Der „Horrorctober schreitet voran! Und ich bewege mich auf die schwammige Zone in der Challenge-Mitte zu. Da schaue ich meistens Filme, die ich unrühmlich den „Rest“ nenne. Klingt nicht nett, ich weiß. Aber es ist weniger schlimm gemeint als es wirkt. Das sind eben die Filme, an die die Erwartungen gruselig zu sein nicht immens hoch sind. Denn die hebe ich mir gern für Halloween selbst oder die Tage unmittelbar davor auf. Und ich bin nicht übermäßig neugierig auf sie, sonst hätte ich sie gleich zu Anfang des „Horrorctober“ geschaut. Aber sie sind immerhin Teil einer sorgsam zusammen gestellten Liste. 🙂
Hagazussa – Der Hexenfluch
Hagazussa ist laut der Wikipedia ein althochdeutsches Wort für Hexe. Und als eben solche wird die kleine Albrun und ihre Mutter (Claudia Martini) von den anderen Dorfbewohnern beschimpft. Sie leben in den österreichischen Alpen des 15. Jahrhunderts ein karges Leben. Als die Mutter krank wird, gibt es keine Hilfe. Nur ein hoffnungsloses Kopfschütteln. Als Albrun (Aleksandra Cwen) später erwachsen und selber Mutter ist, kommen die Vorbehalte gegen sie zurück, was seine Wirkung nicht verfehlt. Für den Zuschauer gibt es mindestens genauso viele Hinweise, dass sie eine Hexe sein könnte wie es Hinweise gibt, dass sie nur in diese Rolle gedrängt wurde. Es obliegt also dem Zuschauer das Gesehene zu interpretieren. Was die Stigmatisierung Albruns und ihrer Mutter betrifft, ist das ein Kunstgriff, der in großartige und atmosphärische Bilder getaucht ist. Die Isolation, der traumhafte Blick über die Alpen, ein Tropfen Blutes, die grünen, moosigen Wälder – man meint den Wald förmlich riechen zu können. Aber zuviele Szenen und Momente sind kryptisch, hermetisch, verstören und erfordern viel Interpretation. Dahingehend ist für mich die Szene „zu Dritt auf der Alm“ ein gutes, weil eben zu abstraktes Beispiel. Wie auch der schiere Grund, warum die Frauen ausgegrenzt werden. Weil sie ein Stück abseits von den anderen wohnen? In dieser Kombination frustrierend, wegen all der „Warums“ und des „Was sehe ich da“. Das haben auch die großartigen Szenen und starken Bilder für mich nicht wieder gut gemacht.
Hagazussa – Der Hexenfluch, Deutschland/Österreich, 2017, Lukas Feigelfeld, 102 min, (5/10)
„John dies at the end – Trailer deutsch“, via Pandastorm Pictures (Youtube)
John Dies at the End
Die Freunde Dave (Chase Williamson) und John (Rob Mayes) verdienen sich als Teilzeit-Prügel-Exorzisten und werden in noch seltsamere Angelegenheiten als üblich verwickelt, nachdem sie aus Versehen die neue Droge mit dem klingenden Namen Sojasauce probieren. Zum Schluss geht es um nichts geringeres als die Errettung der gesamten Menschheit und natürlich steht die Frage im Raum, ob John am Ende wirklich stirbt? Jedenfalls wollen Dave und John die meiste Zeit am liebsten in Ruhe gelassen werden und sehen die schleimigen Monster, sehr physischen Geistererscheinungen und das Ende der Welt verhältnismäßig gelassen. Chase Williamsons Blick, wenn ihm mal wieder jemand eine abgedrehte Geschichte erzählt hat schon eine ganz eigene Komik, die auch die Stimmung des Zuschauers in dem Trashfest widerspiegelt. 😉 Muss man mögen. Mir war das alles etwas zu konfus und inkohärent. Der Anfang des Films ist dabei wohl aber am schlimmsten, weil er fast nichts mit dem Rest der Handlung zutun hat. Mit viel Humor kommt man aber einigermaßen gut durch den Film. In Wirklichkeit bin ich ja nur böse wegen des Schicksals von „Bark Lee“ – der Hund war ja einfach mal das Beste an der abstrusen Story. Und bevor ihr danach fragt: ja, Paul Giamatti hat eine kleine Rolle und war Produzent. Und ja: es hat das Label Horror schon verdient und das nicht nur weil es horrormäßig trashig ist, sondern weil es einige eklige Kreaturen zu sehen gibt. Auf vier Punkte kommt der Film trotzdem (immerhin), obwohl ich eine ausgeprägte Allergie gegen Trashfilme habe die sich wie in der Wikipedia angegeben als dark fantasy science fiction comedy horror film tarnen (jaja schon klar …), wegen einiger schöner philosophischer Anleihen wie dem „Schiff des Theseus“.
John Dies at the End, USA, 2012, Don Coscarelli, 100 min, (4/10)
Die Farbe aus dem All
Ich hatte ja schon so ein bisschen Angst, dass wenn ich Richard Stanleys Die Farbe aus dem All schaue und schlecht finde, der Don Pozuelo nicht mehr mit mir spricht … glücklicherweise fand ich den Film ganz unterhaltsam. Stanley adaptiert hier die gleichnamige Geschichte H.P. Lovecrafts. Den Trailer fand ich aber so trashig, dass ich kaum an mir halten konnte und vom Film ehrlich gesagt nichts mehr erwartete. Wenn Nicolas Cage einen pink- oder magenta-schimmernden Meteoriten in seinem Garten anschaut und (tatsächlich eine Zeile aus der Literaturvorlage) sagt eine solche Farbe hätte er noch nie gesehen, dann nehme ich das leider so ernst und finde das so blöd, dass es schon wieder witzig ist. 🙂 Worum geht es also? Ein Meteorit schlägt auf dem Grundstück der Gardners in einer ländlichen Gegend ein. Die haben sich dort erst vor Kurzem niedergelassen und wollen nach der schweren Krankheit von Familienmutter Theresa (Joely Richardson) zur Ruhe kommen und ihr Mann Nathan (Nicolas Cage) plant Geschäftsideen rund um Alpakas auszuleben bis der Meteorit im Vorgärten einschlägt und nichts ist mehr so wie es war. Dessen auffällige Farbe findet sich fortan ständig auf dem Grundstück wieder, scheint überall zu sprießen und die Familie förmlich zu infizieren.
Es wird sehr body-horror-lastig und ein bunter Strauß aus seltsamen Entscheidungen getroffen. Oh das Auto fährt nicht, hm, vielleicht mal loslaufen und Hilfe holen? Ach nein, warum auch!? Über Logik darf man nicht anfangen zu diskutieren. Dafür glänzt der Film wortwörtlich im Visuellen. Richard Stanley hat sich wie auch Huan Vu in seinem Die Farbe für Magenta als die Farbe entschieden, die sich hier wirklich nach und nach einschleicht und überall durchzieht. Besonders mochte ich wie sie manchmal ganz subtil als leichte Spiegelung oder Färbung im Trinkwasser zu sehen ist, manchmal aber in einem psychedelischen, nicht zu übersehenden Farbfeuerwerk mündet.
Allerdings ist Nicolas Cages Rolle so gaga und voller seltsamer Aktionen mit Spuren von Overacting, dass ich inzwischen doch denke, dass die Leute ihn absichtlich für solche Rollen casten und das auch von ihm erwarten. Sprich: mit ihm war ich nicht besonders zufrieden. Auch aus den Wicca-Ambitionen von Tochter Lavinia (Madeleine Arthur) hätte man mehr machen können. So muss sie dafür herhalten, dass mit dem Necronomicon nun doch einige der typischen lovecraftschen Motive in der Adaption auftaucht (was jetzt gar nichts mehr mit Wicca zutun hat), obwohl sich Color Out of Space ja eigentlich dadurch auszeichnete, das weder Cthulhu oder große Alte, noch das Necronomicon auftauchen. In dem Punkt ist das je nach Flügel der Lovecraft-Fanbase also genial oder höchst umstritten. Auch ansonsten hat sich Stanley auf ganz andere Aspekte der Geschichte rund um den Meteoriten verschrieben als Lovecraft in seiner Kurzgeschichte. Die Wissenschaftskeule wird gar nicht geschwungen und sich stattdessen stark auf die Familie konzentriert, was in der Vorlage anders ist. Dort spielt eigentlich die Natur eine größere Rolle. Nun ja. Dafür gibt es reichlich Body Horror. Das finde ich gut, mit einigen der anderen Entscheidungen bin ich nicht übermäßig zufrieden. Alles in allem setzt der Film aber das Motiv der alles verändernden Farbe gut in Szene.
Die Farbe aus dem All (OT: Color Out of Space), USA, 2019, Richard Stanley, 113 min, (6/10)
„COLOR OUT OF SPACE Official Trailer“, via RLJE Films (Youtube)
Und sonst so?
Und sonst so habe ich The Haunting of Bly Manor zu Ende geschaut – die Besprechung folgt kommende Woche. 🙂 Nur soviel: die Staffel hat mich gegen Ende fast etwas verloren, weil im Gegensatz zu Hill House hier alles bis ins letzte Detail aufgeklärt wird und man unter dem Strich nichts mehr zum fachsimpeln übrig hat. Meckern auf hohem Niveau, ja! Aber mir war das wirklich stellenweise zu übererklärt. (Offenbar ganz anders als bei Hagazussa! 😉 ) Aber der Kreis schließt sich am Ende auf eine sehr rührend Weise, die mich dann doch gekriegt hat.
Gerade erst vorgestern habe ich außerdem Mexican Gothic zu Ende gelesen. Am Anfang war es mir einen Tick zu telenovela-ig und es burnte etwas slow. Ein mexikanisches High-Society-Girl fährt darin in den 50er Jahren auf’s Land und kommt dem Hilferuf ihrer Cousine nach. Auf dem Anwesen deren reicher Schwiegerfamilie gehen wohl seltsame Dinge vor sich. Das ist anfangs noch sehr verhalten und es überwiegen Streitereien zwischen ihr und den Schwiegereltern. Auch hätte ich erwartet, dass sie statt sich um ihre Garderobe zu kümmern ein bisschen mehr in dem Haus forscht und etwas mehr dran bleibt rauszukriegen, was da eigentlich abgeht. Denn die Familie und ihre Cousine in Not verhalten sich wirklich seltsam. Aber das kommt dann alles noch. Und die Idee der Autorin ist wirklich allemal ein klassisches Gothic Folk Tale, ich möchte sogar sagen es geht in die Richtung Body Horror und hat viele starke Motive. Man brauch nur etwas Atem bis dahin. Das Buch war ein Geschenk der lieben Sabine und das klingt jetzt alles hoffentlich nicht undankbar. Denn ich freue mich immer noch sehr über das Buch! 😀 Genauso wie ich mich darüber freue, dass es offenbar als Serie adaptiert wird. Und ich denke, dass das sogar besser funktioniert und sich das mexikanische Setting nochmal besser überträgt, v.A. auch wegen der vielen visuellen Motive.
Aktuell lese ich Ray Bradburys Das böse kommt auf leisen Sohlen. Anfangs total motiviert, Buch aufgeschlagen, sofort keinen Bock mehr! Wenn das Buch schon anfängt mit „Vor Allem war Oktober, ein köstlicher Monat für Jungen.“ Für Jungen? Warum nur für Jungen? Ein sehr unsympathischer Buch-Anfang … . Es ist ja nicht das erste Buch von Bradbury was ich lese, also hat er seinen Ruf nicht augenblicklich ruiniert. 😉 Aber sagen wir mal so: auch in Fahrenheit 451 gab es nicht viel Platz für Frauen(figuren). Schade eigentlich. Jetzt lasse ich mich mal überraschen, was da kommt.
Zu den bisherigen Artikeln
Ankündigung und Filmliste
Woche 1 („Cello“, „Escape Room“, „Bite“)
Woche 2 („The Autopsy of Jane Doe“ & „Die Farbe“)
Woche 3 („The Wind“ & „Spring“)
Ab jetzt heißt es Endspurt! Noch 3 Filme stehen auf meiner Liste und ich bin sehr gespannt. Nicht nur, ob ich die bis einschließlich 31. schaffe zu gucken, sondern auch ob sie das halten, was ich mir von ihnen verspreche. Besonders gespannt bin ich auf „Scary Stories to Tell in the Dark“. Habt ihr euch was aus eurer Liste aufgehoben? Oder plant ihr einen bestimmten Film am 31. zu schauen?
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