Serien-Besprechung: „Supernatural“ Season 15

Ob die Leser des Blogs hier schon die Nase voll von den Supernatural-Beiträgen haben? So atmet auf: das ist die Besprechung der letzten Staffel. (Aber ups. Nicht der letzte Beitrag. 🙂 ) Seit November/Dezember letzten Jahres habe ich alle bisher ungesehenen „Supernatural“-Staffeln aufgeholt, angefangen mit der elften. Ja, ich hatte eine Pause. Ausschlaggebend für das Weiterschauen war nun eben, dass die Serie endete. Uff. Ein Ende nach 15 Jahren. Das ist eine lange Zeit. Ich muss gestehen, der Abschied fällt mir schwer trotz und vielleicht auch gerade wegen der langen Zeit und der Höhen und Tiefen der Serie. Der Beitrag ist spoilerfrei für Staffel 15, aber nicht für alles davor. Eine Diskussion des Finales voller Spoiler findet ihr aber hier.

Nachdem sich im Finale der vierzehnten Staffel Gott alias „Chuck“ (Rob Benedict) als der „true and only big bad“ outet, tut sich wortwörtlich der Erdboden auf und die Umgebung wird von einer Horde Geister heimgesucht. Sam (Jared Padalecki), Dean (Jensen Ackles) und Castiel (Misha Collins), haben damit zuerst einmal alle Hände voll zutun, bevor sie einerseits um Jack (Alexander Calvert) trauern können und andererseits mit Abstand auf ihr Leben zurückblicken. Welche Entscheidung haben sie aus freiem Willen getroffen? Welche hat Chuck ihnen nur auf den Leib geschrieben? Hatten sie jemals freien Willen? Insbesondere Dean hat das Gefühl stets nur das Spielzeug Chucks gewesen zu sein und in einem Hamsterrad zu laufen und sich abzukämpfen – für was? Zur Belustigung eines Dritten?


„Supernatural Season 15 „Believe“ Trailer (HD) Final Season“, via TV Promos (Youtube)

Ein grausamer Gott

Die Ausgangslage sorgt für einen Plan, der durchaus mutig ist. Sam und Dean beschließen Gott umzubringen. Dafür gehen sie einige Allianzen ein und folgen Plänen, die mal mehr, mal weniger vielversprechend sind und einige bekannte Gesichter wiederbringen. Zudem sind durch den Höllenschlund zusammen mit Geistern auch einige Entitäten entkommen, mit denen die Brüder schon mal zutun hatten. Das bringt Gaststars zurück über die man sich freut, aber ganz im Stile Supernaturals auch ab und zu den Effekt des „du schon wieder … .“ Worin die Serie schon immer gut war, ist die Meta-Ebene. So platziert sich Gott als Autor und Geschichtenerfinder, der das Schicksal aller in der Hand hat. Seine Arroganz und Willkür platziert Chuck ganz bewusst in Sätze wie

„I can do anything I want, I’m a writer“.

Das interessante dabei ist, dass sich damit die Autor*innen von Supernatural indirekt, aber vielleicht auch ganz bewusst, zum Bösewicht machen. Denn auch sie sind diejenigen, die die Geschichte mehr oder weniger in der Hand haben. Die Frage ist natürlich: inwiefern bekommen sie Auflagen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln soll? Sich selbst in die Rolle des Bösewichts zuzuschreiben ist ein spannender Kniff. Fakt ist: es werden nie alle mit dem Ende zufrieden sein. Für irgendwen sind sie „die Bösen“. Erst recht bei einer Serie, die so lange existiert.

Umso grandioser aber auch grausamer: das Spiel mit dem freien Willen. Haben sich Sam, Dean und Castiel ab Staffel vier ca. als Team Free Will bezeichnet, ist der Gedanke „Waren wir jemals frei? Selbst als wir rebellierten?“ eine unheimlich gute und bittere Note. In der Serie setzt sich Chuck irgendwann hin und schreibt ein Ende. Zuerst ein schwaches, dann ein grausames. Er diskutiert es sogar mit seinem ehemals größten Fan Becky (Emily Perkins). Einer früher nicht gerade vorteilhaft angelegten Figur, die sich aber in Staffel 15 gemacht hat und als Stellvertreter für das Fandom betrachtet werden kann. Sie ist gelangweilt von dem ersten Ende, aber schockiert von seiner überarbeiteten Version. Welches ist das, was Sam, Dean und Castiel bekommen haben? Oder wohin hat sie der freie Wille geführt, wenn sie den denn jemals hatten?

Family don’t end with blood

Neben dem Motiv des grausamen Gottes und der Frage nach freiem Willen, spielt auch Familie und das was die Charaktere vom Leben wollen eine große Rolle. Dean will dem Hamsterrad entkommen. Sam trifft am Anfang der Staffel eine schwere Entscheidung, die ihn lange verfolgt und orientierungslos zurücklässt bis ihm das Schicksal etwas wiedergibt. Castiel leidet darunter, dass er seine Familie verliert. Jacks Tod nagt schwer an ihm und Dean gibt ihm immer noch die Schuld an Marys Tod. Es kommt gar zum Bruch zwischen den Beiden. Als ein Charakter zurückkehrt (kein Quatsch, schon wieder), spielt Vergebung eine enorm große Rolle. Und was sehr schwer anzuschauen ist wie diese Vergebung in einem Fall erreicht wird, in einem anderen nicht. Was erwartet man von einer letzten Staffel? Schwere Abschiede? Check.

Entsprechend gibt es Bedarf an etwas Comic Relief. Und das ist neben Meta-Fiktion worin Supernatural 15 Jahre lang brillierte. In Anbetracht der Lage strotzt die Staffel nun nicht vor weiteren Scoobynaturals, French Mistakes oder ähnlich witzigen Eskapaden. Aber immerhin lernen Sam und Dean in 15×10 „The Heroes‘ Journey“ das Leben normaler Menschen kennen. Chuck entzieht ihnen den Protagonisten-Bonus und plötzlich haben sie erschreckend normale Probleme wie Zahnschmerzen, Erkältungen und der Impala bleibt auch mal liegen. Das Stamina und die steten Reparaturen haben 15 Jahre lang Besitzer von alten Autos verärgert. 😉 In Episode 15×11 „The Gamblers“ wird nichts anderes als das Glück in Person herausgefordert und die Brüder spielen bei einigen Partien Pool Billard um ihr Leben. Da ich selber gerne mal Pool spiele, war das schon eine der atmosphärischeren Episoden für mich. Und für das was sie vorhaben können sie sicher Glück gebrauchen. Ein Leben voll Lunchpaketen, frisch gewaschener Wäsche und rauschenden Weihnachtsfeiern mit Festtagsschmauß, das ihnen stets verweigert blieb, bekommen sie in 15×14 „Last Holiday“ als sie einen guten Geist im Bunker finden, der beginnt für sie zu sorgen. Leider gibt es aber auch Kleingedrucktes, das sie anfangs übersehen.

Carry On

Und dann kommen wir zum Ende, zum letzten großen Kampf um das Schicksal der Menschheit und dem Finale. Die Showrunner und Autor*innen haben hier eine recht mutige Entscheidung getroffen und spielen mit den Erwartungen des Zuschauers: der Kampf gegen Chuck findet in der vorletzten Episode statt. Was kann da noch die letzte Episode bringen? Lasst euch überraschen. Ohne an der Stelle zu viel verraten zu wollen ist gerade die letzte Episode „Carry On“ auch der Knackpunkt und Anstoß von mächtig viel Kritik. Die auch ich teile. An und für sich hat sich die letzte Staffel wie auch die Serie im Allgemeinen einiges getraut – aber an den falschen Stellen.

Es ist ziemlich mutig, dass Gott hier als grausam und egoistisch dargestellt wird – und letzten Endes die Winchesters und ihre Wahl-Familie versuchen Gott zu töten. Falls das unter religiösen Fans zu Aufschreien gesorgt hat, habe ich es nicht mitbekommen. Wahrscheinlich war aber auch dieser Chuck soweit von allen Vorstellungen über Glaube und Gott entfernt, dass ein Aufschrei nicht nötig war. Ansonsten hätte das Finale im Großen und Ganzen aber zeitgemäßer ausfallen können.


„Supernatural Season 15 „Run Baby Run“ Trailer (HD)“, via TV Promos (Youtube)

Es gibt kleine Dinge, die nicht gut gelungen wirken wie die unheimlich kitschigen Kostüme und schlechten Effekte der viel zu sehr in die Länge gezogenen Ghostpocalypse am Anfang der Staffel. Es gibt viele Auftritt von gemochten Gaststars, die eine bittere Note haben, aber trotzdem die Freude nach sich ziehen, dass sie dabei waren. Es gibt aber auch vernachlässigte Schicksale (Stichwort Eileen), welche die schlimmer sind als ihr vorheriges Ende (Kevin Tran neben einigen anderen) und Handlungsfäden die zu einem Ende geführt werden mussten, die aber ganz klar nie richtig aufgegangen sind wie der um „Dark Kaia“. Und vor Allem gibt es leider viele schlechte Entscheidungen.

Supernatural beweist in seiner letzten Staffel bis zum Finale ein gutes Gespür für das, was ihre Charaktere antreibt. Familie, den Wunsch von Freiheit und die Möglichkeit sich ein Leben nach freien Vorstellungen zu gestalten. Der finale Kampf funktioniert bis dahin gut und schafft es vor Allem ein definitives Ende auf den Bildschirm zu bringen. Das lange angeteaserte Schicksal einiger geliebter Charaktere wie Castiels erfüllt sich und das auf eine Weise, die der Fandom wohl so in der Art erwartet hätte. Einiges davon ist wünschenswert, anderes nicht. Ein definitives Ende zu zeigen schon. Denn nichts wäre schädlicher für eine Langläufer-Serie als ein halbherziges oder halb offenes Ende.

Davon mal abgesehen verliert sich die Staffel aber auf schmerzhafte Weise in zu vielen bemühten Episoden, in denen die Serienlogik und -welt viel zu stark herausgefordert wurde. Aus allen Ecken kommen Bösewichte zurück, ehemals neutrale Charaktere/Entitäten werden nun plötzlich machtgierig und insbesondere für zwei Figuren, die von den Toten auferstehen(!) gibt es gleich mehrere Auferstehungen und demzufolge weitere Tode (!!). Ernsthaft? Ernsthaft! Das ist einfach viel zuviel Fantasy-Geschwurbel aus der langen Historie Supernaturals, das auf Kosten der Charakterentwicklung und Sinnhaftigkeit geht. Es gebe einige große Entwicklungen in der Serie, die mehr Screentime verdient hätten als öde Cases of the Week (wobei die ja meistens ein klitzekleines Mü zur Charakterentwicklung beitragen) oder diese bemühten Eskalationen um das Ende noch schlimmer oder die Lage noch auswegloser zu machen als es ohnehin schon ist.

Trotz der Bemühtheit ist die Staffel solide für eine so lang laufende sich manchmal selbst im Kreis drehende Serie. Was es aber leider vergeigt ist die letzte Episode, die zum Teil das Erbe Supernaturals mit Füßen tritt. Nämlich, dass Familie nicht nur durch Blut definiert ist und dass unsere Helden sich nach einem Leben nach Apokalypsen sehnen. Es ist eine solide Staffel, die aber nicht das Gewicht und die Größe eines Serienfinales erreicht wie es eine 15 Jahre laufende Serie verdient hätte. Am allermeisten trifft mich aber der mangelnde Mut, das mangelnde Verständnis für die Charakterentwicklung, den mangelnden Konsens zu vorherigen Staffeln und die mangelnde Repräsentation alles nicht cis-hetero-weißem in der Serie. (6/10)

Sternchen-6

Aus gegebenem Anlass – Noteworthy „Destiel“-Moments, enthält keine Spoiler für das Geschehen ab Episode 15×18

Als Destiel-Shipper kann ich mir den Absatz nicht verkneifen, auch wenn ich nochmal in meiner spoilerbehafteten Besprechung des Finales Worte zu „Destiel“ finde. Ob es nun noch größere Offenbarungen im Finale der Staffel in punkto „Destiel“ gab, lasse ich hier aus und kann auch nur auf den Diskussionsbeitrag verweisen. Kann ja sein, dass vielleicht doch einige Leser*innen hier nicht gespoilert werden wollen und auch noch nicht durch das Internet mitbekommen haben, ob da nun noch was kommt oder nicht. Durch Cas‘ Deal mit The Empty in der 14. Staffel waren sich aber denke ich alle sicher, dass Castiels wahres Glück irgendwas mit Dean zutun hat. Oder mit seiner Familie? Oder dass er endlich in der Lage ist sich für frühere Verfehlungen zu verzeihen? Die Möglichkeiten für verschiedene Ausgänge sind eben doch da. Und wir sind ja schon einiges an Queerbaiting gewohnt … .


„spn scenes that hit different now destiel is canon – part 6“, via lampstiel (Youtube)

Zu Beginn der Staffel sieht es gar nicht mal so gut aus. Da Dean ihm immer noch die Schuld für Marys Tod gibt, obwohl jeder von ihnen gewusst hat, dass mit Jack irgendwas nicht stimmt, entzweien sie sich. Nach einem Streit geht Cas. Ihr „Schlussmachen“ dauert über zehn Episoden bis sich die Wege wieder kreuzen und Dean in einer sehr emotionalen Szene Cas vergibt und sich selbst und seine Aggressionsprobleme reflektiert. Man kann also durchaus sagen, dass sich die Staffel viel Zeit nimmt um die Beziehung zwischen Dean und Castiel zu entwickeln und kumuliert sogar bis zu einem gewissen Punkt, auf den „Destiel“-Shipper gespannt sein dürfen. Aber ich bremse an der Stelle auch ein wenig: erwartet nicht nicht zuviel.


„spn scenes that hit different now destiel is canon – part 7“, via lampstiel (Youtube)

Aus der Videoreihe gibt es auch noch Teil 8 – Achtung Spoiler!

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Ich gebe zwar 6 Punkte, aber zwei davon gehen allein an Misha Collins. Tatsächlich habe ich die Staffel schon vor über zwei Wochen zu Ende geschaut und war danach relativ zerstört. „Supernatural“ hat mich lange begleitet und das Ende aus Gründen enttäuscht, die ich wo anders nochmal genauer darlege. Danach durchlief ich die Phasen der Trauer – kein Quatsch. Ich war so am Boden zerstört, dass ich ein paar Tage nur seufzend durch die Wohnung lief. Ich habe das nicht erwartet, weil ich mir ja durchaus bewusst war, was ich an der Serie schon früher nicht so gelungen fand. Aber wenn man ein gewisses Maß an Zeit damit verbracht hat, dann kann einen sowas schon treffen. Inzwischen bin ich fähig auch mal eine andere Serie zu gucken. Aber hin und wieder schaue ich mir eine alte Folge an, die ich sehr mochte. Mit welchen Erwartungen geht ihr an die letzte Staffel ran? Oder seid gegangen!? Falls ihr spoilerlastig diskutieren und kommentieren möchte, lege ich euch sehr den Artikel über das Finale ans Herz. Redet dort gern mit mir.

5 Antworten

  1. […] an dem Lockdown und dem Wunsch mal etwas ganz anderes zu machen und daran, dass ich anlässlich des Serienfinales wieder mehr Supernatural schaute. Ich bekam Wind von der Mini-Hunt, las eine Weile darüber wie […]

  2. […] ich nun in gewohnt um Spoilerfreiheit bemühter Art die letzte Staffel besprochen habe und in einem durchaus spoilerlastigen Artikel das Finale in seine Bestandteile […]

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