Eines der ungeschriebenen Gesetze meiner Werkschauen ist: im Halloween-Monat Oktober muss es was dunkles und gruseliges sein. So gab es an der Stelle im letzten Jahr einen Blick auf asiatische Horrorfilme und im Jahr davor war beispielsweise nichts geringeres als die Apokalypse dran. Etwas, das ganz andere Ängste weckt als Geister, Vampire oder Dämonen. Nicht, dass es Vampire nicht auch schon gegeben hätte. Oder: die Urangst der Veränderung wie im Body Horror. Ja, gruselig geht auf verschiedene Weise. Heute widmet sich die Werkschau aber einer Figur, die Thema zahlreicher Grusel- oder Horrorstoffe ist und dabei grundverschieden dargestellt wird: Nämlich den Hexen. Heute in sieben Filmen.
Die Hexen von Eastwick
Die Bildhauerin Alexandra (Cher), die alleinerziehende Mutter Sukie (Michelle Pfeiffer) und die geschiedene Musikerin Jane (Susan Sarandon) sind beste Freundinnen und von den Männern in ihrem Leben und Umfeld enttäuscht. Bei einem Frauenabend mit reichlich Martini wünschen sie sich einen gutaussehenden Fremden her. Und bekommen Daryl Van Horne (Jack Nicholson). Der Fremde ist stinkreich, zieht in das große, verwaiste Anwesen des ansonsten eher kleinstädtischen Eastwicks und wird bald einziger Gegenstand des Buschfunks. Er scheint es gleichzeitig auf alle drei Frauen abgesehen zu haben. Was sie noch nicht wissen, nur erahnen: sie haben ihn tatsächlich hergewünscht, denn gemeinsam haben sie besondere Fähigkeiten. Was sie aber auch nicht wissen: Er ist nicht nur ein Produkt ihrer Fantasie, sondern niemand geringeres als der Teufel.
Die Botschaft des Films wurde ein bisschen vom Zeitgeist abgehängt. Gemessen am Erscheinungsjahr 1987 des Films, wurden die drei Frauen als selbstbewusst und modern charakterisiert. Die drei sind Frauen, die Familie, persönliche und berufliche Weiterentwicklung vereinen und Spaß haben wollen. Von ihrem piefigen Umfeld werden sie als Außenseiterinnen gebrandmarkt, die das angeblich lohnenswerte Bild von Familien nach dem Schnittmuster Mutter, Vater, Kind, Gartenzaun, Labrador im Vorgarten nicht erfüllen. Aber zusammen sind sie stark. Aufgrund ihrer späteren ménage à quatre mit Van Horne werden sie gar als Huren beschimpft und zum Stadtgespräch. Man wartet förmlich darauf bis die Mistgabeln vorgeholt werden. Dass aber ein chauvinistischer Typ herkommt und ihnen allen etwas ins Ohr flüstert, was sie vor Verzückung in die Knie gehen lässt, ist doch eine reichlich olle Geschichte. Jack Nicholson spielt somit einen fantastischen Teufel, aber einen moderaten Verführer. Der Funke springt also gelinde gesagt nicht so richtig über, wenn man die einzelnen eigentlich recht guten Zutaten zusammennimmt. Vor Allem schmerzt es, dass das Potential der Frauen und ihrer Fähigkeiten so nebenbei abgekanzelt wird. Und das obwohl der Film sie zur ihren titelgebenden Hexen macht. Sieht man das mehr als eine Metapher für das „gemeinsam sind wir stark“, dann gelingt das besser. Elemente wie das „übernatürliche Tennisspiel“ sind auch heute noch ganz witzig und cool anzuschauen, aber stehen relativ unkommentiert im Raum und blähen den Film zu stark auf.
Die Hexen von Eastwick (OT: The Witches of Eastwick), USA, 1987, George Miller, 113 min, (6/10)
„The Witches (1990) Official Trailer #1 – Anjelica Huston Family Horror Movie“, via Movieclips Classic Trailers (Youtube)
Hexen hexen
Dieser Roald Dahl taucht doch echt immer wieder dort auf, wo ich ihn nicht erwartet hätte. Seine Feder entsprang u.a. Charlie und die Schokoladenfabrik oder auch der fantastische Mr Fox. Und wie ich heute gelernt habe offenbar auch DER Hexenfilm meiner Kindheit und wenn ihr mich fragt, DER kultige Hexenfilm schlechthin. Im 90er Jahre Streifen Hexen hexen verschlägt es den kleinen Luke (Jasen Fisher) und seine Großmutter Helga (Mai Zetterling) zum Urlaub an die Küste Englands in das Hotel Excelsior. Lukes Eltern sind erst vor Kurzem gestorben und Helga kümmert sich alleine um ihren Enkel. So hat sie ihn auch vor Hexen gewarnt, denn Helga weiß wovon sie spricht. Eine ihrer besten Freundinnen wurde als Kind von einer Hexe weggeschnappt. So erklärt sie Luke, dass Hexen an dem lila Schimmern in ihren Augen erkennbar sind und daran, dass sie sich oft am Kopf kratzen. Sie haben nämlich eigentlich keine Haare und tragen ständig Perrücken. Wenn Kinder in ihrer Nähe sind, halten sie sich die Nase zu, da Kinder für sie furchtbar stinken. Und deswegen wollen sie sie auch loswerden. Wie es der Zufall so will, checken im selben Hotel auch die Hexen Englands ein und haben ein Treffen, um einen üblen Plan auszuhecken. Dem Luke und seine Oma eventuell in die Quere kommen … .
Wo soll ich anfangen den Film zu loben? Er wurde an Originalschauplätzen gedreht, was bedeutet in den Ländern in denen die Handlung auch spielt. So u.a. offenbar in Bergen in Norwegen, wo Helga herkommt und natürlich im Hotel an der Küste Cornwalls. Der v.A. für sein Horrordrama Wenn die Gondeln Trauer tragen bekannte Nicolas Roeg beweist auch hier Gespür für Atmosphäre. Er vereint den Hexenhorror mit groteskem Äußeren, Mysteryelemente wie die Szenen der in Bilder eingeschlossenen Kinder, Abenteuer wie die von Luke auf Mission den Hexen das Handwerk zu legen und Comedy-Elemente zu einem Film für alle Altersgruppen. Die Effekte sind handgemacht und altern deswegen nicht so stark wie CGI: Puppen, Masken, bunte Kontaktlinsen, echte Mäuse. Aber viel wichtiger: er macht eine Oma, zu dem was bekanntermaßen alle Großmütter sind – zu einer Heldin. Vielleicht bin ich biased und er ist für mich v.A. deswegen kultig, weil ich ihn schon in meiner Kindheit geliebt habe. Wer den 90er Jahre Film heute schaut, empfindet die Puppen und Prothesen eventuell als weniger charmant. Auch das Bild von Hexen als kinderhassende Giftmischerinnen ist leider sehr stereotyp. Aber soviel Spoiler darf sein: es bleibt nicht dabei. Übrigens: Rowan Atkinson ist als gebeutelter Hotelmanager in einer Nebenrolle zu sehen.
Hexen hexen (OT: The Witches), US/UK, 1990, Nicolas Roeg, 91 min, (9/10)
Hocus Pocus
Kenny Ortegas 90er Jahre Teenagerfilm Hocus Pocus zeigt Bette Midler, Sarah Jessica Parker und Kathy Najimy als schrille Hexengeschwister, die viele hunderte Jahre schliefen und durch einen Zufall in der Gegenwart geweckt werden. Soll das so bleiben, müssen sie bis Halloween-Mitternacht einen bestimmten Zauber ausführen. Die Teenager, die sie aus Versehen geweckt haben, versuchen das zu verhindern. Die Hexen in diesem Film snacken Spinnen, locken Kinder an um sie zu fressen oder ihnen die Lebensenergie zugunsten ihrer ewigen Jugend zu entziehen. Vor Allem aber sind nicht von der hellsten Sorte. Sie sind aufmüpfig, aber leicht zu überlisten. Das Bild der Hexen ist am ehesten noch für Kinder gruselig, alle anderen sind vielleicht von der Darstellung der Hexen eher etwas genervt. Beispielsweise wenn Bette Midler mit Hasenzähnen rumläuft und man sich bei Kathy Najimy stets fragen muss, warum sie so einen schrägen Mund zieht und ob sie möglicherweise einen Schlaganfall hat? So rufe doch jemand einen Krankenwagen! Es kommt deutlich mehr Stimmung dadurch auf, dass der Film zu Halloween spielt. Alles in allem gewinnt er viel durch die Gagdichte. Da sind einerseits die Teenager und ihre Sticheleien und Liebeleien, andererseits der herrliche Culture Clash der Hexen, die das erste Mal mit Bussen, Busfahrern, Halloween und man nehme alleine Straßen konfrontiert werden.
Hocus Pocus, USA, 1993, Kenny Ortega, 92 min, (5/10)
Der Hexenclub
Sarah (Robin Tunney) ist die Neue an der Schule und findet schwer Anschluss. Einzig die Drei offen an Okkultismus interessierten Mädchen Nancy (Fairuza Balk), Bonnie (Neve Campbell) und Rochelle (Rachel True) schenken ihr Aufmerksamkeit und wollen sich mit ihr anfreunden. Sie vermuten, dass Sarah eine begabte Hexe ist und mit ihnen zusammen einen Zirkel bilden kann. Die Sache ist Sarah anfangs nicht Geheuer. Als sie aber von ihrem Mitschüler Chris (Skeet Ulrich) gedemütigt wird, treibt es sie in die Arme der Gruppe, die sich ebenso täglich mit Mobbing konfrontiert sieht. Sie knien sich gemeinsam umso tiefer in die Materie, lernen und sprechen Zauber aus. Bald schon mit Wirkung – und ungeahnten Folgen. Das heißt so ganz ungeahnt ist das zumindest für den Zuschauer nicht. Die Mädchen nutzen die Magie um sich an ihren Peinigern zu rächen und verlieren schnell den Sinn für Moral und Ethik. Das tut schon ein bisschen weh und ist schwer abzukaufen. Wer Mobbing und seelische Schmerzen erfahren hat um danach selber ein gar noch skrupelloserer Mobber zu werden, hat irgendwas verpasst. Die Charakterschwächen dienen natürlich der Aussage des Films, wirken aber eben dick aufgetragen. Als Warnung und Floskel auf Machtmissbrauch und Moral für Teenagerpublikum funktioniert das noch ganz gut. Schade nur, dass das 90er Jahre Drehbuch so verhältnismäßig einfach ist und Zuschauern wie auch Darstellern nicht mehr zugetraut hat. Die Entscheidungen der jungen Frauen sind manchmal schwer zu greifen und unfreiwillig komisch. Die Darstellung der Hexerei hingegen hat was. Es gibt Aspekte, die sicherlich verkitscht und Hollywood-esque sind, aber die Naturverbundenheit und Elemente wie die Blutsschwesterschaft wirken authentischer als Hexerei in anderen Medien dargestellt wird. Nämlich zu oft mit „Begabung für Zauberei“. Davon abgesehen hat der Film für die damalige Zeit einige coole Tricks (auch wenn zumindest das CGI heute verständlicherweise krankt) und einen Soundtrack, bei dem das später erschienene Charmed wohl ein bisschen abgeschaut hat.
Der Hexenclub (OT: The Craft), USA, 1996, Andrew Fleming, 101 min, (6/10)
The Witch
Der Originaltitel des Film, The VVitch: A New-England Folktale, ist quasi die Inhaltsangabe. Denn The Witch handelt von englischen Siedlern, die gerade erst in die „neue Welt“ gekommen sind. Die Familie um den streng gläubigen William (Ralph Ineson) wird aber aus der Siedlung verstoßen. Er, seine Frau Katherine (Kate Dickie) und die fünf Kinder versuchen sich mühsam allein eine Existenz aufzubauen. Das Leben ist ohne den Schutz der Siedlung und Hilfe der Nachbarn umso entbehrungsreicher. Als die älteste Tochter der Familie, die von Anya Taylor-Joy gespielte Thomasin, auf das Neugeborene aufpassen soll, verschwindet es innerhalb weniger Sekunden vor ihren Augen. Ein verheißungsvolles Rascheln im Wald, keine Spur von dem Baby. War hier eine Hexe am Werk?
„The Witch | Official Trailer HD | A24“, via A24 (Youtube)
Der Film sendet unterschiedliche Signale. Zum Einen sieht man eine Hexe, vielleicht mehrere. Oder war es nur die Vorstellung dessen? Der Aberglaube der Familie? Ein Sinnbild? Zum Anderen zeigt er die Familie als derart streng gläubig, dass sie fanatisch wirken. Die Kinder müssen stets Bibelverse rezitieren und die damit einhergehende besonders strenge Auslegung des Vaters. Nach der kommen alle bereits als Sünder zur Welt. Umso entlarvender ist es, wenn Sohn Caleb (Harvey Scrimshaw) seinen Vater fragt, ob auch das gerade verschwundene Baby ein Sünder wäre. Es hatte ja noch nicht mal die Gelegenheit zu sündigen. Sie erklären sich die Geschehnisse auf dem Hof mit Teufel und Gott, statt in ihren eigenen Handlungen und Entscheidungen die Ursache zu suchen. Als Zuschauer ist man hin- und hergerissen. Führt uns der fanatischen Glauben der Familie in die Irre und es gibt gar keine Hexe? Falls aber nicht, wie konnte das Baby so schnell verschwinden? Ist Thomasin eventuell wirklich eine Hexe? Oder ist es tatsächlich eine Strafe, da die Familie insgeheim an ihrem gottesfürchtigen Leben zweifelt und sündigt? Das ist ein sehr anschauliches und vor Allem atmosphärisch gefilmtes Hin- und Her. Der dargestellte Fanatismus kann allerdings auch einen Touch too much sein. Die Bilder und angeblichen Zeichen des Bösen verfehlen aber nicht ihre Wirkung. Alles scheint in tristes Grau gehüllt zu sein: den Filter hätte man gern auch etwas runterdrehen können. Aber der knochige, knorrige, kahle Wald und die durchhuschende rote Gestalt ist ein atmosphärischer Farbtupfer auf der Palette angedeuteten Horrors. Aber es ist kein Gore zu erwarten. Das Ende lässt dann überraschenderweise keine Fragen mehr offen. Obwohl ich es als gelungen und überraschend empfand, ist es relativ umstritten. Vielleicht weil es dann erschreckend eindeutig und „klassisch“ ist, wo es vorher noch viele mögliche Deutungsweisen gab.
The Witch (OT: The VVitch: A New-England Folktale), USA/Kanada/UK, 2015, Robert Eggers, 92 min, (7/10)
„DIE KLEINE HEXE Trailer German Deutsch (2018)“, via KinoCheck (Youtube)
Die kleine Hexe
Der deutsch-schweizerische Film basiert auf Otfried Preußlers Kinderbuch-Hexe und präsentiert uns ein grundsympathisches Hexenbild. Die kleine Hexe (Karoline Herfurth) möchte gern zusammen mit den anderen zur Walpurgis-Nacht auf dem Blocksberg tanzen. Aber die anderen Hexen sagen, dass sie mit ihren 127 Jahren noch viel zu jung ist. Sie müsse sich erst beweisen, damit sie mittanzen darf. So wird sie aufgefordert ein Jahr zu üben. Dann darf sie sich der Prüfung vor dem Hexenrat stellen, ob sie eine wirklich gute Hexe ist und wenn sie besteht auch auf dem Blocksberg mittanzen. Das Problem nur: die Zaubersprüche, die sie lernen muss, dienen dem Erzeugen von Lawinen, starken Winden und Feuersbrünsten. Dabei tut die kleine Hexe doch viel lieber Gutes mit ihren Hexenkräften. Und das beweist der Film auch. Die kleine Hexe ist ein liebevoll ausgestatteter Familienfilm. Das krumme Häuschen im moosigen, grünen Wald ist atmosphärisch und die Kulisse bis in die hinterste Ecke eindrucksvoll mit wilden, urigen und kuriosen Gegenständen gefüllt. Kannen aus denen Pflanzen wachsen; eine Badewanne, aus der Milch und Honig quillt und ein mit Moos bewachsenes Piano. Es macht Spaß den Film zu schauen – er ist für Groß und Klein unterhaltsam und charmant hexig. Karoline Herfurth hat das Gesicht und die Attitüde, um im einen Moment wie ein Kind zu wirken, das mit den anderen Kindern spielen will und sich im nächsten Moment aus den Fängen der gemeineren Hexen windet und authentisch Zaubersprüche vorträgt. Irgendwie kann sie alles. Künstlich verlängerte Nase inklusive. Axel Prahl gibt ihrem CGI-Raben Abraxas eine Stimme. Das eine wie das andere gut gelungen. Die kleine Hexe und Abraxas sind ein cooles Gespann. Der ganze Film verfolgt die Botschaft, dass man sich nicht verbiegen lassen soll – schon gar nicht von alten, staubigen Regeln oder fiesen ollen Hexen. Zwar ist die Handlung sehr charmant, aber doch etwas aufgedunsen für das was sie erzählen will. Für Erwachsene mag die Aufmerksamkeitsspanne bei der Spielzeit ja zu funktionieren, aber für Kinder wirkt sie doch einen Tick zu lang. Übrigens wurde der Film zu großen Teilen im wunderschönen Harz gedreht, in dem die Autorin dieser Besprechung gern wandern geht. Der Brocken wurde aber nicht als Kulisse verwendet, obwohl er eigentlich „der Blocksberg“ ist. die Antennen und Gebäude die dort oben stehen sehen wohl auch einfach nicht nach Hexentanzplatz aus.
Die kleine Hexe, Deutschland/Schweiz, 2018, Michael Schaerer, 103 min, (8/10)
Suspiria (2018)
Susie Bannion (Dakota Johnson) reist in das Berlin des Jahres 1977, um an der Markos Dance Academy vorzutanzen und hoffentlich in das Ensemble aufgenommen zu werden. Obwohl ihr anfangs niemand große Chancen ausrechnet, begeistert sie die Lehrerinnen rund um Madame Blanc (Tilda Swinton) und Miss Tanner (Angela Winkler) schwer. Susie wird vom Fleck weg aufgenommen. Die Academy bietet den Schülerinnen auch eine Unterkunft und wie es der Zufall so will, ist gerade ein Zimmer frei geworden. Susies Mitschülerinnen bzw. Kolleginnen reden hin und wieder von Patricia (Chloë Grace Moretz), deren Zimmer Susie nun bezieht und die kurz vorher spurlos verschwunden ist. Kurz zuvor war sie bei dem Psychologen Dr. Josef Klemperer („Lutz Ebersdorf“), redete davon, dass jemand hinter ihr her ist und hinterließ wirre Notizen. Desto mehr Dr. Klemperer diese Schriften wälzt, desto klarer wird ihm, dass das nicht alles nur von einem strapazierten, jungen Geist erdacht wurde. Und auch Susie und ihre neu gewonnene Freundin Sarah (Mia Goth) beginnen die Akademie in Frage zu stellen. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Während Sarah an eine Verschwörung glaubt, scheint Susie mehr und mehr wie in einem Bann gefangen.
Die Zusammenfassung ist Dario Argentos gleichnamigen Film aus dem Jahr 1977 scheinbar sehr ähnlich. Der Rest ist es nicht. Guadagninos „Nicht-Remake“ nach einem Drehbuch von David Kajganich versetzt das Geschehen in das Jahr 1977, in dem ursprünglich Argentos Klassiker veröffentlicht wurde und schlägt einen grundsätzlich anderen Ton an. Zum Einen verneigt sich der Film vor Weiblichkeit und Ästhetik. Während in Argentos Film die Frauen eher (evtl auch wegen der Zeit in der die Filme entstanden) „damsels in distress“ waren, die scheinbar blind von einem Unglück in das nächste rennen. Hier sind die Frauen das treibende Element des Films und nicht nur das: alle Rollen wurden mit Frauen besetzt. Selbst bei Dr. Klemperer alias Lutz Ebersdorf handelt es sich in Wirklichkeit um Tilda Swinton. Frauen sind hier aufrührerisch, entlarvend, verletzlich, vor Allem aber mächtig und facettenreich dargestellt. Das Hexentum ist eine Metapher auf die weibliche Emanzipation und wie Frauen lernten, sich selbst zu helfen und zu beschützen. Aber auch auf eine Art „weibliches Gesetz der Stärkeren“. Das Thema Tanz ist ein Ausdruck der Themen Weiblichkeit und Macht. Es ist kein Fetisch wie in Argentos Film, sondern ein Motiv. Tanz bekommt mehr Raum und bewusste Aufmerksamkeit, obwohl die zeitgenössischen Tänze a la Pina Bausch eventuell nicht nur Freunde unter den Zuschauern finden. Guadagnino hat bewiesen, dass er auch Horror kann, aber einen ganz anderen Ansatz gewählt. Der 2018er-Suspiria hat einige Mordszenen, die es in sich haben und sich eher nach den „Krallen des Bösen“ anfühlen als das Original. Der Film kann erschütternd sein, brutal, hermetisch, und eben leider nicht nur schön. Die Gewaltexplosion gegen Ende sowie das sehr künstlerische Feeling sorgen dafür, dass der Film dem Zuschauer gegen Ende mit großer Wahrscheinlichkeit entgleitet, wenn nicht sogar abstößt. Und das ist sehr schade.
Suspiria, USA/Italien, 2018, Luca Guadagnino, 152 min, (7/10)
„Suspiria – Official Trailer | Amazon Studios“, via Amazon Studios (Youtube)
Im Grunde finde ich die Darstellung von Hexen in der modernen und vielleicht gefährlichen Welt in „Suspiria“ (2018) genial. Aber der Film hat einige abstoßende Over-the-top-Szenen, die es mir etwas vergellen. Andere Hexenfilme sind mir etwas zu doof oder zu seicht geraten. Oder ihnen entgleitet ihre eigentliche Botschaft. Sind Hexen letztendlich nicht eine Metapher auf mächtige Frauen und die Emanzipation? Die Abkehr von gesellschaftlichen anerkannten, netten und gehorsamen Frauenbildern? Gefällt mir sehr. 😉 Manche Filme dürfen auch einfach Spaß machen und da ist es auch vollkommen okay, wenn sie etwas stereotyp geraten sind wie „Hexen hexen“. Es ist krass, was man alles beobachten kann, wenn man nach einer Weile mal wieder einen Film aus der Kindheit schaut. So war ich inzwischen in Bergen in Norwegen und habe es im Film „Hexen hexen“ wiedererkannt. Außerdem habe ich das erste Mal gemerkt, dass unter den Hexen der Hexenversammlung auch einige Männer sitzen. 🙂 Auf meiner Liste sind noch eine ganze Menge Hexenfilme, u.a. „Zauberhafte Schwestern“ mit Nicole Kidman und Sandra Bullock. Was meint ihr, welche man unbedingt gesehen haben muss? Was erwartet ihr von einem guten Hexenfilm?
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
Schreibe einen Kommentar