In der ersten und zweiten Woche meines Horrorctobers stellten sich leichte Ermüdungserscheinungen ein. So besonders zufrieden war ich damit erstmal nicht. Zu viel Slasher, zu viel Rumgehacke. Das sollte sich ändern mit zwei Filmen, die dann mehr mein Geschmack waren. 🎃Die Besprechungen sind spoilerfrei.
The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen
Da sah man sich wohl im deutschen Verleih genötigt, sowohl dem deutschen wie dem Originaltitel genüge zu tun. Das resultiert nun in einem wahrhaften Monster von einem Titel. In der Bewertung fällt Alexandre Ajas Remake trotz einiger lohnenswerter Modernisierungen für mich nicht besser aus als das Original. Aber von vorn. Auch im Remake fährt die Familie Carter auf dem Weg nach Kalifornien durch die Wüste, erleidet einen Unfall und wird Opfer von „Wilden“, die bereits auf sie gewartet haben.
Dem 1977er Original verzeiht man ja einiges. Aber dass der viele Jahre später entstandene Film immer noch so ein Bild von vermeintlich „Wilden“ als kannibalistische, mutierte Brut zeichnet, hinterlässt trotz der deutlich politischer und moralischen Positionierung eben immer noch einen schalen Beigeschmack. Es ist schon bei Weitem lohnenswerter wie der Film die Mutanten insistieren lässt „Ihr habt uns geschaffen“ und sich Alexandre Ajas Film durch den Vorspann und den vorgeschalteten Text über Atomwaffentests deutlich positioniert. Zur Erinnerung: das Original ließ eine Menge offen und die deutsche Version drehte gar komplett frei und ließ die Deutung zu, dass es sich um Aliens handle. Was für ein Quatsch.
Auch gut: dass einige Logiklücken aufgelöst werden. Beispielsweise die Rolle des Tankwarts und wie es überhaupt dazu kam, dass die Familie in der Wüste liegen blieb. Alexandre Ajas Version ist stellenweise originalgetreu bis auf die Dialogzeile und setzt optisch einige spannende Akzente und Parallelen. Er macht die Carters zu einer (größtenteils) republikanischen Familie, die ihre Schusswaffen im Anschlag hat, damit aber wenig sinnvolles vollbringt. Aber er behält all die Hysterie und den Nonsense, dass sie in entscheidenden Momenten nicht miteinander reden. Was aber am meisten sauer aufstößt ist das an Ableism erinnernde Bild „hässlich, behindert, krank“ mit „böse, schwachsinnig, kriminell“ gleichzusetzen. Das hat im original ein bisschen besser gewirkt, weil ihnen mit den Carters eine zum Teil sehr unsympathische Familie entgegen gesetzt wurde, die das Gleichnis irgendwie „ausbalanciert“ hat. Immerhin darf die Kleine Ruby das erneut aufweichen. Und wertungsfrei: der Film ist super brutal.
The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen (OT: „The Hills Have Eyes„), USA, 2006, Alexandre Aja, 107 min, (6/10)
Antlers
Nach fast zwanzig Jahren kehrt Lehrerin Julia (Keri Russell) in ihre Heimat und ihr Elternhaus zurück. Alles um sie herum weckt Erinnerungen, warum sie einst ging und ihren Bruder Paul (Jesse Plemons) mit dem Vater zurückließ. Als zeitgleich eins der Kinder ihrer Klasse, Lucas (Jeremy T. Thomas), Zeichen von Misshandlung und Verwahrlosung zeigt, will Julia helfen und der Sache nachgehen. Dabei entdeckt sie aber einen anders gearteten Horror.
Eigentlich macht Antlers alles richtig und tut eine Menge von dem, was ich von einem guten Horrorfilm erwarte. Er setzt den Horror von Misshandlung gleich mit einer an Brutalität kaum zu überbietenden Metapher. Julias eigene Erfahrung mit Misshandlung spiegelt sich mit der von Lucas. Obwohl Lucas nicht im klassischen Sinne misshandelt wird, sondern viel mehr seine Familie von etwas heimgesucht wird, sind die Parallelen stark. Sein Vater ist wie besessen, sein Charakter verändert sich und Lucas findet sich in einer Rolle wieder, in der er selbst kaum noch weiß wie er den nächsten Tag bewältigen soll. Gleichzeitig versucht er aber zusammenzuhalten, was von seiner Familie übrig ist. Wenn nicht für den Vater oder sich selbst, dann wenigstens für seinen jüngeren Bruder (Sawyer Jones). Stark!
Das „Monster“ ist handgemacht, daher außerordentlich gut und gruselig und wird den Film optisch gut altern lassen. Ebenfalls eine sehr gute Entscheidung des Teams ist den Fokus nicht nur auf Julia zu legen, sondern v.A. auch auf die Kinder, mit denen er auch beginnt. Der Film ist außerordentlich schön gefilmt und mit Oregon (unter der Haube British Columbia) wurde eine passende Location gefunden. Leider krankt die Optik des Films aber von einem der überbeanspruchten visuellen Tricks – alles scheint stets von einem Graufilter überschattet. Mehr ins Gewicht fällt aber wohl, dass Antlers nicht den Spagat zwischen dem bemüht hineingepressten zweiten Motiv schafft. Es ist lohnenswert, dass eine Sage der Ureinwohner mit dem Geschehen verbunden wird. Auch, dass sich diese der Zerstörung der Umwelt durch den Menschen annimmt. Aber wo war das Motiv gegen Ende? Wie sucht das „Monster“ seine Opfer aus? Und wo sind die Natives, deren Legende hier aufgegriffen wird? Das sind nicht nur Plot Holes, sondern große vertane Chancen.
Antlers, USA/Mexiko/Kanada, 2020, Scott Cooper, 100 min, (7/10)
Fright Night (2011)
In meiner Besprechung des Original-Fright-Night von 1985 schrieb ich, dass es kein Remake braucht. Nun, da ich das Remake gesehen habe, sehe ich das immer noch so. Schlecht ist es aber auch nicht. Darin lebt Charley Brewster (Anton Yelchin) mit seiner Mutter (Toni Collette) in einem kleinen Vorort von Las Vegas, in einem netten Siedlungs-Rechteck, irgendwo in der Wüste. Während Charly mehr mit seiner Freundin Amy (Imogen Poots) beschäftigt ist und damit ihrer Clique zu gefallen, kommt sein ehemals bester Freund Ed (Christopher Mintz-Plasse) mit der steilen These um die Ecke, dass Charlys neuer Nachbar Jerry (Colin Farrell) ein Vampir ist. Totaler Quatsch! Oder?
Colin Farrell macht das schon toll. Er ist so cool wie Chris Sarandon im Original und legt zusätzlich einen sehr abschätzenden Jägerblick an den Tag, mit dem er sehr schnell alles „abtastet“. Ansonsten setzt das Original einige wünschenswert andere Akzente. So sind die anderen Leute um Charly nicht wie im Original alle Deppen, die die Hinweise nicht sehen, selbst wenn sie ihnen zu Füßen liegen. Allen voran Charlys Mutter treffen sie mitunter gute Entscheidungen im Umgang mit dem „Fremden“. Dann aber wiederum setzt der Film auch andere, schräge Akzente. Beispielsweise dass er Charly (im Original ein Filmnerd) zu einem macht, der auf keinen will, dass jemand von seiner früheren „Nerd-Vergangenheit“ erfährt. Davon kann man halten was man will. Eine Lehre ist zwar da, aber die muss interpretiert werden. In der Wertung schneidet der 2011er-Fright-Night dann doch etwas schlechter ab, da die digital gemachten Effekte einfach jetzt schon (teilweise) schlechter sind als die des Originals. Dann wiederum: das Remake hat David Tennant in einer Rolle, die ich mal als schillernd bezeichne. 😉
Fright Night, USA, 2011, Craig Gillespie, 106 min, (7/10)
Und sonst so?
Weil ich gerade auf meine Horrorctober-Lektüre brenne, habe ich eins der Bücher angefangen zu lesen: Die stillen Gefährten. Und gleich wieder unterbrochen. Nicht, weil das Buch so langweilig wäre, keinesfalls, sondern weil mir einfiel, dass ich doch bevor Der Untergang des Hauses Usher auf Netflix startet, ich eigentlich nochmal eine meiner Edgar Allan Poe Ausgaben rereaden könnte. Wenigstens mit meinen Lieblingsgeschichten. 😊 Die sind ja alle eher kurz. So kam ich nochmal vor Start der Serie in den Genuss von Grube und Pendel, dem Schwarzen Kater, Haus Usher natürlich, und einigen anderen.
„Ich verlange und erwarte nicht, dass man die höchst seltsame und doch einfache Geschichte, die ich hier niederschreiben will, glaubt. Es wäre auch töricht, dies zu tun, denn ich selbst vermag dem Zeugnis meiner Sinne kaum zu trauen. Doch bin ich weder wahnsinnig noch habe ich geträumt. Morgen aber muss ich sterben und möchte darum heute meine Seele entlasten.“
aus: „Der schwarze Kater“ in „Geschichten des Grauens“ (p. 39) von Edgar Allan Poe
Außerdem habe ich Little Nightmares auf der Switch gespielt, das ich mir extra für diesen Oktober aufgehoben habe. Ein würdiges Spiel für Halloween und die Tage davor und danach. 🔪
Zu den bisherigen Artikeln
Woche 1 („The Hills Have Eyes“, „Hypnotic“ & „Piggy“)
Wo wir gerade über Alexandre Aja reden … was macht der eigentlich? Schaut man nach, hat er gerade einen Film rausgebracht: „Oxygen“. Der ging quasi komplett an mir vorbei. Ansonsten war „Antlers“ der erste Film im Horrorctober, der mir wirklich gefallen hat. Hoffentlich geht das so gut weiter.
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