauer Ausdauer ab. Wahrscheinlich ist er aber der beste Film, der für nur 6000 Pfund gedreht wurde.

Following, UK, 1998, Christopher Nolan, 70 min, (7/10)

Sternchen-7


„Memento | Trailer HQ Deutsch | 2000“, via MovieTrailerPlanet (Youtube)

Memento

Die Eröffnungssequenz macht bereits klar, dass wir den Film nicht chronologisch sehen. Ein Mann schüttelt darin ein Polaroid „unkenntlich“, d.h. das Bild verblasst immer mehr, desto länger er es betrachtet. So wenig braucht es um uns auf das vorzubereiten, was Memento konstruiert. Der Film wird sequenzweise rückwärts erzählt. So beginnt der Film mit Leonard Shelby (Guy Pearce), der einen Mann umgebracht hat. Dann folgt nach und nach die Erklärung und der Weg zum Mord. Leonard suchte den Mörder seiner Frau. Infolge eines Unfalls hat er sein Kurzzeitgedächtnis verloren. Er versucht sich mit Polaroidfotos, Tattoos und Notizen immer und immer wieder daran zu erinnern, was sein Ziel ist und welche Hinweise er auf den Täter hat. Und Christopher Nolan als Regisseur und Drehbuchautor macht uns zu Amnesiepantientin wie Leonard – denn wir wissen nichts und erfahren alles durch dieselben Hinweise, auf die sich auch Leonard verlassen muss. War der Mann, den er erschossen hat, der Mörder seiner Frau?

Im Gegensatz zu Leonard erleben wir im Rückblick Stück für Stück wie ihn sein Weg in dieses Haus brachte und dazu diesen Mann zu erschießen. Memento gibt uns einige Hinweise und Aha-Effekte. Kratzer an der Wange, Fotos, eine zerbrochene Autoscheibe – wir erfahren nach und nach wie diese Artefakte in der Landschaft des Films landeten. Und mit den immer weiteren Hinweisen wird klar wie verloren Leonard ohne Erinnerung eigentlich ist und in was für ein gefährliches Netz er sich verstrickt hat. Mehr und mehr wird dem Zuschauer bewusst, dass Leonard aufgrund seines Gedächtnisses auch ein unzuverlässiger Erzähler ist. Wie so oft stellt uns Nolan seinem Protagonisten zur Seite und lässt uns gemeinsam durch das Labyrinth irren. Besonders tragisch an Memento ist, dass wir vor dem Protagonisten bemerken, dass wir uns verirrt haben. Und im Gegensatz zu ihm entkommen können. Memento ist ein sehr schlaues Stück Film, das mit viel Köpfchen inszeniert wurde und herrlich noir-ig daherkommt, aber auch nur funktioniert, weil Leonard sich auf so wenige „Tools“ verlässt. Mit einem Smartphone sähe das alles vielleicht schon anders aus. Parallel zu den Sequenzen, die rückwärts erzählt werden, gibt es auch welche, die chronologisch vorwärts angeordnet sind – und sich treffen. Genial konstruiert und tragisch: „Ich kann mir nicht merken dich zu vergessen.“

Memento, USA, 2000, Christopher Nolan, 109 min, (8/10)

Sternchen-8

Insomnia – Schlaflos

Mit dem Remake des norwegischen Films Todesschlaf legt Christopher Nolan seinen dritten Langfilm vor und den ersten, der nicht auf einem Drehbuch von ihm oder seinem Bruder basiert. Und das merkt man. Al Pacino mimt hier den Polizisten Will Dormer, der zur Aufklärung des Mords an der jungen Kay nach Alaska geschickt wird. Im Gepäck: Sorgen über interne Ermittlungen gegen ihn zuhause in Los Angeles. Sein Partner wird eventuell gegen ihn aussagen. Das Kontrastprogramm könnte kaum größer sein als ihm in Alaska die junge Ermittlerin und sein anerkanntes Fangirl Ellie Burr (Hilary Swank) zur Seite gestellt wird. Als aber Dormer den vermeintlichen Mörder im Nebel verfolgt, erschießt er seinen Partner. Ein Versehen oder ein nützliches Unglück? Dormer entscheidet sich für letzteres. Nichtsahnend, dass Kays Mörder (Robin Williams) alles beobachtet hat und ihn von da an erpresst.

Der Titel erklärt sich dadurch, dass Dormer einerseits von Gewissensbissen und Sorgen wach gehalten wird, andererseits von den taghellen Nächten in Alaska. Er kommt nicht zur Ruhe und die Schlaflosigkeit lässt ihn bald fahrig und unvorsichtig werden, sogar halluzinieren. An der Stelle soll nicht verraten werden, ob Dormer seinen Partner absichtlich umgebracht hat oder nicht. Stattdessen verrate ich, dass hier der mehr oder weniger pflichtbewusste Cop und der Mörder ein nahezu perfektes Gleichnis sind. Beide befinden sich in einer Grauzone aus „es war ein Versehen“, purer Kaltblütigkeit oder banger Verzweiflung, die unentwirrbar scheint und auf die sie vielleicht nicht mal selbst die genaue Antwort kennen. Beide können den jeweils anderen überführen, jedenfalls haben sie ihn ein Stück weit in der Hand. Leider ist der Film etwas blutleer inszeniert. Das Schauspiel von Pacino, Williams und Swank mag auf den Punkt sein, der Film ist verhältnismäßig zäh und wirkt wie künstlich in die Länge gezogen. Das geradlinige Drehbuch lässt nur durch die moralischen Zwickmühlen Spannungspotential zu. Auch von Christopher Nolans Liebe zu Mise en Scène und ausgefeilten Schnitten, Perspektiven und Symbolik ist nicht viel zu merken, so als ob er hier keine volle kreative Freiheit genoss.

Insomnia, USA, 2002, Christopher Nolan, 114 min, (6/10)

Sternchen-6

Batman Begins

Mit Batman Begins leitete Warner Bros. eine neue Ära des um Realismus bemühten Superheldenfilms ein. Ursache war sicherlich der durch u.a. die Spider-Man-Verfilmungen angedeutete Trend. Aber gemäß der Figur Batmans sollte der Stoff gritty und düster sein – anders als die letzten Batmanfilme der 90er. Christopher Nolan war inzwischen als Autorenfilmer etabliert, zu dem diese Attribute passen. Ihm zur Seite stand Goyer als der mit dem Comicwissen. Zusammen entwickelten sie ein Drehbuch, dass sich stark auf die Origin Story Bruce Waynes aka Batmans konzentriert. In die Rolle des Flattermanns schlüpfte Christian Bale. Bruce Wayne ist hier ein Getriebener, der nach dem Tod seiner Eltern nicht loslassen kann und versucht von Gotham und wegzukommen. Er verbrennt seine Identität, wandert aus, schlägt sich als Kleinkrimineller durch und knüpft Kontakte zu der Liga der Schatten unter Ra’s al Ghul, wo er ausgebildet wird. Als er jedoch merkt, dass er nicht an Ra’s al Ghuls Form der Lynchjustiz teilnehmen will, beschließt er nach Gotham zurückzugehen.


„Batman Begins (2005) Official Trailer #1 – Christopher Nolan Movie“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Nachdem Bruce Wayne die Stadt in desolatem Zustand und das gedankliche Erbe seiner Eltern in Scherben vorfindet, beschließt er selber die Gerechtigkeit in die Hand zu nehmen. Aber nicht mit Mord und Selbstjustiz. Er schafft dazu wie er es bei der Liga gelernt hat einen Mythos, eine Idee; die ihn von einem „normalen Mann“ zu etwas anderem, schwer greifbareren erhebt – Batman Begins. Und die Gegner in Gotham sind zahlreich – egal ob in Wayne Enterprise selber, im Arkham Asylum oder einfach unter den zahlreichen durch die Mafia geschmierten Polizisten und Richtern. Das gelingt dem Film wunderbar darzustellen. Noch nie hat ein Medium abseits der Comics so gut und sinnhaft erklärt, warum sich Batman in ein Fledermauskostüm zwängt. Aber die ganzen Erklärungen hat auch den Preis, dass der Film eine überlange Exposition hat, die sicherlich die Aufmerksamkeit der meisten Zuschauer bis dahin aufgeraucht hat.

Dabei wird es doch gerade danach erst richtig interessant. Und es macht Spaß zu sehen wie Bruce Wayne den Laden aufräumt. Der Cast kann sich sehen lassen. Morgan Freeman als Lucius Fox, Michael Caine als Alfred Pennyworth, Gary Oldman als Sergeant Jim Gordon und nicht zu vergessen Christian Bale, der den nötigen Charme des oberflächlich wirkenden Playboys Bruce Wayne genauso rüberbringt wie das getriebene, ernsthafte unter der Maske. Wo der Film nicht so ganz mitkommt ist in punkto Chemie. Die Dialoge zwischen Bruce und Rachel Dawes (Katie Holmes) driften immer etwas ins pathetische, verklärte ab. Da knistert es ja mehr zwischen Bruce und Alfred. Eigentlich auch ganz schön. 😉 Action und Effekte sind ganz offensichtlich zum Großteil handgemacht und schaut man gern an. Ein würdiger Batman-Filme, der neue Maßstäbe gesetzt hat.

Batman Begins, UK/USA, 2005, Christopher Nolan, 140 min, (8/10)
Sternchen-8


„The Prestige (2006) Trailer #1 | Movieclips Classic Trailers“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Prestige – Die Meister der Magie

Christopher Nolan gelingt mit seiner Verfilmung von Christopher Priests Roman um zwei konkurrierende Show-Magier im London Ende des 19. Jahrhunderts den Zuschauer ebenso gekonnt in eine Illusion zu verstricken. Der Film beginnt mit dem vermeintlichen Ende der Fehde. Alfred Borden (Christian Bale) soll Robert Angier (Hugh Jackman) umgebracht haben und wird dafür zum Tode verurteilt. Im Rückblick erfährt der Zuschauer wie Angier und Borden als aufstrebende Magier einst zusammen arbeiteten bis sich ein schreckliches Unglück ereignete, an dem Angier Borden die Schuld gibt. Von da an herrscht zwischen beiden böses Blut. Dass sich Borden aka „Der Professor“ und Angier aka „Der große Danton“ gegenseitig ausspionieren ist nur der Anfang eines Teufelskreises aus immer weiter eskalierenden Sabotage-Akten, die letzten Endes sogar Leben kosten.

Zu Beginn des Films heißt es nicht umsonst „Haben Sie genau hingesehen?“ Auch die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird anfangs durch die verschachtelten Rückblicke gefordert, als auch später, wenn man ähnlich wie Angier versuchts Bordens Trick „Der transportierte Mann“ zu verstehen. Aber während Angier von Rache getrieben versucht Borden um jeden Preis auszuboten, ist der einer, der Geheimnisse um jeden Preis wahrt. Menschen lieben eine gute Illusion – aber trifft das auch noch auf den Zuschauer zu, wenn Prestige plötzlich in Science-Fiction abdriftet? Glücklicherweise bekommt Nolan narrativ hier gerade noch die Kurve und hüllt die Magie in den illusionorische Mantel des Unbekannten. Inklusive eines Auftritts David Bowies als Nikola Tesla für den ich Film nochmal mehr mag. So bleibt The Prestige (so der Originaltitel) trotz der Ausflüge in das Sci-Fi-Genre vor Allem eine Parabel auf sich aufschaukelnden Hass, der letzten Endes beide Magier alles abverlangte und kostete. Wie falscher Ehrgeiz und Rache zwei großen Köpfen alles nehmen – eine beispielhafte Erzählung von gefährlichem Starrsinn und dem, was man bereit ist für einen Preis zu zahlen für ein bisschen Rache oder Ruhm. Im Gegensatz zu Bordens Erklärung hat der Trick aber immer noch seinen Reiz, auch wenn das Geheimnis entschlüsselt wurde – zumindest was Nolans Film betrifft. Der Clou: der ist selber aufgebaut wie ein Zaubertrick.

Prestige – Die Meister der Magie (OT: The Prestige), USA/UK, 2006, Christopher Nolan, 125 min, (9/10)

Sternchen-9

Inception

„Dreams pay.“ Durch eine Technologie, die es Menschen ermöglicht luzid und gemeinsam zu träumen, wird ein Geschäftsmodell. Noch mehr: sie können in den Traum sogar aktiv eingreifen. Das ermöglicht die sogenannte Extraction, ein beliebtes Mittel zur Industriespionage. Dabei kidnappen Diebe wie Cobb (Leonardo DiCaprio) und Arthur (Joseph Gordon-Levitt) ihr Opfer, versetzen sich mit ihm gemeinsam in einen Traum und suchen das Detail, das der Auftraggeber so dringend wissen will. Eines Tages tritt der Geschäftsmann Saito (Ken Watanabe) mit einem speziellen Auftrag an sie heran – er will eine Inception. Etwas, das wenige bis dahin ausprobiert haben: das Einpflanzen eines Gedankens. Cobb und Arthur stellen ein Team zusammen, dass dieses gewagte Unterfangen angeht. Für Cobb steht viel auf dem Spiel. Saito verspricht bei Gelingen des Auftrags dafür zu sorgen, dass die Strafverfolgung gegen Cobb eingestellt wird und er seine Familie wiedersehen kann.


„Inception (2010) Official Trailer #1 – Christopher Nolan Movie HD“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)

Im Folgenden entführt uns Christopher Nolan in einen vier Level tiefen Traum. Ein wahres Labyrinth, in dem er uns mit Cobb, Eames (Tom Hardy), Ariadne (Ellen Page) und Kollegen ein diverses, launiges Team zur Seite stellt. Deren kleinere Flirtereien oder Zickereien untereinander machen Spaß und ihre akribisch geplante Aktion lässt den Eindruck dessen erwecken was Inception vorrangig ist: ein Heist-Movie. Man könnte Science-Fiction erwarten, der Inhalt sieht stellenweise gut und gerne nach Fantasy aus. Aber Nolan, hier wieder Regisseur und Drehbuchautor gleichzeitig, verzichtet darauf und konzentriert sich auf den Heist-Aspekt und das persönliche Drama Cobbs, das auch aus dem Diebeszug (wobei sie ja eigentlich etwas hinterlassen, statt zu stehlen 🙂 ) einen Albtraum macht. Mit dem Konzept schafft er somit einen spannenden Hybriden und die Steilvorlage des modernen Heist-Movies. Denn in Träumen gibt es keine Grenzen. Wally Pfister und das gesamte Team hinter dem Film hat also seinen Spaß diese auszutesten. So ganz ohne Plot Holes kommt der Film zwar nicht aus (Beispiel: Warum wachen Arthur und die anderen nicht viel früher auf durch die Eskapaden, die der Van fährt oder die Action in der Lobby?), aber er ist angenehmer Denksport, anspruchsvolle und launige Unterhalting mit Köpfchen und einem Ende, das ganz zu Recht den Kinosaal laut aufseufzen ließ. (Wobei die Lösung des kleinen Cliffhangers entschlüsselbar ist. 🙂 )

Inception, UK/USA, 2010, Christopher Nolan, 148 min, (9/10)

Sternchen-9

Interstellar

Die Zeit für die Menschheit läuft ab. Die Erde ist kein Ort mehr zum leben, sondern lediglich noch zum überleben. Umwelteinflüsse zerstören Mensch und Natur. Farmer braucht das Land, damit die Menschen etwas zu essen haben. So ist auch der ehemalige Astronaut Cooper (Matthew McConaughey) Farmer wider Willen. Seine Tochter Murphy (Mackenzie Foy) erbt seine Neugier und seinen Mut, sein Sohn (Timothée Chalamet) wird ein Ernährer, ein Farmer. Ein geheimes Raumfahrtprojekt soll sich auf die Suche nach einer „neuen Erde“ begeben – und Cooper soll einer der Piloten sein. Es ist nicht klar, wie lange diese Suche dauern wird und ob er überhaupt zurückkommt. Sie geht über die Grenzen unseres Sonnensystems hinaus und stellt Cooper wie auch seine Familie auf eine schwere Probe, an deren Ende die Frage nach dem Überleben der Menschheit steht.

Das nenne ich mal Druck. Unter dieser extremen Prämisse schick Nolan Cooper ganz weit über den Tellerand hinaus. Hier entern wir schwarze Löcher und es werden Dimensionen gezeigt, die noch niemand versucht hat auf Film zu pressen – fünfdimensionale Räume beispielsweise. Fachlich war das u.a. durch die Beteiligung des Physikers Kip Thorne möglich. Vor Allem das Prinzip der Zeitdilatation (als Teilgebiet der Relativitätstheorie) teilt mächtig aus. Die besagt, dass für die im All Reisenden und die Menschen auf der Erde die Zeit in einem anderen Verhältnis vergeht. Jahre auf der Erde sind vielleicht nur Stunden im All. Was der Geschichte eine ganz andere Dynamik gibt. Cooper und die Crew steigen nur Minuten auf einem fremden Planeten aus, um nach ihrer Rückkehr an Bord festzustellen, dass auf der Erde Jahrzehnte vergangen sind. Coopers Kinder sind inzwischen erwachsen, desillusioniert und überzeugt, dass der Vater sie verlassen hat.

Das gibt dem Science-Fiction-Film die nötige emotionale Tiefe, bei der garantiert kein Auge trocken bleibt. Viel in Interstellar wird durch Effekte gemacht, viel davon spielt sich aber in unseren Köpfen ab und weckt unwahrscheinlich und unglaublich, aber erschütternd wirkende Szenarien. Ob man dem Film die Botschaft abkauft, dass Liebe eine weitere, unsichtbare Dimension ist, die die Grenzen der Physik sprengt, bleibt dem Zuschauer überlassen. Der Gedanke ist an sich erstmal ziemlich schön. Aber auch ein bisschen kitschig-magisch. Was ich Nolan sehr hoch anrechne ist sein Gebrauch von Theorien. Sein Erfindergeist. Die Offenheit für Neues, für Wissenschaft. Forschungsthemen sind oftmals ein staubtrockener Garant, um Menschen zu vergraulen. Aber hier ein Game Changer durch die Verbindung mit soviel Menschlichkeit.

Interstellar, UK/USA, 2014, Christopher Nolan, 169 min, (10/10)

Sternchen-10

Christopher Nolan hat Denksport, Erfindergeist und smarte Plots im Popcornkino wieder gangbar gemacht. Sein Kalkül und allzu cleanes Handwerk lässt für manchen (Indie)Filmfan die Freude an der Kunst und Leichtigkeit des Films manchmal etwas vermissen. Und die meisten seiner Labyrinthe und „Mind-bending games“ kommen nicht ohne plot holes aus. Ein häufiges Problem, wenn man komplexe Theorien nutzt. Einfachere Prämissen wie in „Memento“ und „Following“ gehen eher auf. Dass er aber die Schule komplett durchlaufen hat und das Handwerk kennt, beweist sein Gespür für Kamera und Schnitt, für die er aber auch stets die großen Fachleute an Bord holt: Pfister und Hoytema beispielsweise. Ob man in Personenkult verfallen muss, ist sicherlich fraglich; aber man kann nicht abstreiten, dass seine Filme echt Spaß machen. Seht ihr das genauso? Bedauert ihr sehr die Verschiebung des Kinostarts von „TENET“? Welcher ist euer Lieblingsfilm von Nolan? Wer in der Liste übrigens seine anderen Filme vermisst, findet die hier: The Dark Knight, The Dark Knight Rises und Dunkirk.

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

13 Antworten

  1. Mein persönlicher Favorit aus Nolans Filmographie ist wahrscheinlich „Prestige“. Dicht gefolgt von „The Dark Knight“.

    Da bist du uns mal wieder zuvor gekommen. In unserer nächsten Ausgabewird es komplett um Christopher Nolan gehen und da wird es selbstverständlich auch eine „Loveful 8“ Liste geben. Dieses mal ausnahmsweise als Ranking.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      „Prestige“ und „The Dark Knight“ mag ich auch sehr gern, auch wenn letzterer nicht hier in der Liste ist, weil der schon mal in einer anderen Ausgabe dran war. Ich finde auch, dass „Prestige“ einer seiner eher unterbewerteten Filme ist – zumindest hatte ich immer den Eindruck, dass die Masse den irgendwie aus den Augen verloren hat. Dabei ist der Zaubererwettstreit schon echt cool und so unerbitterlich…

      Ich hatte schon so eine Ahnung, dass wir dieses Mal dasselbe Thema haben, als ich bei Letterboxd gesehen habe, dass du auch Nolan-Filme schaust XD Aber wer weiß – hätte ja nicht für „Klappe“ sein müssen, sondern einfach so.
      Das habt ihr bestimmt auch wegen des Starts von „Tenet“ in Angriff genommen? Hatte mich ja schon sehr auf den gefreut und hoffe, dass es dann mit dem August-Start klappt … den sollte man wahrscheinlich schon auf der großen Leinwand sehen, wenn es geht.

  2. INSOMNIA ist mMn ja ein wenig unterbewertet. Vor allem, weil Nolan sich hier zurücknimmt und auf sein Gewirr, gedröhne und sonstiges Gedöns verzichtet und einfach einen geradlinigen Thriller erzählt.

    INCEPTION hingegen kommt mir meist zu gut weg. Ja, der Streifen ist irgendwie unterhaltsam, aber in letzter Instanz hat der mich ein wenig verloren. Auch, weil ich die letzte große Nummer in dieser Eisstation so langweilig und einfallslos finde. Da hat man mit dem Traum-Geschwurbel quasi unendliche Möglichkeiten und man bringt Geballer im Schnee.

    INTERSTELLAR fand ich super, nur das Ende ist so ein bisschen … naja, Liebe und blah. Passte irgendwie nicht zum Rest.

    Generell ist Nolan bei mir Hit & Miss. DUNKIRK fand ich größtenteils langweilig. PRESTIGE war top. Batman in Gänze gut mit Ausschlägen nach unten im letzten Teil. MEMENTO ist großartig. Und auf TENET hab ich durchaus Bock. Nolan hats ja mit Zeitgewurschtel und das sieht wieder ganz interessant aus. Und am Ende wird es wieder sehr overhypet sein, deshalb werde ich wohl versuchen, den im Kino mitzunehmen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Bei Insomnia bin ich mir immer nicht sicher, ob er sich zurücknimmt, oder ob er sich zurücknehmen „musste“? Weil Produzenten/Studio es so wollen? Also ob das möglicherweise eine Art „Brotjob“ war? Ist ja auch Remake und das einzige, bei dem das Drehbuch nicht von ihm (oder seinem Bruder) stammt. Man kann jetzt viel spekulieren, aber ich finde es ganz seltsam, dass man so gar nicht seine Handschrift spürt.
      Es muss ja nicht das Gewirre und Gedröhne sein, aber ein bisschen hätte er schon an der Spannungsschraube drehen können. Für meinen Geschmack tritt auch Robin Williams noch zu wenig auf den Plan. Der stiehlt hier für meinen Geschmack Al Pacino auch ziemlich die Show. Zumindest wenn er dann da ist …

      Spiele stattdessen mit dem Gedanken mir mal das Original anzuschauen.

      Die Station im Eis bei Inception ist auch nicht mein Lieblings-Traumlevel. Aber die Metapher mit der Festung im unzugänglichen Berg bei widriger Witterung (Alliteration! XD) ist schon nicht so schlecht

      Jaaa overhyped, aber ich muss sagen – ich hab schon trotzdem richtig Bock auf „Tenet“. XD Irgendwie schafft der es doch immer wieder. Der ist so ein bisschen wie der Klassenstreber. Man will ihn nicht mögen, weil er immer alles richtig macht, aber irgendwie kann man auch nicht ganz fern bleiben …

      1. Das Original kenne ich auch nicht. Kann also durchaus sein, dass er hier ziemlich strikt vorgehen musste. Zeigt aber eben auch, dass er das auch kann. Seine Handschrift erkennt man zwar weniger, ich finde es aber immer interessant, wenn ein Regisseur einfach mal was anderes macht. Mr. Tarantino hätte das bspw. mal bitter nötig. Da würde ich liebend gerne auf seine Handschrift verzichten, wenn er dafür dann endlich mal wieder einen guten Film macht. Nolans DUNKIRK hätte es mMn auch sehr gut getan, wenn er auf sein Zeitengewurschtel verzichtet und einfach einen gescheiten Anti-Kriegsfilm erzählt hätte.

        Ja, das mit der Festung passte, aber die hätte ja auch anders (verträumter) aussehen können. So war das schon ein wenig unterwältigend für den vorherigen Aufbau. Trotzdem aber natürlich ein guter Film, wenn auch für mich weit davon entfernt, sein bester zu sein. Um genau zu sein ist es sogar mein least favorite nach der Dünkirchen-Nummer.

        TENET sieht zumindest interessant aus und ich hoffe, dass ich den im Kino mitnehmen kann. Ich bin da aber ne ganze Ecke vorsichtiger mit meiner Euphorie. So unfehlbar wie viele andere empfinde ich Nolan halt nicht. Aber immer noch besser als 99% der restlichen Hollywoodregisseure.

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Ja was den Tarantino betrifft, kann ich dir zustimmen. Da würde ich gerne mal wieder was anderes sehen. „Once Upon a Time in Hollywood“ hatte zumindest mal einen anderen Kniff und leicht anderen Zeitgeist, aber vom Feeling her war da im Grunde alles beim Alten. Bei Hateful Eight ähnlich … .. Aber Insomnia werde ich wohl weiterhin sehr öde finden XD

          Was meinst du aber mit dem Zeitengewurschtel bei Dunkirk? Der war doch recht linear erzählt so wie ich mich erinnere? Dunkirk hat für mich eigentlich recht gut als Anti-Kriegsfilm funktioniert.

          Oh krass, so weit unten hätte ich Inception ja nicht gesehen – aber hat eben jeder so sein Geschmäckle. Siehe ich und Insomnia.

          Ja sehe ich ähnlich. Wo mich Nolan mal doch etwas mehr enttäuscht hat war bei The Dark Knight Rises – soviele Plot Holes, das war schon Schweizer Käse.

          1. DUNKIRK hat drei Handlungsstränge, die nicht zeitgleich verlaufen. Einer läuft eine Stunde (Flugzeuge), einer läuft einen Tag (Rettungsboote) und einer läuft eine Woche (Soldaten). Nolan hat also auch da wieder mit seinem Lieblingsfaktor Zeit experimentiert (und ist mMn gescheitert, weil für mich wirkte da alles wie zwölf Uhr Mittags). Gut fand ich den aber vor allem nicht, weil mir die nicht vorhandenen Charaktere völlig egal waren. Hätte man die abgeknallt, hätte das bei mir nicht mal ein Schulterzucken hervorgebracht. Fand den technisch stark wie immer, aber ansonsten war das nix.

            TDKR war als Abschluss der Trilogie wahrlich kein Meisterwerk, aber ich fand den okay. Nach dem Vorgänger konnte man eh nur verlieren. Wirkte aber in der Tat ein wenig so, als hätte Nolan da das Interesse an dem Projekt ein wenig verloren.

            1. Avatar von Miss Booleana
              Miss Booleana

              Ach das meinst du XD Und ich dachte schon ich hätte bei Dunkirk irgendeinen mega Twist und eine zufällige Zeitreise verpasst. 😉 Die unterschiedlichen Zeitspannen der Handlungsstränge haben mich nicht wirklich vom Hocker gehauen und ich empfand sie mehr als Gimmick, nicht als Alleinstellungsmerkmal. Und ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass das so angedacht war, dass sich nun ausgerechnet der Aspekt hervortun soll. Da waren für mich Sound/Soundkulisse und Szenenbild viel einprägsamer. An das Pfeifen der Geschosse erinnere ich mich heute noch akustisch.
              Mit den Charakteren bin ich auch nicht warm geworden, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass das nicht angedacht war. Als Anti-Kriegsfilm zeigt er irgendwann nur noch wie „kalt“ Leben und Sterben bewertet wird. Deswegen gibt es da auch keine richtigen Helden, Glorifizierungen oder Charakterisierungen und entsprechend keine Charaktere, die einem ans Herz wachsen. Zumindest erkläre ich mir das so.

              Viele ziehen ja eine Verbindung zwischen Heath Ledger und dem Joker und dann zwischen Heath Ledger und Nolan. Ich frage mich schon wie oft ihm irgendwelche Hobby-Journalisten die Frage gestellt haben, ob ihn das Ableben trifft, ob ihm beim Dreh was auffiel, ob es mit der Figur weitergehen sollte blabla. Da hätte ich auch die Lust an der ganzen Reihe verloren …

              1. Mit deiner Erklärung dürftest du absolut richtig liegen, das hilft aber nun mal nicht. Das Krieg scheiße ist weiß ich auch so und habe ich mittlerweile hundertmal gesehen. Was mich interessiert, sind die Einzelschicksale innerhalb dieses Irrsinns. Wenn man dann aber nur namenlose Fatzken hat, kann ich da keine Verbindung zu aufbauen und dann können die von mir aus auch verrecken. Krieg hin oder her.

                Die Zeitebenen wurden zumindest beim Marketing (und zu Beginn des Films) extra hervorgehoben. Also würde ich das nicht als Nebensächlichkeit werten. Vor allem für Nolan selbst war es das ganz bestimmt nicht.

                Ja, stimmt schon. Letztlich schwebte der Tod von Ledger über allem. Ich glaube auch, dass das Nolan einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht hat und er einiges umschreiben musste. Der Joker sollte da sicher ne größere Rolle spielen. Eventuell sogar im Verbund mit Scarecrow (hat ja zumindest nen Cameo) wie im Knightfall-Comic, auf dem das ja lose basierte. Das hätte jedenfalls für schön Chaos in Gotham sorgen können. Und das ist auch mein Grundproblem mit dem Film. Es wirkt alles zu zahm, obwohl batman weg ist. Da hätte man viel mehr vom Verfall, Chaos, Villains außer Kontrolle usw. zeigen können und nicht nur Bane, der irgendwelchen Quark faselt. Ist trotzdem wie gesagt okay der Streifen, aber so richtig ausgenutzt wurde das Potenzial der Geschichte da einfach nicht, wenn man mich fragt.

                1. Avatar von Miss Booleana
                  Miss Booleana

                  Ich will dich ja auch gar nicht bekehren was Dunkirk betrifft – über Geschmack lässt sich nicht streiten 😉 Mir gefiel er halt besser.

                  Dass die Zeitebenen extra im Marketing hervorgehoben wurde – davon weiß ich nix. Erscheint mir auch etwas zu unprägnant umgesetzt.

                  Jupp, was „The Dark Knight Rises“ betrifft, sehen wir das ähnlich. Wobei ich auch nicht mehr aus dem Lachen und Kopfschütteln über Anne Hathaways Gaga-Catwoman-Kostüm nicht mehr rauskomme … seufz.

                2. Alles gut, ich wollte nur noch mal herausarbaiten, warum der bei mir nicht gezündet hat. Wie gesagt, finde ich die Zeitebenen auch höchstens gimmickhaft, aber zumindest Nolan hat darüber in jedem Intervie zum Film gequatscht, wenn ich mich nicht irre. Vermutlich wurde er auch jedesmal danach gefragt. Aber es wurde zumindest größer gemacht, als es letztlich war. Am Ende hatte der Film für mich nur ein paar nette Einzelszenen. Die Szene in dem Schiff am Strand ist zum Beispiel super. Aber wirklich viel hängen geblieben ist da einfach nicht, weil mir das alles zu egal war. Ne Zweitsichtung hat da auch nicht geholfen. Eher noch verschlimmert, weils im Kino immerhin bombastisch rüberkam. Zuhause am TV hat der mir dann wirklich gar nix mehr gegeben.

                  Ganz ehrlich: Auf mich hat die Figur Catwoman ohnehin seit jeher einen absoluten Domina-Vibe, der mir die Figur ziemlich zerstört, weil ich sie absolut lächerlich finde. Eigentlich mochte ich nur Julie Newmar in der Rolle und schon da war es eher grenzwertig, aber immerhin hat sich da sowieso nichts ernst genommen.

  3. Beeindruckende Filmografie! Ich persönlich hätte eher noch Dunkirk und The Dark Knight aufgenommen, aber das ist Geschmackssache. Bei Insomnia schließe ich mich an, der ist etwas unterbewertet.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja „Dunkirk“ und „The Dark Knight“ schwirren schon in anderen Ausgaben der Beitragsreihe rum und meine Regel ist, dass jeder Film nur einmal darf. 🙂 Aber die sind unten verlinkt.
      Insomnia ist im Gegensatz so „beliebig“ inszeniert im Gegensatz zu anderen Nolan-Filmen, wo scheinbar nichts dem Zufall überlassen ist. Und ich empfand den auch derb langweilig … Tatsächlich habe ich den Film drei Mal gesehen und erst bei dritten Mal konnte ich wach bleiben (erst vor zwei Wochen oder so gesehen) …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert