Oh man. Ich tue mich mit Schubladendenken schwer. „Animationsfilme für ein erwachsenes Publikum“ oder „für Erwachsene“ klingt zwangsläufig immer nach Erotikfilm, Porno oder Hentai. Gemeint sind aber Filme, die animiert sind und die komplexe und komplizierte Themen behandeln, die für Kinder noch zu hart, schwermütig und aufgrund mangelnder Lebenserfahrung nicht zu begreifen sind. Dabei verschwimmen die Grenzen aber natürlich extrem. Das ist das, was ich mit Schubladendenken meine und was ich insbesondere auf Animationsfilme bezogen gar nicht mag. Es gibt soviele wunderbare Animationsfilme, die ich noch als Erwachsene gern schaue wie Disneys Robin Hood, Mulan, Pocahontas oder die wunderbaren Ghibli-Animefilme. Vor Allem die wunderbaren Ghibli-Filme! Andersrum muss man auch akzeptieren, dass es Filme gibt, die animiert sind, aber nicht automatisch nur alleine deswegen Kinderfilme. Animationsfilme können genauso Anspruch haben. Aber wer weiß … vielleicht gibt es die Schubladen „Animationsfilme“, „Filme für Kinder“ und „Filme für Erwachsene“ ja doch und ich bin eben nur im Herzen ein bisschen Kind geblieben 😉 Heute in der Werkschau: „Animationsfilme für Erwachsene“.
Aufstand der Tiere
Der britische Animationsfilm basiert auf George Orwells großartiger und schockierender Fabel Animal Farm, in der sich die Tiere einer Farm emanzipieren und gegen den Menschen auflehnen. Die Bewegung wird angestoßen vom alten Eber Old Major. Er ruft allen Tieren ins Gewissen, dass sie gleich sind, sich zusammen auflehnen und ohne die Menschen in Frieden leben können. Sie vertreiben den Farmer und seine Frau und bilden eine autarke Gemeinschaft. Dann aber fühlen sich einige der Schweine zum Herrschen und Anführen berufen und das System wird schleichend und unterschwellig korrumpiert, ohne dass die Tiere es anfangs bemerken. Hieß es früher noch „ALL ANIMALS ARE EQUAL“ wird daraus langsam ein „ALL ANIMALS ARE EQUAL BUT SOME ANIMALS ARE MORE EQUAL THAN OTHERS“ und die Tiere beginnen für die Schweine rund um den diktatorischen Anführer Napoleon zu arbeiten. Damit ist Animal Farm ein einziges Spiegelbild der Gesellschaft und im Speziellen auf die Sowjetunion, soweit die Intention Orwells. Der Animationsfilm bildet einen Großteil der orwellschen Fabel ab und tut das mit wunderbaren Tier-Animationen, die anfangs vergessen lassen wo die Geschichte hingeht und später ob unserer tierischen Helden und ihres Martyriums umso mehr schockieren. Krass daran ist die Animationsqualität, obwohl der Film mehr als 50 Jahre auf dem Buckel hat und die Aktualität des Stoffs.
Aufstand der Tiere (OT: Animal Farm), UK, 1954; John Halas/Joy Batchelor/Ralph Ayres; 72 min, (9/10)
Die Tragödie der Belladonna
Die schöne Jeanne und ihr Ehemann Jean könnten kaum glücklicher sein. Sie sind frisch verheiratet und wollen ihre Brautsteuer beim Baron entrichten. Der aber fordert neben der Steuer Jeannes Hochzeitsnacht. Geschändet und bedrückt versucht sie das Geschehene zu vergessen. Doch jedes Mal wenn ihr etwas Gutes widerfährt wird sie von den Menschen des Dorfes als Hexe verschrien. Steter Tropfen hölt den Stein. Und das solange bis Jeanne erwägt wirklich einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Bei dem Stoff hatte übrigens tatsächlich Manga- und Anime-Urvater Osamu Tezuka seine Hände im Spiel. Zusammen mit der Produktionsgesellschaft Mushi Prouctions schuf er eine Trilogie von Filmen mit erotischem Inhalt. Allerdings stand für Belladonna wenig Budget zur Verfügung und das merkt man stark. Im ganzen Film gibt es zwar einige Animationssequenzen, der Rest wurde aber mit Standbildern aufgefüllt oder mit Videosequenzen die deutlich aus dem Abfilmen der Standbilder entstanden sind. Darüber liegt die psychedelische und Flower-Power-angehauchte Musik von Masahiko Sato mit teilweise ätherischen Klängen, albtraumhaften Sequenzen und Phallus-Metaphern, dass man meint einen Trip geschmissen zu haben. Dabei ist der generelle Stil sehr schön und deutlich vom Jugendstil beeinflusst. Der Inhalt aber vergleichsweise hart. Die Vergewaltigungen, die Jeanne über sich ergehen lassen muss, sind schwer zu ertragen, auch wenn sie metaphorisch albtraumhaft stilisiert wurden, sodass die Szenen zumindest nicht mehr ganz so explizit aussehen. Dem gegenüber steht aber immer noch die abscheuliche moralische Verderbtheit der Menschen um Jeanne. Es ist nicht leicht sich den Stoff anzuschauen, auch wenn das Character design noch so schön ist und die Botschaft noch so vielschichtig und entlarvend.
Die Tragödie der Belladonna (哀しみのベラドンナ – Kanashimi no Beradonna), Japan, 1973, Eiichi Yamamoto, 86 min, (5/10)
Die Hunde sind los
Nach Unten am Fluss widmete sich Regisseur Martin Rosen 1982 wieder der Verfilmung eines Richard-Adams-Romans. Und diesmal eines noch konsequenteren. Adams und Rosen prangern in Die Hunde sind los v.A. das Thema Tierversuche an, aber der Film gibt noch soviel mehr an Motiven her wie Machtmissbrauch, Vertuschung und Einflussnahme durch die Medien. Der Film handelt vom Terrier Snitter (im Original gesprochen von John Hurt, in der Synchro Joachim Tennstedt) und dem schon etwas in die Tage gekommenen schwarzen Labrador Rowf (Christopher Benjamin/Helmut Krauss), denen es durch Zufall gelingt aus dem Labor auszubüchsen, in dem sie für Tierversuche missbraucht wurden. Beide versuchen sich auf dem Lande durchzuschlagen, was nicht unbedingt einfach ist, da beide es nicht gewöhnt sind, sich ihr Futter zu besorgen. Ihre Instinkte sind getrübt durch die albtraumhaften Qualen des Labors. So hat Snitter offensichtlich Operationen am offenen Hirn über sich ergehen lassen müssen, die seine Wahrnehmung ab und zu vernebeln. Rowf hingegen hat große Angst vor Wasser. Ihnen wird der Überlebenskampf nicht unbedingt einfacher gemacht als sich durch die Medien die Nachricht verbreitet, dass die aus dem Labor entlaufenen Tiere eventuell Träger hoch-ansteckender Krankheiten sind.
Dr. Paul Farmer sagte „Die Idee, dass manche Leben weniger wert sind, ist die Wurzel alles Übels auf dieser Welt.“ Und so ist es mit dem Leid, dass Menschen Tiere antun und in Die Hunde sind los ohne Kitsch, aber mit viel grausiger Realität abgebildet wird. Wenn der gutmütige Snitter die Stadt und die Herrchen sucht oder bei dem verzweifelten Miteinander der beiden Hunde, dann trifft das einen wunden Punkt im Zuschauer. Vom Ende gar nicht zu sprechen. Der Botschaft des Films hilft es umso mehr, dass die Animationsqualität und Realismus der Tiere seit Unten am Fluss nochmal eins draufgesetzt hat und weitaus qualitativ hochwertiger wirkt. Der Mensch ist hier nur eine Randfigur und der Zuschauer muss die Perspektive eines Hundes einnehmen. Er sieht selten das Gesicht des Menschen, v.A. aber dessen Beine und dessen Taten. Einer der wenigen Filme, die ich als Kind gesehen und an die ich mich bis heute erinnern kann, v.A. an ihr Ende. Vermutlich auch weil es wahrscheinlich einer der ersten Filme war und definitiv kein Kinderfilm, da er noch wesentlich konsequenter und unverblümter ist als Unten am Fluss.
Die Hunde sind los (OT: Plague Dogs), UK, 1982, Martin Rosen, 103 min, (9/10)
„Plague Dogs – Trailer“, via Umbrella Entertainment (Youtube)
Wenn der Wind weht
Strahlende Zeiten, so heißt der Comic von Raymond Briggs auf dem der Film basiert. Der Titel impliziert was das britische Rentner-Ehepaar Hilda und Jim irgendwie entfällt. Bei einem Atomkrieg, sind die Strahlen und der Fallout neben der Explosion das Verheerende und fordern viele Menschenleben. In der alternativen Geschichtsschreibung wird Großbritannien irgendwann lange nach Ende des zweiten Weltkriegs von Russland angegriffen. Jim und Hilda haben grenzenloses Vertrauen in ihr Land und dass das schon wieder werden wird. Jim besorgt sich eine Broschüre, in der beschrieben steht wie man sich am besten auf einen bevorstehenden Angriff vorbereitet. Er soll einen Schutzraum aus ein paar Türen zusammenzimmern, Essensvorräte sammeln – ja ok, man versteht in welche Richtung das geht. Für Jim klingt das auch alles ganz logisch. Was aber die Farbe der Klamotten für eine Rolle spielt und inwiefern das in Papiertüten krabbeln helfen soll, das weiß wohl keiner so recht. Und so kommt es wie es kommen muss. In einem Schlag mit gnadenloser Gewalt mähen die Kernwaffen alles um Jim und Hilda nieder und der Zuschauer sieht mit an wie sich die Beiden durchschlagen. Das im Film dargestellte Protect and Survive-Programm gab es mit diesen enorm hilfreichen Tipps in Großbritannien übrigens wirklich. Der Film ist dabei mit unterschiedlichen Animationstechniken gedreht worden. So besteht das Haus aus einem gefilmten Modell, das mit den animierten Figuren überlagert wurde. Und wenn der Stoff nicht so ernst wäre, würde es noch mehr Spaß machen die Techniken zu entdecken.
Es ist so schwer sich das anzuschauen wie die beiden alten Leute meinen mit Hausmittelchen und Das-wird-schon-werden-Mentalität versuchen wollen einen Krieg durchzustehen. Ihre Naivität und Unwissenheit über die Gräuel des Atomkriegs sind bestechend und prangern Informationsmissstände an. Davon mal abgesehen scheinen die Beiden nicht ein bisschen Instinkt und Wissen über den Atomkrieg zu haben, weswegen der Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle entlassen wird. Soll man sie für dumm halten? Soll man sich über sie aufregen? Soll man weinen, weil es sich so schnell abzeichnet wie wenig Schutz vor Strahlungen ihnen Holztüren und Papiertüten bieten werden? Dann ist da noch das „Wie können sie nur??“ als sie in ihren Kindheitserinnerungen an den zweiten Weltkrieg in fast romantischer Natur schwelgen. Es gibt Filme, die sind allein wegen ihrer Natur schwer zu bewerten. Filme, die sich so schwer anschauen und die man am liebsten ausschalten möchte. Nicht, weil sie schlecht sind, sondern unerträglich aufgrund ihres Themas. Aber nur, weil sie einem unendlich leid tun.
Wenn der Wind weht (OT: When the Wind Blows), UK, 1986, Jimmy T. Murakami, 81 min, (8/10)
Paprika
Paprika ist der vielleicht bunteste, schnellste und wahnwitzigste Film, der jemals gemacht wurde. Ein Film wie ein Trip. Im Zentrum stehen die Träume der Menschen. Sogenannte therapeuthische Devices werden genutzt, um den Psychotherapeuten an den Träumen der Patienten teilhaben zu lassen, um ihre Psyche, ihre Gedanken oder ihre Komplexe zu entschlüsseln. Geräte wie das vom Technik-Genie Kōsaku Tokita entwickelte DC Mini erlauben es Therapeuten wie Atsuko Chiba die Träume der Patienten wie einen Film anzuschauen oder sogar zusammen mit ihnen ihre Traumwelt abzutauchen. Atsuko selbst hat aber einen „Alter Ego“, ein anderes Ich, das nur dann auftritt, wenn sie in einen solchen Traum eintaucht. Dieses ich ist Paprika. Quirlig, übermütig, aufgeweckt, während Atsuko im echten Leben eine etwas spröde Wissenschaftlerin ist. Eines Tages wird aber der DC Mini gestohlen. Das Gerät erlaubt es das Unterbewusstsein einer Person zu beeinflussen – sogar, wenn diese nicht einmal träumt oder schläft. Als der Chef von Atsuko beginnt unverständliches Zeug zu reden und versucht vom Balkon zu springen ist klar: sie befinden sich in großer Gefahr.
Satoshi Kon führte bei dem Film Regie und adaptierte zusammen mit Seishi Minakami Yasutaka Tsutsuis gleichnamigen Roman zu einem Drehbuch. Und dabei holt er alles raus was geht. Paprika ist im einen Moment eine Fee, im nächsten eine Sagengestalt die Son-Goku ähnlich auf einer Wolke durch den Himmel reitet oder in ein Gemälde eintaucht oder als Meerjungfrau in den Meeren schwimmt. Sie ist in der Lage die Grenzen der Vorstellungskraft zu brechen und die Träume zu ihren Gunsten zu formen. Das kann aber auch der Dieb des DC Mini, der im extremen Finale des Films sogar die gesamte Menschheit bedroht. Und hier liegt der vielleicht einzige Kritikpunkt an dem Film. Das Ende sprengt die Möglichkeiten des Vorstellbaren. Wie konnte die unterbewusste Gefahr so real werden? Darauf muss man sich einlassen (können). Der Rest ist ein Meisterwerk. Allein die bunten und lauten Welten. Die Parade aus laufenden Schränken, Puppen, Comic-Figuren, Tieren und Gestalten japanischen Brauchtums zusammen mit dem Electro-Pop-Soundtrack von Susumu Hirasawa grenzen an Wahnsinn – sind wie ein Traum, der Amok läuft und das Unterbewusstsein seiner Träumer so überstrapaziert, dass der Gehirnschaden droht. Aber keine Angst: nicht beim Zuschauer. Der kann das Fest in Sicherheit vom heimischen Sessel aus beobachten und sich herrlich amüsieren. Paprika ist eine Hommage an den ewig schwelenden Konflikt zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bzw den Gefahren die die Wissenschaft mit sich bringt. Was, wenn man seinem eigenen Unterbewusstsein nicht mehr trauen kann? Gar nicht merkt wie jemand anders übernimmt? Neben der nicht allzu krass formulierten Moralapostelei taucht aber ein beliebtes Motiv von Satoshi Kon auf. Der Mensch und sein Zwiespalt, seine zwei Seiten. Gelebt am Beispiel von Paprika/Atsuko. Satoshi Kon ist ein Genie, ein Visionär. Ein Regiesseur und Editor, der schneller ist als es Live Action Film sein kann. Jemand, den es vielleicht kein zweites Mal auf der Welt gibt. Jemand, der schmerzlich vermisst wird.
Paprika (OT: パプリカ „Papurika“), Japan, 2006, Satoshi Kon, 87 min, (9/10)
„Paprika (Anime Movie) Trailer [720p HD]“, via Lounger (Youtube)
Persepolis
Punk is not ded. Das steht auf der Jacke von Marjane, für die sie fast aufgegriffen und Sittenwächtern übergeben wird. Noch dazu als sie gerade im Begriff ist als illegal deklarierte Musik zu kaufen. Marjane ist im Iran aufgewachsen und hat die politischen Umwälzungen miterlebt. Von der Herrschaft des Schahs bis hin zur Ausrufung der Republik und der strengen Auslegung des Islams. Es fällt ihr schwer die Rolle der Frau zu akzeptieren und durch ihre rebellische Art fällt sie mehr und mehr auf, sodass ihre Eltern sie letzten Endes auf eine Schule ins Ausland schicken. Persepolis basiert auf der autobiografischen Graphic Novel von Marjane Satrapi, die sie zusammen mit Vincent Paronnaud als Animationsfilm umsetzte. Der Zeichenstil ist reduziert, aber die Schwarzweiß-Passagen ersticken ein wenig die Atmosphäre und wirken etwas zu plakativ, auch wenn das wahrscheinlich so gewollt ist. Die Szenen aus Marjanes Kindheit und Jugend sind in Schwarzweiß gehalten, die Szenen in der Gegenwart allerdings in Farbe. Da steht Marjane am Flughafen in Frankreich und muss sich entscheiden, ob sie jetzt zu Besuch in den Iran fliegt oder nicht. Aus dem Off erzählt sie ihre Geschichte, die einerseits witzige Eskapaden eines aufgeweckten, aufgeschlossenen Kindes beinhaltet, aber auch die Schattenseites und den Wandel der Gesellschaft. Persepolis bzw Marjane hält dabei den Sittenwächtern und religiösen Fanatikern den Spiegel vor, indem sie anfangs mit kindlicher Naivität die Regeln des Systems hinterfragt und das später zwar ohne Naivität aber mit vollem Bewusstsein und Verstand tut. Solche schweren Themen vermittelt Satrapi mit einer verblüffenden Leichtigkeit und erzählt ganz nebenbei von der emotionalen Zwickmühle auszuwandern und seine Lieben in der Heimat mit einem Berg an Problemen zurückzulassen oder von politischer Verfolgung bedroht. Wenn man von Filmen mit Mehrwert sprechen möchte, dann ist das so ein Exemplar.
Persepolis, Frankreich, 2007, Vincent Paronnaud/Marjane Satrapi, 95 min, (8/10)
Waltz with Bashir
„Wo war ich während des Massakers von Sabra und Schatila?“ Das fragt sich Ari Folman als ein Freund ihm von seinen Albträumen aus dem Libanonkrieg berichtet. Er bemerkt, dass er sich an kaum etwas erinnern kann. So beginnt Folman Freunde zu besuchen, die damals auch im Krieg gedient haben. Während sie von ihren Erlebnissen erzählen, kehrt nach und nach Folmans Erinnerung zurück. Und langsam fügen sich die Puzzleteile zu etwas grausigem zusammen: Völkermord. Folman stellt in seinem dokumentarischen Film die brennenden moralischen Fragen: wo warst du während des Völkermords? Und Warum hast du nichts dagegen getan? Hast du es nicht hinterfragt? Waltz with Bashir ist ein unbequemer Film, dessen Akteure echte Menschen sind. Die Interviewszenen und teilweise grausigen Erinnerungen wurden animiert, die Stimmen sind noch dieselben. „As himself“ wie es in der cast notice heißen würde. Umso bedrückender ist es, wenn die ehemaligen Soldaten, nun Familienväter, davon berichten, dass sie einfach im Libanon angekommen sind und feuerten und feuerten und gar nicht wussten worauf. Wie kann das sein? Wie kann man in den Krieg ziehen ohne zu wissen worum es geht? Ohne das Bewusstsein, dass man Unschuldige töten könnte? Aus Angst und Überforderung. Aber es geht doch um Leben. Um Menschen. Umso krasser ist es als die Animationssequenzen plötzlich gegen Ende des Films von einer gefilmten Reportage-Sequenz abgelöst werden, die einem noch lange nach der endroll im Kopf rumspuken. Der Titel ist eine Anspielung auf eine Szene des Films, die einem grausamen Walzer gleichkommt und an den Milizenführer Bachir Gemayel. Und während der Film viel Schande schildert, muss ich auch ein bisschen davon eingestehen. Nämlich, dass ich über dieses wichtige Stück Geschichte vorher kaum Kenntnisse hatte. Aber jetzt einen Denkanstoß bekommen habe. Alleine dafür ist es wichtig, dass es Filme wie diesen gibt.
Waltz with Bashir (OT: ואלס עם באשיר Vals im Bashir), Israel/Frankreich/Deutschland, 2008, Ari Folman, 87 min, (9/10)
‚“Waltz With Bashir“ deutscher Trailer‘, via TrailerGott (Youtube)
Als meine Eltern mit damals „Die Hunde sind los“ und „Unten am Fluss“ aus der Bibliothek mitbrachten, dachten auch sie, dass es Kinderfilme seien, weil sie ja animiert sind. Weit gefehlt. Mein Vater sagte etwas entrüstet „Das ist doch kein Kinderfilm!“ Und die Lehre von der Geschicht‘? Verwechsle Kinder- mit Animationsfilmen nicht. Denn damals war das schon etwas verstörend, die blutenden Hasen und Hunde, hui. Animationsfilme kann viel und konnte schon immer viel wie die Spanne der Erscheinungsjahre beweist. Von 1954 bis heute und über die Ländergrenzen hinweg suchten sich Filmschaffende Animation als Medium und das zu recht. Weil ein Animationsfilm wie jeder andere (und manchmal besser als jeder andere, siehe ‚Paprika‘ oder ‚Animal Farm‘) die Gräuel darstellen kann. Was für ein Aufwand wäre es 1954 gewesen den Film mit echten sprechenden Tieren oder Puppen zu machen? Manchmal ist Animationsfilm vielleicht die einzige Wahl, manchmal die richtige. Waltz with Bashir und Persepolis bekommen durch ihre Darstellung als comichafte Animation etwas traumhaftes oder ein bisschen Leichtigkeit, denn mit dem Medium kommen unzählige Stilmittel. Was ich gerne in diese Liste mit aufgenommen hätte, aber schon öfter im Blog gefeatured habe sind die Filme Perfect Blue vom Meister Satoshi Kon, Jin-Roh, Ghost in the Shell, Akira, Spriggan und auch Die letzten Glühwürmchen. Auf der TODO-Liste stehen für mich noch die Filme von René Laloux, die offenbar sehr fantasievolle Science-Fiction beinhaltet. Welche Animationsfilme, die sich eher an ein erwachseneres Publikum richten kennt ihr? Welche könnt ihr empfehlen? Habt ihr auch einige gesehen als ihr noch deutlich zu jung wart? Oder gehört ihr eher zu der Fraktion „Animationsfilme sind für Kinder“?
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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