Horrorctober 2018 – Woche 5 („1922“, „Das Ding aus einer anderen Welt“, „Videodrome“, „Der Babadook“) & Fazit

Gestern war es dann soweit und auf meiner heimischen Mattscheibe flimmerte der letzte der Horrorfilme, die ich mir für die #Horrortober-Filmchallenge vorgenommen habe. Im Gegensatz zu der Vorwoche, war die Auswahl in diesem Fall alles andere als eine Enttäuschung. 🙂 Das Beste kommt zum Schluss. Und heute mit Fazit. Zur Erinnerung: der #Horrorctober ist eine Filmchallenge , in deren Zuge sich die Teilnehmer im Oktober dreizehn gruselige Filme reinziehen. Und darüber schreiben. 🙂

„Das Ding aus einer anderen Welt (1982) – trailer Deutsch | German HD“, via MyEdit (Youtube)

Das Ding aus einer anderen Welt

Tierschützer auf die Barrikaden: einer Gruppe amerikanischer Forscher läuft in ihrer Basis in der Antarktis ein Hund zu, der mit Waffen und Hubschrauber von Norwegern verfolgt wird. Warum wollen sie das Tier mit solcher Härte und Entschlossenheit töten? Die amerikanische Forschungsgruppe hält sie für nicht ganz bei Trost und handelt in Notwehr. Der Hund bleibt. Zu dumm nur, dass das Fellknäuel bald zu einer amorphen Bestie mutiert. Das und die Überreste der norwegischen Forscher, die offensichtlich etwas aus dem Eis geborgen haben, formen bald ein grauenerregend klares Bild. Was auch immer die Norweger gefunden haben: es ist in der Lage die Gestalt anderer Organismen zu imitieren und sie zu absorbieren. Nun die Frage aller Fragen: Wer aus dem US-Forschungsteam ist eventuell schon nicht mehr er selbst? John Carpenters Film ist selbst zwar selbst bereits ein Remake eines Films aus dem Jahr 1951 und erfreute sich zur Zeit seiner Veröffentlichung 1982 keiner großartigen Einspielergebnisse (E.T. lieferte derzeit ein freundlicheres Bild von Außerirdischen), aber er ist ein zeitloser Klassiker mit einem feinen Gespür für Bodyhorror und Suspense. Die Szenen voller Unklarheit über die eigene Crew und ihre Absichten sind oft imitiert, die Bodyhorror-Effekte und Masken von Rob Bottin sind noch handgemacht und nicht minder wirkungsvoll. Das Team rund um den wackeren Kurt Russell als Mac schlägt sich auch rein logisch nicht schlecht. Nur mit der Physik hapert es etwas. Bei -40° im T-Shirt rausgehen, Kurt Russell bzw. Carpenter, wirklich? Ich denke nicht. Davon mal abgesehen ist es ein atmosphärischer Klassiker des Horrorfilms, der einfach fast alles richtig macht. Nur manche Szenen erfordern einen starken Magen, denn Bodyhorror ist hier genau wie das, wonach es klingt.

Das Ding aus einer anderen Welt (OT: John Carpenter’s The Thing), USA, 1982, John Carpenter, 109 min, (9/10)

Sternchen-9

Videodrome

Max Renn (James Woods) ist Chef eines Fernsehsenders, der sich aufgrund des pornografischen und weniger seriösen Programms eines nicht besonders guten Rufes erfreut. Renn persönlich steht aber hinter dem, was sein Sender symbolisiert und gibt offen zu die (Sensations)Lust des Menschen befriedigen zu wollen und denkt damit die geheimen Wünsche aller anzusprechen. Dementsprechend ist er stets auf der Suche nach dem nächsten, grenzüberschreitenden Erlebnis und meint das in dem Programm des Piratensenders Videodrome gefunden zu haben. Die dort laufenden Folterszenen hält er anfangs für gespielt und „unglaublich realistisch“ und forscht den Urhebern nach. Er will Videodrome auch für seinen Sender. Aber als er Tapes hat, wird klar, dass das dort gezeigte möglicherweise mehr als real ist und verändert Max‘ Wahrnehmung vollkommen. Oder vielleicht nicht nur seine Wahrnehmung, sondern Max selbst? Seitdem er Videodrome gesehen hat, durchlebt Max alptraumhafte Szenen, die die Grenzen des menschlichen Verstands sprengen. So taucht er in den Bildschirm ein, Videokassetten erscheinen regelrecht organisch, der Fernseher scheint zu leben und zu pulsieren, Max‘ Körper deformiert sich und geht eine unheilige Symbiose mit Technik ein – die Visionen und die Idee Carpenters hinter Videodrome sind stark. Die Bilder des Bodyhorrors reizen unser Nervensystem leicht und für den einen oder anderen entfachen sie sicherlich Ekel. Die Geilheit von Medien-Konsumenten nach Noch-nie-gesehenem wird an Max und seiner Freundin Niki Brand (Deborah Harry) treffend dargestellt. Aber gibt es nur Sex und Folter um die Idee umzusetzen? Und benutzt Carpenter Sex und v.A. die Figur Nikis nicht v.A. und macht Videodrome selber zu dem, was er anprangern wollte? Videodrome ist in seiner Argumentation etwas einseitig und hinterlässt einige Logiklücken. Aber mit Logik argumentiert es sich eben schlecht bei surrealen Konzepten. Was man aber nicht wegdiskutieren kann ist die behäbige Inszenierung zwischen den Bodyhorror-Elementen, die leider der spannenden Vision einen unguten Beigeschmack verpassen.

Videodrome, USA/Kanada, 1983, David Cronenberg, 89 min, (6/10)

Sternchen-6

„Videodrome 1983 Trailer“, via Chris Rowley (Youtube)

1922

Wie der Zuschauer zu Beginn erfährt, hat Wilfred „Wilf“ James (Thomas Jane) etwas zu gestehen. Was, das entfaltet sich vor dem Zuschauer in einer langen Rückblende bzw. Rahmenerzählung, die ins Jahr 1922 führt. Er und seine Frau Arlette (Molly Parker) lebten abgeschieden in Nebraska auf einer Farm mit ihrem Sohn Henry (Dylan Schmid). Arlette hat das Land und die Farm von ihrem Vater geerbt, ist aber in der Abgeschiedenheit nicht glücklich. Das karge Leben macht ihr zu schaffen, genauso wie die Arbeitslosigkeit. Sie würde lieber in der Stadt leben und einen Laden eröffnen und als Schneiderin arbeiten. Wilf hält aber nichts von dem Stadtleben. Er versucht mit ihr zu einer Einigung zu kommen, stattdessen bewegen sie sich immer weiter von einer weg. Plötzlich redet sie von Scheidung, davon dass das Land ihr gehört und dann scheint der Drops gelutscht. Wilf sieht keinen anderen Weg als sich seiner Frau zu entledigen und schmiedet nach und nach einen Plan. V.A. überredet er seinen Sohn mitzumachen, der ebenfalls die Farm halten möchte. Wie zu erwarten verkraftet der Junge die Bluttat nicht wirklich und auch Wilf wird den Mord bitterlich bereuen. Zwar hat 1922, basierend auf einer Geschichte von Stephen King, so seine blutigen und schaurigen Momente, aber der Großteil der Erzählung ist wie ein in einen Film gegossenes Mahnmal – einfach tragisch. Wilf hat es verkackt. Alles, was er behalten wollte, wird er verlieren. Nach Arlettes Tod geht alles langsam den Bach runter. Zwar scheint er mit dem Mord davonzukommen, aber der Rest ist eine miserable Geschichte eines Untergangs. Nicht miserabel, weil schlecht, sondern miserabel, weil tragisch, weil Wilf dumm ist und überheblich. Vermutlich liegt darin der „Grusel“ von 1922. Damit hat der Film über den Untergang eines Mannes wenig Neues zu erzählen, und leider auch wenig überraschendes. Er ist gut, und v.A. gut fotografiert und Thomas Jane darf einen (soweit ich das bewerten kann) authentischen Dialekt zur Schau stellen, aber er ist etwas spannungsärmer als das der eine oder andere wohl erwartet bei einer Geschichte, die auf einem Stephen King Buch basiert. Zumindest lehrt sie uns anders als andere Filme, dass es weder einfach noch natürlich ist einen Menschen loszuwerden und danach ein zufriedenes Leben zu führen.

1922, USA, 2017, Zak Hilditch, 101, (6/10)

Sternchen-6

Der Badadook

Einer der Horrorfilme, der in der jüngeren Zeit für die meisten kontroversen Diskussionen gesorgt hat und mir andererseits sehr oft empfohlen wurde ist Der Babadook, ein australischer Film der Regisseurin Jennifer Kent, der 2014 ziemlich für Gänsehaut gesorgt hat. Er handelt von der alleinerziehenden Mutter Amelia (Essie Davis), deren Mann bzw Freund bei einem Autounfall starb – und nicht nur bei irgendeinem, sondern als er die in den Wehen liegende Amelia ins Krankenhaus fahren wollte, um den gemeinsamen Sohn Samuel (Noah Wiseman) zu bekommen. Oscar ist gestorben, Samuel ist ihr geblieben. Und Samuel ist kein einfaches Kind. Er quängelt und schreit mit seinen inzwischen sieben Jahren scheinbar übermäßig oft, verhält sich impulsiv und socially awkward. Er scheint nicht zu wissen, was man lieber für sich behält oder wie man mit anderen Menschen interagiert. Andererseits: er ist eben noch ein Kind und noch kein „fertiger“ erwachsener Mensch. Für Amelia, die den Tod ihres Mannes nie wirklich verarbeitet hat, wird Samuel zur Geduldsprobe. Besonders dann, als er wegen seines Fehlverhaltens nicht mehr an seiner Schule bleiben kann und seine Angst vor allerlei Monstern Amelia jede Nacht den Schlaf raubt. Als Samuel eines nachts das Buch „Mister Babadook“ findet und Amelia ihm daraus vorlesen soll, verstärken sich all diese Faktoren nur umso mehr. Denn wie im Buch angekündigt, klopft bald Der Babadook an die Tür.

Jennifer Kents Film, zu dem sie auch das Drehbuch beisteuerte, beschäftigt sich mit einem unbequemen Thema, das gerne totgeschwiegen wird: „Regretting Motherhood“ bzw das Bedauern Mutter geworden zu sein. Das gesellschaftliche akzeptierte Bild ist das der fürsorgenden, glücklichen Mutter, die in ihrer neuen (zusätzlichen) Rolle aufgeht, die ihr ja schließlich „biologisch vorbestimmt“ ist. Wenn nun eine Frau, in diesem Fall u.a. bedingt durch unterdrückte Gefühle und ein schwerwiegendes Trauma, bemerkt, dass sie dieser Rolle nicht gerecht wird oder dass sie die Rolle nicht glücklich macht oder erfüllt, scheint das ein gesellschaftliches Tabu zu sein. Der Film zeigt ziemlich deutlich, dass Amelia aufgrund ihrer unterdrückten Trauer und nicht verarbeiteten Gefühle nicht die Liebe zu ihrem Sohn empfinden kann, die „notwendig“ oder „natürlich“ oder „erwartungsgemäß“ wäre. Daraus entsteht beim sehr aufmerksamkeitsbedürftigen Samuel höchstwahrscheinlich noch mehr Bedürfnis danach verstanden zu werden und umso härtere Reaktionen bei ihr und anderen, wenn das nicht passiert. Es ist ein Teufelskreis, der sehr wirksam durch die Härte des Lebens angefeuert wird (wenig Verständnis bei der Familie, gesundheitliche Probleme, finanzielle Probleme, psychisch anspruchsvoller Job, Außenwirkung und Angst als „schlechte Mutter“ dazustehen) und in einem Finale mündet, in dem Essie Davis richtig freidrehen und alle Facetten ihrer schauspielerischen Palette zeigen darf. Damit ist Der Babadook vielleicht ein unbequemer aber aufgrund seiner Botschaft und psychologischen Tiefe kerniger und mitfühlender Film, der ganz nebenbei auch noch ziemlich gruselig ist.

Der Badadook (The Babadook), Australien, 2014, Jennifer Kent, 94 min, (8/10)

Sternchen-8

„The Babadook Official Trailer #1 (2014) – Essie Davis Horror Movie HD“, via Movieclips Trailers (Youtube)

Fazit

I made it! 😀 Ich habe die dreizehn Filme geschafft. Wie in den Vorjahren war es ein spannender Ritt, und vor Allem ein durchwachsener. Aber es waren für mich deutlich mehr Highlights dabei als im letzten Jahr. So war ich beispielsweise begeistert von Train to Busan, Das Ding aus einer anderen Welt (aka „The Thing“), It comes at Night, Badadook und Creep. Suspiria und Videodrome haben mir vielleicht keine Höchstwertungen abgerungen, aber die Filme waren interessant und hatten ihre Momente. Damit meine ich v.A. den Style des Einen und die Bodyhorror-Elemente und Idee des Anderen, die mich begeistert haben. Style over Substance beschreibt wahrscheinlich The Void gut, der optisch wirklich beeindruckend war, aber die Handlung war eher Banane. Shrews Nest, 1922 und Verónica waren streng genommen eher drama-lastig und durchwachsen. Wer also reine Horrorfilme und Thrill sucht, wird mit denen eventuell nicht glücklich. Wer aber mehr Storytelling und Charaktermomente sucht, schon. Wirklich enttäuscht haben mich eigentlich nur The Nun und Wish Upon, die leider sehr billiges Horrorkino sind. Sicher nicht was die Produktionskosten betrifft, aber von der Handlung her.

Neben den Filmen aus meiner Liste, habe ich auch noch ein, zwei andere Filme geschaut, die Horror-Potential haben wie beispielsweise Don’t Breathe und auch einige Serien. Sowohl American Horror Story: Roanoke, The Haunting of Hill House und The Chilling Adventures of Sabrina (welches ich aktuell schaue und noch nicht beendet habe) waren sehr stimmungsvoll und wirklich gut. Außerdem habe ich mir das Hörbuch Pickmans Modell aus der Reihe Gruselkabinett (#58) (eine H.P. Lovecraft Geschichte) angehört und bin im Moment noch an Monster 1983 (3. Staffel) dran. Horror überall 😉 So hat mir der diesjährige Horrorctober insgesamt wieder die Stärken und Schwächen des Genres vor Augen geführt. Dieses Jahr allerdings mehr Stärken als im letzten Jahr 😉 Horror gleitet wegen metaphysischer Bezüge schnell ins trashige ab, ist aber neben Fantasy und Science-Fiction das Genre, dass Fiktion in allen Belangen leben kann, weil die Grenzen des Möglichen aufgeweicht werden. Das mag ich so am Genre. Und jetzt wo ich einmal warm geworden bin, werden wohl noch einige Horrorfilme in diesem Jahr folgen. Ich ärgere mich beispielsweise, dass ich Apostle nicht auf die Liste gesetzt habe. XD

Zu den bisherigen Artikeln

Ankündigung und Filmliste
Woche 1 mit „It Comes at Night, „Suspiria“, „The Nun“
Woche 2 mit „Creep“, „American Horror Story: Roanoke“
Woche 3 mit „The Void“, „Train to Busan“, „Spuk in Hill House“
Woche 4 mit „Shrew’s Nest“, „Wish Upon“, „Verónica“

Jetzt ihr: wie war euer Horrorctober? Habt ihr teilgenommen und alle dreizehn schauen können? Welcher Film war gut, welcher schlecht, was hat euch überrascht? Und welchen der Filme meines Horrorctobers habt ihr geschaut und wie aufgenommen? Was braucht es eigentlich, um euch zu gruseln? Und was begeistert euch am Horror-Genre?

6 Antworten

  1. Avatar von Voidpointer
    Voidpointer

    Danke für die Empfehlungen. 🙂 Vom Inhalt her scheinen alle sehr interessant zu sein, wobei Badadook tatsächlich künstlerisch sehr gelungen Parallelen zu Traumata zu ziehen scheint.
    An und für sich ist Horror nicht so wirklich mein Genre.

  2. Werde „Das Ding“ mal mit auf meine Liste nehmen, Videochrome ist da schon.
    Den Babadook fand ich klasse. Ich grusel mich am meisten glaube ich, wenn irgendetwas auf wahren Tatsachen beruht, dann lass ich durchaus mal die Finger davon 😉

    Habe sehr gerne an Deinem Horroctober teilgenommen und habe ein paar tolle Tipps abgegrast hier. Liebe Grüße 🙂

  3. Bei „The Babadook“ brauchte ich zwei Anläufe um den dann doch noch als positiv zu bewerten. In der ersten Runde nervte mich der Sohn dermassen, dass ich dem ganzen Film dies anhängte. Nach der zweiten Sichtung drehte sich dann diese Ansicht. Manchmal ist es doch ganz gut Filmen eine zweite Chance zu geben…

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