Eigentlich ist es sehr ungnädig, dass in Sir Arthur Conan Doyles Geschichten und vor Allem deren Adaptionen der Arzt Dr. John Watson so oft im Schatten Sherlock Holmes zu stehen scheint. Die gefeierte Serie „Sherlock“ hat das vor einigen Jahren mit Benedict Cumberbatch als Sherlock und Martin Freeman als John in einigen Belangen besser hinbekommen und ihn sehr offensichtlich als Chronist und Beteiligten charakterisiert statt als Zuschauer. So wie einige andere Nebencharaktere, die mal aus dem Schatten treten durften. Es gibt unglaublich viele Sherlock-Holmes-Adaptionen, auf die ich anlässlich Netflix‘ jüngst gestarteten Pastiche Enola einen Blick riskieren möchte – an sieben Beispielen. Und in manchen davon sind die Rollen gar vertauscht. 😉 Darin kommen außerdem Tempel, Koks und Jack the Ripper vor. The game is afoot!
Der Hund von Baskerville
Bemerkenswert, dass man es damals geschafft hat ansprechende Filme in unter zwei Stunden Spielzeit zu erzählen. Und bemerkenswert, dass der Auftakt der gefeierten Sherlock-Holmes-Verfilmungen mit Basil Rathbone in der Titelrolle eine amerikanische Adaption ist. Nachdem der betuchte und herzkranke Sir Charles Baskerville tot im Moor zusammenbricht, wird als Erbe sein Neffe Sir Henry Baskerville (Richard Greene) eingesetzt. Ein Freund der Familie, Dr. James Mortimer (Lionel Atwill), ahnt übles und konsultiert Holmes (Basil Rathbone) und Watson (Nigel Bruce) zu dem Todesfall. Er vermutet, dass die Todesursache nicht natürlich war und auch Henry in Gefahr sein könnte, denn auf der Familie der Baskervilles lastet ein Fluch.
Selbstredend, dass Holmes und Watson von dem Aberglauben von Anfang an nicht so recht überzeugt sind. Sie reisen an um sich von der Gegend und den Tatorten einen Eindruck zu machen. Schummrige Nebelschwaden, nächtliche Lichter im Moor, knarzende Dielen und Klinken, die quälend langsam heruntergedrückt werden … das sorgt für Stimmung. Zwar sehen die Schauplätze im Moor gemäß der Zeit zu der der Film entstand sehr künstlich aus, aber atmosphärisch kann der Film ansonsten noch heute überzeugen. Basil Rathbone stellt den Sherlock Holmes mit angenehm dosierter Nonchalance mitsamt einer Prise Überlegenheit dar und passt sogar rein optisch sehr zu dem Holmes wie er im Buch geschildert wird. Leider macht der Film Gebrauch einiger für meinen Geschmack unschöner Muster in Holmes-Adaptionen. Da ist zum Einen der Unsinn mit dem Deerstalker, andererseits ist Watson hier eher hilflos und wird gar etwas dümmlich dargestellt, was sehr traurig ist. Ansonsten eine tadellose Adaption des Klassikers, die schummrige Spätherbst-Stimmung aufkommen lässt.
Der Hund von Baskerville (OT: The Hound of the Baskervilles), USA, 1939, Sidney Lanfield, 76 min, (8/10)
„The Seven Per Cent Solution Trailer“, via movietrailers03 (Youtube)
Kein Koks für Sherlock Holmes
Hier geben sich große Namen die Klinke in die Hand. Der Film basiert auf einem Pastiche von Nicholas Meyer, das in den 1970er Jahren erschien und dessen Grundidee sich einiger Beliebtheit erfreute, aber für Hardcore-Sherlock-Fans vielleicht etwas frontal ist. Watson (Robert Duvall) hat Anlass zur Sorge als ihm zu Ohren kommt, dass sein Freund Sherlock (Nicol Williamson) gelinde gesagt am Durchdrehen ist. Der Detektiv faselt was von Verschwörungstheorien, der Mathematikprofessor Moriarty (Laurence Olivier) sei ein kriminelles Mastermind. Watson weiß, dass Sherlock einen Hang zum Koksen hat. In der Angst, dass er sich bald zu Tode kokst oder mit seinen abenteuerlichen Geschichten bald seinen Ruf ganz zerstört, schafft er ihn unter einem Vorwand zu einem Spezialisten, der ihn von der Sucht heilen soll: zum österreichischen Psychoanalytiker Sigmund Freud (Alan Arkin). Und dort wartet auch schon der nächste Fall und liefert eine ganze andere Erklärung dafür warum Sherlock eigentlich verschwand.
Was hat man sich eigentlich bei dem deutschen Titel gedacht? Der lässt ja eher Trash erahnen. Der Originaltitel The Seven-Per-Cent Solution hat doch eine elegantere Note. Natürlich ist der Film durchaus witzig, aber ich vermute eher für Fans und Kenner des Sherlock-Holmes-Universums. Wenn herauskommt, dass der ominöse Moriarty einfach Sherlocks früherer Hauslehrer war und sich Holmes da mit weit aufgerissenen Augen eine abenteuerliche Verschwörungstheorie zusammenfabuliert, dann hat das schon was. Diese Szenen sind aber nur kurz, Holmes ist später während der Hypnosetherapie eine gezeichnete Gestalt und nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Währenddessen übernimmt vorrangig Alan Arkin als Sigmund Freud das Ermitteln. Watson tritt leider sehr in den Hintergrund. Die Langatmigkeit des Films aber ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Showstopper. Wer den Rollenwechsel und das verkehrte-Welt-Feeling nicht interessant genug findet, der wird wahrscheinlich dem ganzen Film nichts abgewinnen können. Alle anderen werden mit einer ausgezeichneten und rasanten Verfolgungsjagd per Zug(!) belohnt, einem herrlichen Retro-Tennismatch und noch mehr Szenen, die immerhin sehr viel Flair haben. Nur über die angeblichen intelligenten Killer-Pferde muss man großzügig hinwegsehen (oder über die schwarz gekleideten Filmschaffenden, die sie lenken und die man wahrscheinlich eigentlich nicht sehen soll, ähem.) Um das nochmal hervorzuheben: er ist einer von genau zwei Filmen, die ich kenne in denen eine Verfolgungsjagd per Zug vorkommt. Der andere ist Buster Keatons Der General.
Kein Koks für Sherlock Holmes (OT: The Seven-Per-Cent Solution), USA/UK, 1976, Herbert Ross, 114 min, (6/10)
Mord an der Themse
Mord an der Themse ist der schon irgendwie zutreffende, aber unter Sherlock-Fans nicht so geläufige Name der Verfilmung. Bekannter ist der Originaltitel Murder by Decree. Hier wird Sherlock Holmes (Christopher Plummer) von besorgten Bürgern aus Whitechapel angeheuert die Morde an Prostituierten zu untersuchen. Seitdem Jack the Ripper im Londoner Stadtteil wandelt, haben alle Angst und die Käufer bleiben aus. Die Polizei scheint nämlich eine eigene Agenda bei der Aufklärung zu verfolgen. Zusammen mit Dr. Watson (James Mason, den ich auch kürzlich in der Nautilus gesehen habe) nimmt er sich des Falles an.
Die Idee das dynamische Duo & Jack the Ripper aufeinandertreffen zu lassen ist nicht neu. Bereits in Sherlock Holmes‘ größter Fall (aka A Study in Terror) wurden beide Motive vereint. Die Verfilmung hier basiert dabei lose auf The Ripper File von Elwyn Jones und John Lloyd. Sherlock und Watson werden hier auf Augenhöhe dargestellt. Watson ist weder schwer von Begriff, noch ein einfacher Assistent. Er ist einerseits der Mann für’s Grobe, aber ermittelt auch genauso wie Sherlock und ist manchmal die kritische Stimme aus dem Off. Sie werden von Christopher Plummer und James Mason wortwörtlich wie langjährige Freunde verkörpert, die die Schrullen des anderen schon zur Genüge kennen, sich aber mit viel Respekt begegnen. In diesen Rollen sind beide großartig und liefern eine ein Stück weit anders nuancierte Performance ab als man sie von den meisten der älteren Filmadaptionen kennt.
Plummer im Speziellen gibt Sherlock außerdem eine gewisse moralische Gravitas mit auf den Weg – besonders spürbar am Ende des Films. Streitbar ob mit zuviel Mitgefühl. Das war es aber noch nicht mit den großen Namen: Donald Sutherland spielt hier einen Hellseher. 🙂 Was weniger Spaß macht als diese Performances sind die Stadtlandschaften aus dem viktorianischen London, denen man sehr stark ansieht wie sie zusammengeschustert wurden. Schon mehr Spaß machen die schummrigen, nebeligen Gassen und die First-Person-Kamera, hinter der man Jack the Ripper erwartet. Der Plot verstrickt sich in Richtung Verschwörungstheorien und beschreibt einen fast perfekten Kreis. Wäre er nur nicht so unglaublich langatmig inszeniert.
Mord an der Themse (OT: Murder by Decree), UK/Kanada, 1979, Bob Clark, 124 min, (6/10)
Das Geheimnis des verborgenen Tempels
Wie würde es wohl aussehen, wenn sich Sherlock und John das erste Mal als Schüler begegnet wären? So oder so ähnlich muss wohl der Gedanke hinter Das Geheimnis des verborgenen Tempels gewesen sein. Denn hier wird der junge John Watson (Alan Cox) an ein britisches Jungeninternat versetzt, wo niemand geringeres als Sherlock Holmes (Nicholas Rowe) sein Zimmernachbar ist. Im London des viktorianischen Zeitalters wehren sie sich so gegen überhebliche Lästerer, langweilige Chemie-Unterrichtsstunden und sind auf der Seite der Underdogs wie der des Erfinders Waxflatter (Nigel Stock). Als der jedoch auf mysteriöse Weise zu Tode kommt, heißt es: The game is afoot und beide ermitteln zusammen mit Waxflatters Nichte Elizabeth (Sophie Ward)! Das Geheimnis des verborgenen Tempels fühlt sich nicht nur wie ein Sherlock-Holmes-Pastiche an, sondern wie ein Crossover aus Sherlock-Holmes-Figuren in der Welt von Harry Potter mit Indiana-Jones-Feeling! Woran könnte das wohl liegen? 😉 Lesen wir mal nach … .
„Young Sherlock Holmes – Trailer“, via Young Sherlock Holmes – Trailer (Youtube)
Selten hat man in einem Film so stark die Handschrift mehrerer Beteiligter erkannt. Regisseur Barry Levinson dabei vielleicht sogar noch am wenigsten. Stärker schimmert im Drehbuch die Note von Chris Columbus‘ durch – kein Wunder, dass es an Harry Potter erinnert bei den schulischen Eskapaden und dem (Denk)Muskeln spielen lassen bei Fechtduellen und Fährtensuchen. Echt, man glaubt Szenen 1:1 in Harry Potter und die Kammer des Schreckens wiederzuerkennen. Und natürlich sind da die Anleihen und das allgemeine Feeling eines Steven Spielberg-Films. Nicht nur der deutsche Titel Das Geheimnis des verborgenen Tempels erinnert stark an Spielbergs Indiana Jones und der Tempel des Todes, der Film tut es auch.
Können aber soviele verschiedene Einflüsse schlüssig ineinandergreifen und sich trotzdem wie ein Sherlock-Holmes-Film anfühlen? Ja, durchaus. Nebenbei versucht man sogar an Sherlocks und Watsons Origin-Story zu erklären wie die Beiden wurden, was wir kennen. Es ist nämlich auch die Origin-Story von Deerstalker und Pfeife, wobei wir ja wissen, dass das eigentlich auch nicht ganz „Original“ ist. Viel mehr wird aber erklärt wie der „Young Sherlock“ durch seine Erfahrungen auf der Schule und mit der ersten Liebe den Eindruck bekommt, dass das allzu schnell in Verletzung und Ablenkung mündet und stattdessen Logik und Deduktion huldigt. Das ist alles insgesamt ganz schön gemacht. Aber tatsächlich geht neben dem Abenteuerfilmfeeling doch das detektivische etwas verloren. Tatsächlich hat der Film für sein frühes Erscheinungsjahr einige sehr gute Effekte, die auch noch heute mithalten können! Nur der Kunstschnee kann es nicht … .
Das Geheimnis des verborgenen Tempels (OT: Young Sherlock Holmes), USA/UK, 1985, Barry Levinson, 104 min, (7/10)
„Without a Clue (1988) ORIGINAL TRAILER [HD 1080p]“, via HD Retro Trailers (Youtube)
Genie und Schnauze
Der englische Originaltitel trifft es besser: in Without a Clue ist Sherlock Holmes nämlich eine Kunstfigur und wird von einem Schauspieler (Michael Caine) dargestellt, den Dr. John Watson (Ben Kingsley) angeheuert hat. Denn während Sherlock wortwörtlich keine Ahnung hat, ist in Wirklichkeit Watson der geniale Detektiv. Dass „Sherlock Holmes“ aber den ganzen Ruhm abstaubt, passt ihm zunehmends weniger. Er kündigt den Schauspieler und will als „Crime Doctor“ alleine durchstarten. Das gestaltet sich aber eher schwierig. Und als die britische Wirtschaft durch einen Raub mit enormen Ausmaßen erschüttert wird, muss sich der „Crime Doctor“ wohl doch wieder mit dem trinkenden, spielenden und Frauen nachstellenden „Sherlock Holmes“ begnügen.
Ben Kingsley und Michael Caine als Watson/Sherlock-Gespann sind herrlich! Es ist jedes Mal amüsant, wenn Kingsley die Augen rollt, weil sich „Sherlock“ nicht an eine Absprache hält und sich über die Inkompetenz des anderen echauffiert. Kingsley darf mal richtig aus der Haut fahren und Michael Caine komödiantisches Talent beweisen. Aber der Film ist nicht nur ein Schenkelklopfer. Der Kriminalfall ist ok, aber nicht überragend und die Witze sind nicht so hart, dass man vor Lachen Tränen weint. Aber als amüsanter, abwechslunsgreicher Ansatz und Gegensatz ist es allemal schön und traut sich mehr Persiflage zu sein als Kein Koks für Sherlock Holmes. Der Kriminalfall wird neben der Persiflage auch zu einem stimmigen Abschluss geführt und es bleibt sogar Zeit für einen Hauch Charakterentwicklung. Man hätte allerdings anderes kürzen können, das nicht wahnsinnig viel für die Handlung tut – ich denke nur an den Hund, der ständig Sherlock anfällt… .
Genie und Schnauze (OT: Without a Clue), UK, 1988, Thom Eberhardt, 107 min, (7/10)
Mr. Holmes
Sherlock Holmes (Ian McKellen) ist inzwischen stolze 93 Jahre alt und sein Gedächtnis lässt ihn im Stich. Das Wort senil hängt im Raum. Sein legendärer Ruf umgibt ihn immer noch wie eine Aura. Die Menschen denen er begegnet sagen „Ist er das? Ist das wirklich er??“ Seine Haushälterin Mrs. Munro (Laura Linney) sieht das etwas anders. Für sie ist er lediglich ein alter, zänkischer Mann. Ihr Sohn Roger (Milo Parker) ist fasziniert von der Auffassungsgabe Sherlocks und von seinen Fällen. Er eifert ihm nach, während Sherlock krampfhaft versucht seinem müden Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen und den einen Fall zu lösen, an dem er scheiterte.
Der Film ist die Adaption des Romans A Slight Trick of the Mind von Mitch Cullin und somit ein weiteres Pastiche. Und eine Tragödie. Gemessen an der Brillanz Sherlocks und den spannenden Fällen ist es eine bittere Ironie, dass ihn dasselbe Schicksal vieler anderer Menschen ereilt und all das in der ungnädigen Senke der Demenz verschwindet. Und dementsprechend ist Mr. Holmes mehr Drama als Krimi. Regisseur Bill Condon beweist in seiner Umsetzung sehr viel Gespür für die richtige Mischung aus Rückblicken und Stimmungen. Mr. Holmes spielt auf 3 Zeitebenen und konstruiert, was Sherlock Holmes entgleitet. Ian McKellen spielt das großartig. Sein Sherlock ist ein alter, gebrechlicher Mann. Mit Notizbüchern, Krakeleien und scheußlich schmeckendem japanischen Pfeffer (prickly ash) versucht er den Zeichen der Zeit etwas entgegen zu setzen. McKellen setzt die müden Gesichtszüge, die träge Zunge, den abwesenden Gesichtsausdruck der gealterten oder erkrankten auf. Gleichzeitig spielt er aber auf einer anderen Zeitebene einen Sherlock, der zwar auch bereits nicht mehr jung, aber noch fit ist. Stolz, agil, britisch, ein bisschen einsam und von einer scharfen deduktiven Auffassungsgabe. McKellen hat die Figur voll und ganz annektiert. Er ist Sherlock.
Die Atmosphäre changiert in einem perfekten Maß zwischen der Spannung eines gediegenen Krimis in bester Holmes-Manier, einer augenzwinkernden Komödie und einem Charakterdrama. Eine actiongeladene, schnelle Spannungskurve wie in den Guy-Ritchie-Filmen ist nicht zu erwarten und wäre auch sinnfrei in dem Kontext. Das Drehbuch greift Elemente der Sherlock-Holmes-Geschichten auf: Watson und wie er die Fälle aufschrieb, der (fiktive) Diogenes-Club, Sherlocks Hang zur Imkerei und die Einsamkeit, die mit einem klugen Geist einhergeht. Es finden sich aber auch kritische Aspekte, die mit Vorurteilen aufräumen wie die Mütze und die Pfeife, die angeblich Sherlocks Markenzeichen sind. Alles in allem ist Mr. Holmes für mich ein rundum gelungener Film mit einem tollen Cast und das perfekte Mittelding aus Drama, Krimi und leichter Komödie. Und der Film beweist einmal mehr, dass die Figuren Sherlock, Watson & Co. längst unsterblich und unvergesslich sind.
Mr. Holmes, UK/USA, 2015, Bill Condon, 104 min, (9/10)
„Mr. Holmes Official Teaser Trailer #1 (2015) – Ian McKellen Mystery Drama HD“, via Movieclips Trailers (Youtube)
Enola Holmes
Jeder spricht über Sherlock (Henry Cavill) und über Mycroft Holmes (Sam Claflin). Einflussreiche Männer, die das Geschehen Englands lenken. Und wer spricht über Enola (Millie Bobby Brown)? So wie auch die spätere Botschaft des Film nimmt das Enola selber in die Hand. Sie erzählt uns, dass sie die jüngere Schwester von Sherlock und Mycroft ist und dass ihre Mutter Eudoria (Helena Bonham Carter) sie zuhause unterrichtet habe. Und das in allen wichtigen Dingen. Neben Elementarunterricht auch Wissenschaft, Kampfkunst und v.A. für sich selbst einzustehen. Denn wer tut es sonst? Zu Enolas 16. Geburtstag verschwindet aber ihre Mutter. Sie hinterlässt ihr ein paar Rätsel und übergibt sie in die Obhut ihrer Brüder, die sie erstmal in ein Mädcheninternat stecken wollen. Enola flieht, will ihre Mutter suchen und findet dabei einen weiteren Fall, den es zu lösen gilt: der junge Lord Viscount Tewksbury (Louis Partridge) ist auch auf der Flucht – jemand trachtet ihm nach dem Leben.
Enola ist eine Wucht. Der Film macht Spaß, ist lässig, hat einen nicht übertrieben aufgeheizten feministischen Unterton und hält den wichtigen Männern Sherlock und Mycroft den Spiegel vor. Bei Sherlock auf angenehme Weise, Mycroft ist für meinen Geschmack viel zu sehr als eitler, unangenehmer, traditionalistischer Geck inszeniert. Auch Sherlock erkennt man jetzt meines Erachtens nach nicht so wirklich in der Adaption hier wieder. Aber wir wollen uns ja auch auf Enola konzentrieren, die von Millie Bobby Brown in allen Facetten zwischen ungestüm, fröhlich und zu Tode betrübt sehr vereinnahmend dargestellt wird. Schade ist aber, dass der Film seine Mittel zu populären, aber nicht künstlerischem Zweck einsetzt. Enola durchbricht beispielsweise stetig die vierte Wand, indem sie den Zuschauer in bestimmten Momenten verschwörerisch oder hilfesuchen ansieht, mit uns redet oder das eben Geschehene (manchmal eben auch nur mit einem Blick) kommentiert. Das ist herrlich komisch an vielen Stellen. Aber erfüllt es irgendeinen Zweck außer uns noch mehr als ohnehin schon auf Enolas Seite zu ziehen und uns mit ihr zu identifizieren? Fraglich, ob es das gebraucht hätte. Rätsel kommen für meinen Geschmack neben Kampfkunst auch etwas kurz und das Verschwinden von Eudoria ist wohl einer der eher weniger aufregenden Plot Devices. Über die Schwächen täuscht der Film einigermaßen kunstvoll hinweg, indem er einfach ist, was er ist. Ein rasantes Feelgood-Movie mit einer unschlagbaren Botschaft für sich selber einzustehen, die vor Allem aber nicht nur, für junge Frauen wichtig ist.
Enola Holmes, USA, 2020, Harry Bradbeer, 123 min, (7/10)
„Enola Holmes | Official Trailer | Netflix“, via Netflix (Youtube)
Mehr als 70 Schauspieler haben bisher die Figur Sherlock Holmes verkörpert. Ähnliches dürfte dann wohl für John Watson gelten. Man geht davon aus, dass es sich bei Sir Arthur Conan Doyles Geschichten um den am meisten adaptierten Stoff überhaupt handelt. Damit sind Sherlock und Watson aus dem kollektiven Gedächtnis nicht rauszubekommen – und das ist auch gut so. Und entsprechend viele Adaptionen und Spielarten gibt es! Ich habe versucht für eine ausgewogene Mischung zu sorgen. 🙂
D.h. Adaptionen, die so nah wie möglich an die Literaturvorlagen rankommen, Pastiches, Rollenwechsel und ein bisschen Ulk. Bei Ulk hätte ich noch weitermachen können. So habe ich beispielsweise noch nicht Gene Wilder in „The Adventure of Sherlock Holmes’ Smarter Brother“ gesehen. Wird nachgeholt. Was gut geklappt hat: es sind Adaptionen aus allen möglichen Jahrzehnten vertreten! Was fehlt: unterschiedliche Produktionsländer. Vielleicht beim nächsten Mal? Wer übrigens die Guy-Ritchie-Filme vermisst … die waren schon mal wo anders dran. Was ist eure liebste Sherlock-Holmes-Adaption? Welche der oben genannten kennt ihr? Und welche hat eurer Meinung nach die Welt nicht gebraucht?
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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