Mit sechs geschauten Filmen ist bei mir in Woche drei des „Horrorctober“ so ungefähr Halbzeit. Zur Erinnerung: beim Horrorctober geht es darum im Halloween-Monat Oktober dreizehn Horrorfilme (oder alles was annähernd dazu gehört) zu schauen. Was geschaut wird, legt man vorher fest. Sechs Filme und der Oktober ist mehr als halb rum – puh, ich könnte schneller sein. Während mich letzte Woche das „real life“ abgelenkt hat, war es dieses Mal eher eine Serie, die mich von meiner Filmliste abgehalten hat.
The Void
Als Deputy Daniel Carter (Aaron Poole) auf der Straße einen Mann aufschnappt, der wortwörtlich panisch aus dem Wald gekrabbelt kommt, denkt er an nichts schlimmes außer einen Betrunkenen oder Zugedröhnten. Er bemerkt, dass der Mann verletzt ist und bringt ihn in das nächstgelegene Krankenhaus, in dem auch seine (Ex?)Frau Alison (Kathleen Munroe) gerade Nachtschicht schiebt. Was gewöhnlich beginnt, mündet ins Extreme. Plötzlich ist das Krankenhaus von Vermummten umzingelt, die alles abstechen wollen, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, im Krankenhaus selber treibt ein grausiges Monster sein Unwesen, das nach und nach alle um sich herum zerschnetzelt, ein Bewaffneter stürmt mit seinem Kumpel in das Krankenhaus und will den eingelieferten Junkie umbringen und zu guter letzt steht eine Schwangere kurz vor der Geburt ihres Kindes in dem inzwischen von der Außenwelt abgeschnittenen Krankenhaus.
Eigentlich wollte ich The Void mögen. Der Film ist ambitioniert, die Effekte und die Maske sind irre gut und alptraumhaft – und darum geht es ja. Der Mix aus Body Horror, kosmischem Einfluss und Sekten-Alptraum erinnert an H.P. Lovecraft. Der Vergleich ist auch tatsächlich nicht weit hergeholt, denn Gillespie (einer der beiden Regisseure) arbeitete im Umfeld Guillermo del Toros als der versuchte seine Visionen zu Lovecrafts At the Mountains of Madness an den Mann zu bringen. und ist was die Optik und Ambitionen betrifft gut konstruiert. Was den Rest betrifft, aber eher schlecht und das ist das signifikante Problem von The Void. Es gibt zuviel Nonsense, der sich nicht ausblenden lässt – allen voran die Story, die jeglicher Logik trotzt. Da werden Körper mit Benzin übergossen und mit einer Zigarette angezündet – bitte nicht nachmachen liebe Kinder, seid euch einfach gewiss, dass es nicht funktioniert. Ähnlich struntzdoof ist es wie aufgeregt die Charaktere herumrennen und eine ziemlich variable Agenda verfolgen – bestes Beispiel ist wohl der von Daniel Fathers gespielte Vater und sein Sohn, die anfangs am liebsten ohne Rücksicht auf Verluste alle erschießen wollen und dann plötzlich ganz artig sind. Weniges an der Handlungen ergibt Sinn. Ein Beispiel: Warum den aggressiven Junkie mitschleppen statt ihn angekettet zu lassen, wenn er eh alle 5 Minuten einen Koller kriegt? Das sind wohl die größten Baustellen des Films. Es ist das Verhängnis des Films, dass er zu ernst ist, um als Trash zu gelten. V.A. durch ein Thema, das eigentlich mehr Gewicht erfordert: den Verlust eines Kindes. Und dann sind da die technischen Schwächen des Films wie der Ton. Klar, es ist Trend, ordentlich an der Amplitude zu drehen und den Zuschauer aus der comfort zone und aus dem Sessel zu scheuchen. Aber warum muss der Film in der einen Sekunde so dröhnend laut sein, dass man von der Couch fällt, wiederum aber ansonsten so leise, dass man kaum etwas versteht. Soll ich jetzt leiser oder lauter drehen? Ist das gewollt oder ein „Feature“ der DVD? In jedem Fall ein Film, der optisch hervorragend gruselig ist, aber dessen Handlung eine aus den falschen Gründen die Haare zu Berge stehen lässt.
The Void, Kanada/USA/UK, 2016, Steven Kostanski/Jeremy Gillespie, 90 min, (4/10)
„Train to Busan Official Trailer #1 (2016) Yoo Gong Korean Zombie Movie HD“, via Zero Media (Youtube)
Train to Busan
Schaut man den koreanischen Streifen, sind schnell alle Witze und Vergleiche á la „Snakes on a Plain/Zombies on a Train“ vergessen. Yeon Sang-hos Train to Busan spinnt ein erschreckend effektives Szenario. Was ist einer der Orte, an denen du auf keinen Fall während der Zombie-Apokalypse sein möchtest? Richtig. Einem abgeschlossenen Ort mit vielen Menschen unter denen Infizierte sind. Zu Beginn der Handlung lernen wir den Fondsmanager Seok-woo (Gong Yoo) kennen, der sich gerade im Sorgerechtsstreit mit seiner Ex-Frau befindet. Die gemeinsame Tochter Su-an (Kim Su-an) lebt aktuell bei ihm und er besteht darauf, aber er setzt sich kaum mit dem Kind auseinander und definiert sich „kümmern“ damit den Lebensunterhalt zu sichern und zu arbeiten, arbeiten, arbeiten. Su-an möchte ihren Geburtstag bei ihrer Mutter verbringen und so steigen beide am nächsten Tag in den KTX-Schnellzug nach Busan. Mit ihnen steigt eine Frau ein, die eine fatale Bisswunde hat und schon bald die anderen Passage anfällt. Innerhalb der nächsten Stunden verwandelt sich das Land in ein Schlachtfeld im Ausnahmezustand, was die Passagiere des Zuges mit ein wenig Verspätung mitbekommen. Auf ihren Handys und Tablets sehen sie es in den Nachrichten während man in anderen Teilen des Zugs bereites um sein Leben rennen muss. Automatische Türen können eine Bitch sein.
Yeon Sang-ho lässt in dem Film nach einem Drehbuch von Park Joo-suk kein Szenario offen, das hier denkbar ist. Blockierte Gleise, ein Versuch an einem Bahnhof zu halten, Menschen die andere nicht in ein vermeintlich sicheres Abteil lassen wollen, weil sie sie für infiziert halten – alles dabei. Während der Film anfangs die grundlegende Rahmenhandlung auslotet (Zombies – nirgends ist es sicher – weder wenn man hält, noch wenn man fährt) widmet er sich später den extremen Handlungen zu denen Menschen im Angesicht des Todes fähig sind. Und der große Clou dabei ist, dass er mit den üblichen und überstrapazierten Regeln des Genres bricht. Die Menschen hier sind normale Leute wie du und ich. Sie tragen keine Schusswaffen bei sich und der Zug hat auch dahingehend wenig zu bieten. Und die Zombies gehören leider zu der Art „verdammt schneller Zombie“ und nicht „langsam-schlurfender Zombie“. Die Zeichen stehen also schlecht. Im Zentrum der Handlung steht das Motiv, dass man nicht rücksichtslos durch das Leben gehen darf, sondern auch nach links und rechts schauen sollte. Genau das Gegenteil dessen lehrt Seok-woo seiner Tochter, die es aber besser weiß. Er schätzt zwar sein eigenes Leben und das seiner Tochter, aber andere Menschen gehen ihn nichts an. Er ist abgestumpft. Aber er ist kein schlechter Mensch. Die Begegnungen mit den anderen Passagieren, die um ihr Leben kämpfen und ihm oder Su-an auch mal den Arsch retten und der eine oder andere Akt der Menschlichkeit öffnet ihm vielleicht die Augen. Besonders gut hat mir u.a. die Rolle Ma Dong-seoks als resoluter werdender Vater gefallen, denn auch das lässt der Film nicht aus. In so einem Zug sitzen Menschen jeden Alters und jeglicher Verfassung. Train to Busan ist ein erstklassiger Zombiefilm, oder viel mehr ein Spannungsfilm. Die Schnitte und die Szenengestaltung sind auf den Punkt und er ist mitreißend und entlarvender und vielleicht der beste Zombiefilm der letzten Jahre, auch wenn er das Genre nicht neu erfindet.
Train to Busan (OT: 부산행 „Busan-haeng“), Südkorea, 2016, Yeon Sang-ho, 118 min, (9/10)
Und sonst so?
Wie oben schon angedeutet, hat mich diese Woche eine Serie vollkommen in Beschlag genommen. Eigentlich wollte ich Netflix zuvor kommen und Shirley Jacksons The Haunting of Hill House lesen, bevor die Serie rauskommen würde. Nicht zuletzt, weil ich von ihr letztes Jahr das erste Mal einige Kurzgeschichten las und angefixt wurde. Sie hat pointierte Gesellschaftsgeschichten geschrieben und in einigen deutete sich an, was für ein Potential für menschliche aber auch übermenschliche Abgründe sie einfangen kann. Aber ich habe es aus den Augen verloren und tada, plötzlich war Oktober. Und nun habe ich sie geschaut, ja quasi für meine Verhältnisse gebinged und was soll ich sagen? Soviel darf ich vorwegnehmen: sie wird auch meiner Meinung nach ihrem Ruf gerecht.
„The Haunting of Hill House | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)
Spuk in Hill House (The Haunting of Hill House)
Mike Flanagan kann Horror. Er führte bei einigen Mysteryfilmen wie Oculus Regie und auch jüngst in Netflix‘ Adaption des Stephen-King-Buchs Das Spiel (Gerald’s Game). Da war der Weg zu Netflix‘ Adaption des Shirley Jacksons Gruselromans The Haunting of Hill House wohl nicht weit. Und es ist mehr als gelungen, auch wenn die grundlegende Handlung eine andere ist als im Buch. Es erzählt die Geschichte der siebenköpfigen Familie Crain. Vater Hugh (Henry Thomas) und seine Frau Olivia (Carla Gugino) haben Hill House gekauft und wollen das alte Anwesen sanieren und weiterverkaufen und damit ein nettes Sümmchen für sich herausschlagen. Die Kinder aber sind sensibler als die Eltern und nehmen Dinge wahr, die sich den Blicken der Erwachsenen (noch) entziehen. Es spukt in Hill House. Aber keiner glaubt ihnen. Bis es passiert. Jahre später sind die Kinder erwachsen und haben sich von ihrem Vater Hugh (Timothy Hutton) distanziert. Der älteste Steve (Michiel Huisman) hat mit seinen Büchern über Spukhäuser wie Hill House das große Geld gemacht, Shirley (Elizabeth Reaser) will von all dem nichts wissen und arbeitet als Bestatterin, Theodora (Kate Siegel) lebt bei ihrer Schwester Shirley und geht ihrem Job als Kinderpsychologin nach, Luke (Oliver Jackson-Cohen) befindet sich im Entzug und versucht dem Griff des Heroin zu entkommen, aber Nellie (Victoria Pedretti) bekommt unerwartet Besuch vom Horror aus Hill House und beschließt sich dem Haus erneut zu stellen, was die Familie wieder aufeinandertreffen lässt und Erinnerung und Geister weckt, die manche von ihnen lieber ruhen gelassen hätten.
Spuk in Hill House ist eine Geschichte über Familie. Familie bedeutet manchmal anderer Meinung zu sein. Eine gemeinsame Geschichte zu haben. Sich zu verletzen, aber auch füreinander da zu sein. Sich und vor Allem andere vor unangenehme Wahrheiten zu stellen. Manchmal bedeutet es kein Blatt vor den Mund zu nehmen, aber auch die Hand zu halten, wenn alle anderen schon längst gegangen wären. Niemand kennt uns so gut wie unsere Familie und niemand hat die Höhepunkte genauso wie die Täler unseres Lebens so am eigenen Leib miterfahren, mit uns gefeiert, mit uns gelitten. Blut ist dicker als Wasser bedeutet, dass Familie bindet. Die Serie handelt v.A. davon, was für eine Katastrophe es ist, wenn Familie sich gegenseitig im Stich lässt. Aber vielleicht auch von der Vergebung und Gnade, die sich nur Familie schenken kann. Und von Liebe. Die Serie beginnt mit einem harten Aufhänger. Wir erfahren, das vor vielen Jahren die Mutter der Kinder in Hill House umgekommen ist, es bleibt lange unklar was genau passiert ist. Alle Spielarten sind anfangs möglich. Hat Hugh sie umgebracht? War sie besessen? Ist sie durchgedreht? Gibt es Geister? Gibt es sie nicht? Es ist ein Drama, dass die Familie erschüttert und vielleicht sogar auseinander gerissen hat.
Jahre später fährt Nellie zurück nach Hill House und wird nicht lebendig zurückkommen. Von da erfährt man in schönster Regelmäßigkeit in Rückblicken wie das Leben der Kinder verlief und was ihre Schlüsselerlebnisse in Hill House waren bis zum Höhepunkt bei dem sich die Familie gegenseitig und zum Schluss Hill House stellen muss. Und das tut die Serie mit einer exzellenten Mischung aus menschlichem Drama und Horror. The Haunting of Hill House kann es alles: jump scares, subtilen und unterschwelligen Grusel und hat Verständnis für den Horror wie ihn ein Kind erlebt, ein Drogenabhängiger, eine Mutter und soviele mehr. Es gibt soviele Aspekte, die die Serie interessant machen, dass sie gar nicht in einen Artikel passen. Beispielsweise die Anspielungen an das Buch (von Dr. Montague bis hin zu „Shirley“), das Spiel mit den Zeitebenen oder den Umstand, dass die Kinder und ihre Mutter scheinbar empfänglich für das Übernatürliche sind. Vollkommen unverkitscht wird erzählt, dass Theo beispielsweise auf Berührung reagiert und „Dinge“ spürt – aber ohne den üblichen Pathos. Und all diese Elemente greifen in der fast episodenhaften Erzählung in einem fulminanten Ende ineinander, das uns alle unsere Fragen beantwortet und alle losen Fäden ineinanderlaufen lässt. Das Drehbuch ist vielleicht perfekt, auch wenn es im Finale Aspekte hat, die der eine oder andere Zuschauer fragwürdig finden wird. Nichtsdestotrotz hat selten hat eine Horrorserie so gut das Übernatürliche und ein Leitmotiv verknüpft, dass tief in uns allen verwurzelt ist. Denn ob du Familie hast oder nicht, ob du mit ihnen redest oder zusammen lebst oder sie schon ewig nicht mehr angerufen hast: zu Familie hat jeder eine Meinung und eine Bindung. Vielleicht ein guter Tag heute mal wieder zum Telefon zu greifen. Übrigens ein kleiner Tipp am Rande, falls ihr die Serie noch nicht geschaut habt: achtet mal auf die zahlreichen Geister im Hintergrund, die die Familie Crain beobachten. Da gibt es noch mehr zu sehen als das, was dem Zuschauer ganz offensichtlich gezeigt wird.
(9/10)
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung und Filmliste
Woche 1 mit „It Comes at Night, „Suspiria“, „The Nun“
Woche 2 mit „Creep“, „American Horror Story: Roanoke“
Übrigens ist meine Lust das Buch zu lesen nicht abgeebbt, seitdem ich etwas recherchiert habe und nun weiß, dass Serie und Buch scheinbar nicht viel miteinander gemein haben. Vermutlich lasse ich etwas Zeit ins Land gehen und widme mich Jacksons Literaturvorlage mal nächstes Jahr. Vielleicht zum Horrorctober? 🙂 Dieses Jahr ist mir übrigens entgangen mir ein gruseliges Buch zu schnappen. Ich lese aber zumindest gerade „Der Meister und Margarita“ – da treibt der Teufel sein Unwesen in Moskau. Das ist bis jetzt tragisch und komisch. Habt ihr eine Empfehlung für ein richtig gruseliges Buch? Und habt ihr die oben besprochenen Filme und Hauting of Hill House schon gesehen? Wie ist eure Meinung dazu?
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